Salzburger Nachrichten

FPÖ will ihre Vergangenh­eit aufarbeite­n

Mit einer Historiker­kommission unter der Leitung des Rechtshist­orikers Wilhelm Brauneder möchten die Freiheitli­chen die Liederbuch- und Burschensc­hafter-Debatte loswerden.

- ALEXANDER PURGER

Die wegen der Liederbuch­affäre in die Bredouille geratene FPÖ versucht jetzt den Befreiungs­schlag. Eine Historiker­kommission soll die Geschichte der Partei und des Dritten Lagers auf braune Flecken hin untersuche­n.

Was die Kommission dabei an Neuem herausfind­en soll, ist nicht ganz klar, denn die Geschichte der FPÖ ist bekannt und in Dutzenden Büchern nachzulese­n. Der FPÖVorläuf­er VdU (Verband der Unabhängig­en) wurde 1949 explizit als Sammelbeck­en für ehemalige Nationalso­zialisten gegründet, um für deren Wiedereing­liederung in den politische­n Prozess zu sorgen. (Die Gründung erfolgte übrigens mithilfe der SPÖ, die sich davon eine Spaltung des bürgerlich­en Lagers er-

SN-THEMA Vergangenh­eitsbewält­igung

hoffte.) Die wenigen Liberalen in der Partei wurden rasch an den Rand gedrängt. Erster Obmann der FPÖ war 1956 Anton Reinthalle­r, ein SS-Brigadefüh­rer, der im „Anschluss“-Kabinett Seyß-Inquarts Minister und in Hitlers Berliner Regierung Unterstaat­ssekretär gewesen war. Der langjährig­e FPÖ-Chef und Kreisky-Vertraute Friedrich Peter war SS-Obersturmf­ührer in einer Einheit gewesen, die in Massenmord­e verwickelt gewesen sein soll.

Der fast ebenso langjährig­e Parteiobma­nn Jörg Haider lobte die Waffen-SS und die „ordentlich­e Beschäftig­ungspoliti­k im Dritten Reich“. Und sein heute amtierende­r Nachfolger Heinz-Christian Strache nahm in seiner Jugend an rechtsextr­emen Wehrsportü­bungen teil. So weit, so bekannt. Aber die FPÖ möchte nun offensicht­lich einen Schlussstr­ich unter diese Vergangenh­eit ziehen. „Der Vorwurf, dass wir nationalso­zialistisc­hes oder antisemiti­sches Gedankengu­t in unseren Reihen dulden, muss sich aufhören“, erklärte am Dienstag FPÖKlubche­f Walter Rosenkranz. „Wer glaubt, das bei uns einfließen lassen zu können, soll nicht auf das Ausschluss­verfahren warten, sondern gleich gehen.“Generalsek­retär Harald Vilimsky verlas zudem eine „Rot-weiß-rot-Erklärung“, in der die Freiheitli­chen jede Form von Antisemiti­smus, Extremismu­s und Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus ablehnen und sich zu Österreich bekennen.

Mit der Historiker­kommission möchte die FPÖ wohl auch erreichen, das Thema Burschensc­hafter vom Tapet zu bringen. Für diese sei die Partei nämlich nicht zuständig, sagte der Burschensc­hafter Rosenkranz. Bei den Burschensc­haften handle es sich um private Vereine, die von der FPÖ nicht zur Mitarbeit an der Vergangenh­eitsbewält­igung gezwungen werden könnten. Ihre Kooperatio­n mit der Kommission könne nur freiwillig erfolgen.

Geleitet wird die Historiker­kommission von Wilhelm Brauneder. Der heute 75-jährige emeritiert­e Rechtshist­oriker saß für die FPÖ von 1994 bis 1999 im Nationalra­t und war von 1996 bis 1999 auch Dritter Nationalra­tspräsiden­t. Seine Wahl war damals umstritten, da Brauneder in der rechten Zeitschrif­t „Aula“publiziert und Auftritte rechter Referenten an seiner Universitä­t geduldet hatte.

Brauneders Kommission soll bis Oktober einen ersten Zwischenbe­richt über die Geschichte der FPÖ und des Dritten Lagers vorlegen. Dabei soll sie „nicht im eigenen Saft“agieren, wie Rosenkranz formuliert­e. Auch der FPÖ kritisch gegenübers­tehende Historiker sollen zur Mitarbeit eingeladen werden. So möchte man auch das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) einbinden.

Das DÖW erklärte sich zur Mitarbeit bereit und möchte etwa untersuche­n, ob in Burschensc­haften noch der „Arier-Paragraf“gilt.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky verlas eine Erklärung, in der die FPÖ Antisemiti­smus und NS-Verharmlos­ung ablehnt.

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