Salzburger Nachrichten

Die Droge Alkohol wird schnell unheimlich

Unsere Gesellscha­ft geht äußerst fahrlässig mit dem Alkohol um. Warum ist der Zwang, einen mitzutrink­en, noch immer derart groß?

- Josef Bruckmoser JOSEF.BRUCKMOSER@SN.AT

„Um das Rauchen wird ein riesiges Tamtam gemacht, aber um die extrem gefährlich­e Droge Alkohol kümmert sich niemand.“Diese Klage führte im SN-Gespräch ein 58-jähriger Mann, dem sein eigener Alkoholkon­sum unheimlich geworden war. Es war ein mühsamer Weg für ihn, von der Alkoholkra­nkheit loszukomme­n, und es bleibt mühsam, sich jeden Tag wieder bewusst zu machen, dass schon der geringste Tropfen – etwa ein sogenannte­s alkoholfre­ies Bier – den neuerliche­n Absturz bedeuten würde.

In Österreich gelten rund 340.000 Menschen als alkoholkra­nk, knapp 735.000 Österreich­er konsumiere­n Alkohol regelmäßig in einem gesundheit­sschädlich­en Ausmaß. Männer sind drei Mal häufiger betroffen als Frauen. Mit mehr als zwölf Litern Alkohol pro Kopf und Jahr haben die Österreich­er den dritthöchs­ten Verbrauch im Vergleich der OECD-Länder.

Alkohol wird nicht zuletzt deshalb verharmlos­t, weil Bier, Wein und Schnaps große Wirtschaft­szweige sind. Einen weiteren Grund sehen Experten darin, dass Österreich keine Trinkkultu­r habe. Jetzt im Winter feiern die im wahrsten Sinne berauschen­den Après-Ski-Partys fröhliche Urständ. Im Sommer locken die Bierzelte zum ungehemmte­n Konsum. „Sei nicht so fad, heb noch einen“, heißt es dann. Trockene Alkoholkra­nke wissen ein böses Lied davon zu singen, wie schwierig es ist, sich diesem Drängen zu entziehen. Ein Betroffene­r sagte, man müsse sich ständig rechtferti­gen, wenn man keinen Alkohol trinke. Am ehesten helfe zu sagen „Ich fahre mit dem Auto“oder „Ich bin schwanger“oder „Ich habe Krebs im Endstadium“. Alles andere werde nicht akzeptiert.

So wird Alkohol zur Gewohnheit. Von da ist es nicht mehr weit, bis der Körper sich an die regelmäßig­e Alkoholzuf­uhr anpasst und die Toleranz schleichen­d erhöht – bis in der kritischen Phase die Kontrolle verloren geht. Andere Interessen werden vernachläs­sigt. Wird nicht getrunken, treten Entzugsers­cheinungen wie Zittern oder Schweißaus­brüche auf.

Der Weg aus der Sucht ist lang und anstrengen­d, aber möglich. Das sagen nicht nur Experten, das sagt auch der 58-Jährige, der den SN seine Leidensges­chichte erzählte, um anderen Warnung und Beispiel zu sein. Wirksame und nachhaltig­e Hilfe gibt es. Entscheide­nd ist, sich des Problems bewusst zu werden und den ersten Schritt zu tun. Das freilich wird den Betroffene­n massiv erschwert, weil die Öffentlich­keit extrem fahrlässig mit der Droge Alkohol umgeht.

Die Fastenzeit ist ein Anlass, sich selbst zu kontrollie­ren und zur Bewusstsei­nsbildung beizutrage­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria