Reise
SN-Lokalaugenschein am Beobachtungsposten 717 an der Grenze zu Nordkorea. Oder: Was amerikanische Schlagermusik mit Kaltem Krieg zu tun hat.
MICHAEL SMEJKAL
Wer hierher kommt, der sollte amerikanischen Swing und die Schlager der Sechzigerund Siebzigerjahre lieben, sonst ist es unerträglich. Die Tanzschuhe kann man dennoch getrost zu Hause lassen. Die Rede ist vom Beobachtungsposten 717 an der „DMZ“, wie es hier heißt, der demilitarisierten Zone, also dem Niemandsland zwischen Nord- und Südkorea.
Die Musik brüllt hier unablässig aus gewaltigen Lautsprechern in Richtung Norden. Warum das so ist, erklärt uns eine südkoreanische Offizierin, die uns auf unserer beim IOC beantragten Reise in diese Zone begleitet. Es sei die Antwort des Südens auf die Propaganda des Nordens. Über ebenso große Lautsprecher beschallt man aus dem Norden die Gegend, erzählt von Verfehlungen Südkoreas und fordert die Truppen auf, in den Norden überzulaufen. Die Beschallung aus Nordkorea reicht bis zu 24 Kilometer weit. Dann dreht man im Süden auch die Lautsprecher auf, um die Moral der eigenen Soldaten zu schützen. Dazu legt man amerikanische Schlager auf – das mögen offenbar die Nordkoreaner gar nicht. Ein paar Stunden geht das so, dann haben beide Seiten genug gehört und drehen die Lautsprecher wieder ab.
Zwei Stunden nördlich der Olympiaregion Pyeongchang liegt DMZ, die demilitarisierte Zone, als Resultat des Waffenstillstandsvertrags aus dem Jahr 1953. Offiziell gibt es nur einen Waffenstillstandsvertrag, keinen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern. Der sieht vor, dass beide Seiten von der vereinbarten Grenze zwei Kilometer nach hinten rücken – dadurch entstand diese 248 Kilometer lange und vier Kilometer breite Zone quer durch die Krisenregion. Die Region Gangwondo, zu der auch Pyeongchang gehört, war mit die am härtesten getroffene Region des Krieges: Diese Provinz wurde ziemlich genau in der Mitte geteilt, viele Familien wurden durch einen Vertrag, der sich am 38. Breitengrad orientiert, auseinandergerissen.
Dem Krieg, den Familien und der DMZ ist an der Grenze ein eigenes Museum gewidmet, das ist auch der letzte Punkt, an dem man Fotoapparat oder Handy mitführen darf. Das muss man deponieren, dann geht es im Militärkonvoi hinauf auf den 531 Meter hohen Aussichtspunkt. Durch eine bunkerartige Anlage geht es in eine Art Kinosaal – mit Blick auf Nordkorea. Der diensthabende Offizier erklärt, was wir demnächst sehen: Stellungen, Stützpunkte, Aussichtswarten. Eine TV-Kamera fängt das alles ein, zoomt die Details heraus und überträgt das auf einen großen Bildschirm. Jede Bewegung wird hier notiert und festgehalten und sehr wahrscheinlich ist es umgekehrt auch so. 2014 habe man hier sogar einmal Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bei einem Frontbesuch gesehen – man glaubt zumindest, dass es Kim war und kein Double. Dieser Beobachtungspunkt 717 der Armee ist normal nicht zugänglich, während Olympia lässt man aber eine kleine Zahl an Journalisten nach