FPÖ will ihre Vergangenheit aufarbeiten
Mit einer Historikerkommission unter der Leitung des Rechtshistorikers Wilhelm Brauneder möchten die Freiheitlichen die Liederbuch- und Burschenschafter-Debatte loswerden.
Die wegen der Liederbuchaffäre in die Bredouille geratene FPÖ versucht jetzt den Befreiungsschlag. Eine Historikerkommission soll die Geschichte der Partei und des Dritten Lagers auf braune Flecken hin untersuchen.
Was die Kommission dabei an Neuem herausfinden soll, ist nicht ganz klar, denn die Geschichte der FPÖ ist bekannt und in Dutzenden Büchern nachzulesen. Der FPÖVorläufer VdU (Verband der Unabhängigen) wurde 1949 explizit als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten gegründet, um für deren Wiedereingliederung in den politischen Prozess zu sorgen. (Die Gründung erfolgte übrigens mithilfe der SPÖ, die sich davon eine Spaltung des bürgerlichen Lagers er-
SN-THEMA Vergangenheitsbewältigung
hoffte.) Die wenigen Liberalen in der Partei wurden rasch an den Rand gedrängt. Erster Obmann der FPÖ war 1956 Anton Reinthaller, ein SS-Brigadeführer, der im „Anschluss“-Kabinett Seyß-Inquarts Minister und in Hitlers Berliner Regierung Unterstaatssekretär gewesen war. Der langjährige FPÖ-Chef und Kreisky-Vertraute Friedrich Peter war SS-Obersturmführer in einer Einheit gewesen, die in Massenmorde verwickelt gewesen sein soll.
Der fast ebenso langjährige Parteiobmann Jörg Haider lobte die Waffen-SS und die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“. Und sein heute amtierender Nachfolger Heinz-Christian Strache nahm in seiner Jugend an rechtsextremen Wehrsportübungen teil. So weit, so bekannt. Aber die FPÖ möchte nun offensichtlich einen Schlussstrich unter diese Vergangenheit ziehen. „Der Vorwurf, dass wir nationalsozialistisches oder antisemitisches Gedankengut in unseren Reihen dulden, muss sich aufhören“, erklärte am Dienstag FPÖKlubchef Walter Rosenkranz. „Wer glaubt, das bei uns einfließen lassen zu können, soll nicht auf das Ausschlussverfahren warten, sondern gleich gehen.“Generalsekretär Harald Vilimsky verlas zudem eine „Rot-weiß-rot-Erklärung“, in der die Freiheitlichen jede Form von Antisemitismus, Extremismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus ablehnen und sich zu Österreich bekennen.
Mit der Historikerkommission möchte die FPÖ wohl auch erreichen, das Thema Burschenschafter vom Tapet zu bringen. Für diese sei die Partei nämlich nicht zuständig, sagte der Burschenschafter Rosenkranz. Bei den Burschenschaften handle es sich um private Vereine, die von der FPÖ nicht zur Mitarbeit an der Vergangenheitsbewältigung gezwungen werden könnten. Ihre Kooperation mit der Kommission könne nur freiwillig erfolgen.
Geleitet wird die Historikerkommission von Wilhelm Brauneder. Der heute 75-jährige emeritierte Rechtshistoriker saß für die FPÖ von 1994 bis 1999 im Nationalrat und war von 1996 bis 1999 auch Dritter Nationalratspräsident. Seine Wahl war damals umstritten, da Brauneder in der rechten Zeitschrift „Aula“publiziert und Auftritte rechter Referenten an seiner Universität geduldet hatte.
Brauneders Kommission soll bis Oktober einen ersten Zwischenbericht über die Geschichte der FPÖ und des Dritten Lagers vorlegen. Dabei soll sie „nicht im eigenen Saft“agieren, wie Rosenkranz formulierte. Auch der FPÖ kritisch gegenüberstehende Historiker sollen zur Mitarbeit eingeladen werden. So möchte man auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) einbinden.
Das DÖW erklärte sich zur Mitarbeit bereit und möchte etwa untersuchen, ob in Burschenschaften noch der „Arier-Paragraf“gilt.