Die manipulative Macht meckernder Minderheiten
Auch die Interessen kleiner Gruppen lassen sich durchsetzen. Man muss nur laut und lang genug schimpfen.
Die Europäische Union beschäftigt sich wieder einmal mit einem Thema, das genau genommen Angelegenheit der Mitgliedsstaaten ist, aber doch alle in der Gemeinschaft betrifft: die Sommerzeit. Man prüft, ob die zweimalige Umstellung der Uhren jedes Jahr, einmal um eine Stunde vor, einmal zurück, noch zeitgemäß sei oder nicht. Ob man Sommerzeit beibehalten oder abschaffen soll.
Umfragen zeigen, dass dies ein echtes Minderheitenthema ist. Nur knapp 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher lehnen die Zeitumstellung ab. Da aber die Gegner der Sommerzeit seit vielen Jahren beharrlich jammern und meckern, gesundheitliche Folgen beklagen, Tiere in der Landwirtschaft als Leidtragende anführen, kommt das Thema immer wieder auf die Tagesordnung. Keiner redet davon, dass dieselben Leute nichts dabei finden, für ein paar Tage nach London zu fliegen (eine Stunde Zeitunterschied) oder für eine Woche nach New York (sechs Stunden) oder in den Urlaub nach Thailand (sechs Stunden in die andere Richtung). Aber zwei Mal im Jahr 60 Minuten, das ist zu viel.
Die Minderheit der Sommerzeit-Gegner beklagt, man zwinge Millionen Menschen einen unnatürlichen Zeitsprung auf, das sei undemokratisch und autoritäre Unterdrückung. Dass sie selbst als Minderheit der Mehrheit ihrerseits ihren Willen aufzwingen wollen, kratzt sie dabei nicht. Man setzt eine Leidensmiene auf, erklärt sich zum Opfer, und schon steigt die Chance, die eigenen Partikularinteressen auch gegen die Mehrheit durchzusetzen.
Besonders raffiniert geht die Freiheitliche Partei seit Jahrzehnten damit um. Sie hat einen normalen demokratischen Vorgang, die Bildung von Regierungen ohne FPÖ-Beteiligung, zur „Ausgrenzung“umdefiniert. Und sie hat damit ordentlich Stimmung gemacht in der Bevölkerung. Obwohl die FPÖ-Wählerschaft eine Minderheit ist, so wie die Wählerschaft der anderen Parteien auch, treten Strache und Co. auf, als sprächen sie für alle.
So hat die Minderheit der rauchenden FPÖPolitiker durchgesetzt, dass ein von Ärzten, Gesundheitspolitikern und einem Großteil der Menschen befürwortetes generelles Rauchverbot in Restaurants nun doch verhindert wird. Und Infrastrukturminister Norbert Hofer hat mit 26 Prozent FPÖ-Stimmenanteil den Aufsichtsrat der ÖBB kräftig auf Blau umgefärbt – in einer Art, die die FPÖ früher heftig kritisiert hat. Ein Faschingsscherz ist dabei die Begründung des Ministers: Das neue Team solle den „sehr erfolgreichen Weg der ÖBB“fortsetzen. Wenn der Weg so erfolgreich war, warum muss man dann den Aufsichtsrat umfärben? Man sieht, wir können uns schon jetzt „wundern, was alles möglich ist“.