So wird man Olympiasieger: Ein Erfahrungsbericht
Wie unsere ÖSV-Springer in Pyeongchang habe auch ich 2006 auf der Normalschanze eine Enttäuschung erlebt.
Vorweg sei gleich einmal gesagt: Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, der dich zu einer Olympiamedaille führt oder eben daran vorbei. Ich kenne allerdings meine eigene, ganz persönliche Geschichte, wie ich 2006 in Turin Gold gewonnen habe – und das noch so, als wäre es gerade gestern passiert.
Mit den Olympischen Winterspielen in Turin habe ich mich zum ersten Mal beschäftigt, als die Stadt im Jahr 1999 den Zuschlag erhalten hat und ich zu meinem besten Freund und Nachbar gesagt habe: Da sind wir dabei! Damals war ich noch Skifahrer und Fußballer, mit dem Skispringen habe ich erst später begonnen. Aber der Gedanke hatte sich bereits im Kopf manifestiert. Dass er auch Realität geworden ist, war sicher kein Zufall.
Schon ein Jahr vor der Eröffnung der Spiele waren wir in Turin, genauer gesagt in Pragelato, haben die Schanzen besichtigt und mit Hans-Peter Stauber eine ORF-Dokumentation gedreht. Bei einem Trainingskurs kurz später habe ich vor allem die Normalschanze in mein Herz geschlossen. Ich bin damals extrem stark gesprungen. Da war klar: Genau hier will ich Olympiasieger werden.
Das Problem war: Ich hatte bis zu diesem Tag nur einen Sieg im Weltcup geholt, 2003 in Liberec, stand insgesamt aber 15 Mal auf dem Stockerl. Dazu startete ich schlecht in die Saison, die Tournee war total verkorkst. Warum sollte es also ausgerechnet bei Olympia klappen? Die Ausgangslage ist mit der des aktuellen ÖSV-Teams durchaus vergleichbar. Doch durch Platz drei bei der Skiflug-WM in Oberstdorf, meine erste Einzelmedaille bei einem Großereignis überhaupt, ist mir der Knopf aufgegangen, ich bin in diesen berühmten Flow gekommen. Bei der Olympia-Generalprobe 2006 in Willingen wurde ich Zweiter, knapp hinter Andi Kofler, und wir scherzten bei der Pressekonferenz noch: „In Turin drehen wir die Reihenfolge um.“
Doch als Erstes stand bei den Spielen ja der Normalschanzen-Bewerb auf dem Programm. Auf jener Schanze, auf der die Olympiamedaille für mich bereitliegen sollte. Als Zweiter nach dem ersten Durchgang hatte ich im Finale allerdings Windpech. Ich ging leer aus. Die totale Enttäuschung. Rückblickend betrachtet war das sicher einer der schwärzesten Momente meiner Karriere. Am Abend – heute kann ich das ja verraten – haben wir in unserer Unterkunft eine „Frustfeier“veranstaltet. Wir brauchten das, um auf andere Gedanken zu kommen. Unserer Form hat das nicht geschadet. Ab dem ersten Training auf der Großschanze lief es sensationell. Dieses Feeling ging auch nicht mehr verloren und ich war am Ende der Glücklichere – Olympiasieger mit 0,1 Punkten Vorsprung auf Andi Kofler!
Es war ein unfassbar emotionaler Moment. Zu diesem Zeitpunkt war uns auch völlig egal, wer Erster und wer Zweiter wurde. Wir hatten beide eine Medaille gewonnen und diesen Olympiaspirit bis in die Haarspitzen gelebt. Die Olympischen Spiele stehen über allen anderen Wettbewerben. Als Sportler startest du nicht für dich selbst, sondern für dein Land, für Österreich. Diesen Patriotismus musst du spüren. Das kann dich noch einmal zusätzlich beflügeln, zumindest aber lässt es dich auf dem Weg zur Olympiamedaille die richtige Richtung einschlagen.