Salzburger Nachrichten

So wird man Olympiasie­ger: Ein Erfahrungs­bericht

Wie unsere ÖSV-Springer in Pyeongchan­g habe auch ich 2006 auf der Normalscha­nze eine Enttäuschu­ng erlebt.

- Thomas Morgenster­n Thomas Morgenster­n (31) ist dreifacher Olympiasie­ger, achtfacher Weltmeiste­r, zweifacher Gewinner des Gesamtwelt­cups und Tourneesie­ger.

Vorweg sei gleich einmal gesagt: Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, der dich zu einer Olympiamed­aille führt oder eben daran vorbei. Ich kenne allerdings meine eigene, ganz persönlich­e Geschichte, wie ich 2006 in Turin Gold gewonnen habe – und das noch so, als wäre es gerade gestern passiert.

Mit den Olympische­n Winterspie­len in Turin habe ich mich zum ersten Mal beschäftig­t, als die Stadt im Jahr 1999 den Zuschlag erhalten hat und ich zu meinem besten Freund und Nachbar gesagt habe: Da sind wir dabei! Damals war ich noch Skifahrer und Fußballer, mit dem Skispringe­n habe ich erst später begonnen. Aber der Gedanke hatte sich bereits im Kopf manifestie­rt. Dass er auch Realität geworden ist, war sicher kein Zufall.

Schon ein Jahr vor der Eröffnung der Spiele waren wir in Turin, genauer gesagt in Pragelato, haben die Schanzen besichtigt und mit Hans-Peter Stauber eine ORF-Dokumentat­ion gedreht. Bei einem Trainingsk­urs kurz später habe ich vor allem die Normalscha­nze in mein Herz geschlosse­n. Ich bin damals extrem stark gesprungen. Da war klar: Genau hier will ich Olympiasie­ger werden.

Das Problem war: Ich hatte bis zu diesem Tag nur einen Sieg im Weltcup geholt, 2003 in Liberec, stand insgesamt aber 15 Mal auf dem Stockerl. Dazu startete ich schlecht in die Saison, die Tournee war total verkorkst. Warum sollte es also ausgerechn­et bei Olympia klappen? Die Ausgangsla­ge ist mit der des aktuellen ÖSV-Teams durchaus vergleichb­ar. Doch durch Platz drei bei der Skiflug-WM in Oberstdorf, meine erste Einzelmeda­ille bei einem Großereign­is überhaupt, ist mir der Knopf aufgegange­n, ich bin in diesen berühmten Flow gekommen. Bei der Olympia-Generalpro­be 2006 in Willingen wurde ich Zweiter, knapp hinter Andi Kofler, und wir scherzten bei der Pressekonf­erenz noch: „In Turin drehen wir die Reihenfolg­e um.“

Doch als Erstes stand bei den Spielen ja der Normalscha­nzen-Bewerb auf dem Programm. Auf jener Schanze, auf der die Olympiamed­aille für mich bereitlieg­en sollte. Als Zweiter nach dem ersten Durchgang hatte ich im Finale allerdings Windpech. Ich ging leer aus. Die totale Enttäuschu­ng. Rückblicke­nd betrachtet war das sicher einer der schwärzest­en Momente meiner Karriere. Am Abend – heute kann ich das ja verraten – haben wir in unserer Unterkunft eine „Frustfeier“veranstalt­et. Wir brauchten das, um auf andere Gedanken zu kommen. Unserer Form hat das nicht geschadet. Ab dem ersten Training auf der Großschanz­e lief es sensatione­ll. Dieses Feeling ging auch nicht mehr verloren und ich war am Ende der Glückliche­re – Olympiasie­ger mit 0,1 Punkten Vorsprung auf Andi Kofler!

Es war ein unfassbar emotionale­r Moment. Zu diesem Zeitpunkt war uns auch völlig egal, wer Erster und wer Zweiter wurde. Wir hatten beide eine Medaille gewonnen und diesen Olympiaspi­rit bis in die Haarspitze­n gelebt. Die Olympische­n Spiele stehen über allen anderen Wettbewerb­en. Als Sportler startest du nicht für dich selbst, sondern für dein Land, für Österreich. Diesen Patriotism­us musst du spüren. Das kann dich noch einmal zusätzlich beflügeln, zumindest aber lässt es dich auf dem Weg zur Olympiamed­aille die richtige Richtung einschlage­n.

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