Das lang ersehnte Olympia-Gold ist Realität
Nach sechs WM-Titeln und sechs Gesamtweltcupsiegen hat Marcel Hirscher die sportlich letzte Lücke geschlossen und sich zum Olympiasieger gemacht. Dann schwang fast Enttäuschung mit: „Hätte es mir anders vorgestellt.“
Mit Erleichterung statt großer Euphorie hat Marcel Hirscher eher zurückhaltend den Sieg bei der alpinen Kombination gefeiert. Nach sechs WM-Titeln und sechs Gesamtweltcupsiegen hat der 28-jährige Skistar damit die sportlich letzte Lücke geschlossen. Hirscher hat bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea im Riesentorlauf und Slalom noch weitere Chancen, Edelmetall zu gewinnen. Es war auch historisch eine Glanztat: Für Salzburg war Hirschers Erfolg die 50. Medaille bei Olympischen Spielen.
Was die Goldmedaille für ihn bedeute, das wurde Marcel Hirscher an diesem Abend unzählige Male gefragt – und seine Antwort ließ tief blicken. „Zumindest bedeutet es, dass die ständigen Fragen nach diesem Gold aufhören. Ab sofort gibt es nur noch gescheite Journalistenfragen.“Da schwang natürlich eine Spur Ironie mit, aber es zeigte auch recht treffend, wie sehr ihn dieses eine fehlende Olympia-Gold zunehmend belastet hat. Doch anders als zu erwarten waren die Gefühle, die bei Hirscher danach durchgekommen sind, keine großen Emotionen – es ging um Genugtuung und Zufriedenheit und nicht um Freudentänze und Sektdusche.
Die überließ er nach Kombi-Gold (es war auf den Tag genau 20 Jahre nach Mario Reiter in Nagano wieder eine Goldmedaille in dieser Disziplin für Österreich) lieber seinem Team. „Die werden mich beim Feiern tatkräftig ersetzen, das sollen sie auch, denn morgen haben sie frei.“Auch das ein Satz, der viel über Marcel Hirscher verrät: Darin versteckt sich die ganze Disziplin und der Matchplan im Team Hirscher, den Hirscher selbst vorgibt und der die Basis seiner Erfolge ist. Folglich war er mit Freundin Laura Moisl auch schon auf dem Weg zurück ins Hotel, als sein Team im Österreich Haus langsam Betriebstemperatur erreicht hat. Ein Entrecote war das Höchste, was sich Hirscher an diesem Tag gönnen wollte. Der heutige Mittwoch ist ein Tag zum Ausschlafen, dann beginnt das Unternehmen Riesentorlauf-Gold – das Rennen folgt am Sonntag. Sein Team hatte den freien Tag bitter nötig. „Heute sind sogar mir die Tränen runtergelaufen“, meinte sein Trainer Mike Pircher.
In die Freude mischte sich bei Hirscher auch eine Spur Enttäuschung. „Ich habe die großen Bilder von Olympia im Kopf, aber das hier fühlt sich ganz anders an“, meinte Hirscher zur recht überschaubaren Zuschauerzahl im Zielstadion von Jeongseon. „Ich habe mein großes Ziel erreicht und stehe vor halb leeren Tribünen. Ehrlich, irgendwie fühlt sich das nicht gut an.“
Der Tag des letzten fehlenden Triumphs war aber auch ein Tag, an dem (fast) alles genau für Hirscher gelaufen ist. Der Start der Abfahrt wurde auf den Super-G-Start hinab verlegt. „Natürlich war ich nicht unglücklich, dass ich mir 20 Sekunden Fahrzeit erspart habe“, meinte Hirscher. Die Startnummer 2, die er zugelost bekommen hat und über die sich seine Trainer erst noch mokiert haben, erwies sich bei den Bedingungen als Volltreffer.
Aber: Die Chance, die sich aufgetan hat, nutzte Hirscher auch eiskalt aus. Er verlor in der Abfahrt nur 1,32 Sekunden auf den (mit Nummer 1 gestarteten) Deutschen Thomas Dreßen, der meinte: „Als Hirscher im Ziel war, habe ich mir gedacht: So wenig Abstand, das kann keine gute Abfahrt gewesen sein.“
Falsch, es war vielmehr eine großartige Abfahrt des Salzburgers. Die hat er auch gebraucht, weil im Slalom der Wind Schnee auf die Piste geblasen hat und Hirscher die Bodensicht nahm. Aber er spielte seine ganze Routine aus und rettete 23 Hundertstelsekunden Vorsprung auf Alexis Pinturault ins Ziel.
Der zog hinterher den Hut vor Hirscher. „Er ist der beste Skifahrer, den es gibt. Er kann alle Rekorde brechen, er kann auch Stenmarks Rekord einstellen. Die Frage ist nur, ob er sich das antut, dass er bis 33, 34 Jahre weiterfährt. Wenn ja, dann wird er diese Rekorde alle neu aufstellen.“
Während Hirscher auch in der Stunde seines Triumphs alles unter Kontrolle hatte, gab es doch einige Wegbegleiter, denen in dieser Nacht ein breites Grinsen im Gesicht gestanden ist. Cheftrainer Andy Puelacher etwa. „Ich glaube, jetzt hält Hirscher gar nichts mehr auf. Ich freue mich auf seine nächsten Rennen.“