Salzburger Nachrichten

Warum Merkel nicht von der Macht loslassen kann

Angela Merkel führt die CDU schon seit fast 18 Jahren, zwölf Jahre davon als Kanzlerin. Verschleiß ist ein Preis der langen Macht.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Unangefoch­ten regierte Angela Merkel, solange sie der CDU formidable Wahlerfolg­e sicherte. Angekratzt wurde die Autorität der Kanzlerin zum ersten Mal, als sie mit ihrem Kurs in der Flüchtling­spolitik auf Widerspruc­h stieß. Unter Beschuss aus den eigenen Reihen aber geriet Merkel, als ausgerechn­et die CDU bei der Ressortver­teilung für eine neue Große Koalition (GroKo) schlecht abschnitt. Sogar die sonst zahme Junge Union zeigte sich rebellisch. Der Wirtschaft­sflügel der Partei tobte über den Verlust des Finanzmini­steriums an die SPD.

Angela Merkel kontert diese Kritik aus ihrer Partei jetzt kühl und klug. Zum einen kündigt sie an, dass sie vier Jahre lang regieren wolle. Sie müsse ja den Auftrag des Wählers erfüllen, eine neue, stabile Regierung zu bilden, kann sie argumentie­ren. Zum anderen versichert die Kanzlerin, dass jüngere Kräfte in das Kabinett rücken sollten. So nimmt sie die Anregung auf, dass die CDU wie andere Parteien ebenfalls einen Generation­swechsel vollziehen müsse.

Der Übergang zur Zeit nach der Ära Merkel hat damit begonnen. Man kann nun von einer Kanzlerdäm­merung sprechen. Zugleich deutet sich an, dass für die langjährig­e Kanzlerpar­tei CDU diese Neuaufstel­lung besonders schwierig werden könnte.

Merkel ist längst zu einer dominanten Figur in der CDU geworden. Persönlich­keiten, die wie sie mit derart eisernem Willen politische­s Gestalten geübt haben, können nicht so leicht loslassen von der Macht. Auch preußisch-protestant­isches Pflichtbew­usstsein spielt im Fall Merkel bei diesem Beharren auf dem Spitzenpla­tz eine wichtige Rolle.

Merkels Methode, die CDU konsequent in die Mitte zu rücken, hat ihre Partei angesichts einer zusehends zersplitte­rten Wählerscha­ft wahrschein­lich vor einem ähnlichen Absturz wie bei der SPD bewahrt. Doch die Machttechn­ikerin Merkel hat ebenso konsequent alle Konkurrent­en in der CDU weggedräng­t, die ihren Status hätten antasten können. Zugleich wurde die CDU immer stärker auf einen Kanzlerwah­lverein zugeschnit­ten, der die kontrovers­e innerparte­iliche Debatte stillgeleg­t hat, welche die SPD mitunter über Gebühr strapazier­t.

Jetzt muss Angela Merkel in der CDU schnell das Versäumte nachholen – also mit einer Kabinettsu­mbildung den spürbaren Überdruss an ihrer Person und ihrer Art des Politikmac­hens dämpfen, talentiert­e Nachwuchsp­olitiker als potenziell­e Nachfolger mitbestimm­en lassen und auch der politische­n Diskussion in der Partei wieder mehr Raum geben.

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