Wie Mitt Romney zum Namensgeber einer Datenbank wurde
Auch in der EU-Hauptstadt Brüssel diskutieren Männer oft nur mit Männern. Ob eine neue Datenbank das ändert?
Es mangelt auf der Welt nicht an kompetenten Frauen. Doch so hoch wie in der EU-Hauptstadt ist die Dichte an exzellenten Beamtinnen, Politikerinnen, Diplomatinnen, Expertinnen in Thinktanks oder Unternehmen, Journalistinnen, Aktivistinnen und Assistentinnen nirgendwo sonst in Europa und kaum wo auf der Welt. Einen Eindruck davon gab es kürzlich bei der Präsentation einer neuen Internetplattform zur Steigerung der Sichtbarkeit dieser Frauen in Brüssel. Das deutsche Bundesland Hessen hatte seine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, die schier aus allen Nähten platzten, obwohl nur knapp 600 der rund 900 Anmeldungen – augenscheinlich 90 Prozent Frauen – akzeptiert worden waren. Aus Sicht der Initiatorinnen von „Brussels Binder“, wie die neue Onlinedatenbank heißt, ist es nicht länger akzeptabel, dass in Podiumsdiskussionen, Expertenrunden, Konferenzen oder Seminaren – von denen es ebenfalls in Brüssel mehr gibt als anderswo – oft abgesehen von der Moderatorin nur oder mehrheitlich Männer sprechen. Laut einer Untersuchung waren 2016 unter 1500 Rednern bei 300 Debatten in Brüssel nur 506 Frauen – nicht weil es nicht genügend gibt, sondern weil immer die üblichen Verdächtigen eingeladen werden. In einem Drittel der Diskussionen war überhaupt keine Frau vertreten.
Die Idee einer Datenbank haben Mitarbeiterinnen einiger Brüsseler Denkfabriken im Jahr 2015 geboren. Sie stieß schnell auf Interesse und Unterstützung der EU-Institutionen, aber auch der NATO und Google. Das Startkapital wurde ganz modern über Crowdfunding aufgestellt. Neu ist das Konzept nicht. Datenbanken wie „expertes“in Frankreich, „thewomenroom“in Großbritannien oder „speakerinnen“in Deutschland gibt es schon länger. Auch sie wurden gegründet, um das Argument, es sei keine Gesprächspartnerin oder Rednerin zu finden, zu entkräften. Meist funktionieren diese Datenbanken in ihren jeweiligen Umfeldern, wirklich abgehoben hat keine. Der Name „Brussels Binder“rührt von einer Aussage des einstigen US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney her. Er hatte in einer TV-Debatte gesagt, Frauenorganisationen hätten ihm „binders full of women“(Ordner voller Frauen) gebracht, als er versucht habe, nicht nur Männer in sein Team zu holen.
Nicht alle Frauen sind überzeugt, dass weitere Datenbanken das Problem lösen. Die USBestsellerautorin Rebecca Rosen hat vor einigen Jahren Männer dazu aufgerufen, an Diskussionen ohne Frauen einfach nicht mehr teilzunehmen. EUPanelWatch, ebenfalls eine Initiative in Brüssel, beobachtet die Szene genau und brandmarkt reine Männerrunden in sozialen Medien. Bei der Präsentation von „Brussels Binder“stellte sich übrigens heraus, dass sich die Mehrheit der anwesenden Frauen trotz des großen Interesses und der allgemeinen Euphorie noch nicht auf der Plattform registriert hatte.