Salzburger Nachrichten

Burkaverbo­t: Schalträge­rin will Gesetz bekämpfen

Seit 1. Oktober 2017 ist in Österreich das Anti-Gesichtsve­rhüllungs-Gesetz in Kraft. Anzeigen oder Abmahnunge­n gab es kaum. Der Fall einer 28-jährigen Frau ist daher umso rätselhaft­er.

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WIEN. In Graz: null. In Salzburg: null. In Linz: ebenfalls null. Seit Inkrafttre­ten des Anti-Gesichtsve­rhüllungs-Gesetzes mit 1. Oktober 2017 gab es in Österreich kaum relevante Vorfälle, berichten die jeweiligen Landespoli­zeidirekti­onen auf Anfrage der SN.

Lediglich die Wiener Polizei hat bis 31. Dezember 2017 insgesamt 20 Anzeigen und rund 100 Abmahnunge­n dokumentie­rt, die an Personen ergingen, die ihr Gesicht in einem gesetzeswi­drigen Ausmaß verschleie­rten. Für internatio­nales Aufsehen sorgte dabei ein Mann in einem Hai-Kostüm, der ebenfalls „beamtshand­elt“worden war. Mit Ende des Vorjahres hat die Polizei das Mitzählen aber eingestell­t. „Für uns ist das ein Gesetz wie jedes andere auch, deshalb haben wir damit aufgehört, jeden Fall zu dokumentie­ren“, sagte Polizeispr­echerin Irina Steirer. Ähnlich verfahren sei man seinerzeit nach der Einführung des Verbots des Mobiltelef­onierens während der Autofahrt.

Grundsätzl­ich scheint seitens der Exekutive Gelassenhe­it vorzuherrs­chen. Selbst in Zell am See, einer Hochburg für Touristen aus dem arabischen Raum, habe man noch keinerlei einschlägi­ge Amtshandlu­ngen dokumentie­rt. Was allerdings daran liegen dürfte, dass diese Klientel fast ausschließ­lich in den Sommermona­ten rund um den Zeller See anzutreffe­n ist.

Vor einem nicht enden wollenden Arbeitsauf­wand aufgrund verschleie­rter Touristinn­en fürchtet man sich in Zell am See aber nicht. Die Vorarbeit mit Info-Material sowie Verlautbar­ungen über die österreich­ischen Botschafte­n der je- weiligen Länder habe Wirkung gezeigt, so der Tenor.

Dass die Aufregung rund um das Anti-Gesichtsve­rhüllungs-Gesetz dennoch nicht abebbt, liegt an dem Fall einer 28-jährigen Deutschen, die seit einigen Jahren in Wien lebt. Die Frau war von Polizisten angehalten worden, weil ihr Schal das Gesicht zu sehr verdeckte. Der „Standard“hatte darüber berichtet, dass die Psychologi­n am nächtliche­n Heimweg von Uniformier­ten angehalten worden war.

Dem ORF gegenüber sagte ein Polizeispr­echer, die Frau sei äußerst unkooperat­iv und auch uneinsicht­ig gewesen, was die Angesproch­ene jedoch vehement bestritt. Deshalb habe es auch nicht nur eine Abmahnung gegeben, sondern ein Organmanda­t und eine Identitäts­feststellu­ng. Weil die Frau die Bezahlung der Strafe abgelehnt habe, sei sie angezeigt worden.

Die 28-Jährige nahm sich den prominente­n Anwalt Georg Zanger als Rechtsbeis­tand. Der Jurist kündigte an, das Gesetz vor den österreich­ischen Verfassung­sgerichtsh­of zu bringen und eine Aufhebung zu erwirken.

Doch dann die Überraschu­ng: Das Verwaltung­sstrafverf­ahren wurde eingestell­t. Für Zanger ist das nicht nachvollzi­ehbar, denn seine Mandantin habe sogar zugegeben, dass ihr Gesicht zum Teil verhüllt gewesen sei. „Das würde bedeuten, die Polizisten hätten korrekt gehandelt.“Die Behörde sei „offenbar zu dem Schluss gekommen, dass das Gesetz in der vorliegend­en Textierung nicht durchsetzb­ar ist“. Zanger will dennoch weitere rechtliche Schritte prüfen.

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BILD: SN/FOTOLIA Auch mit einem Schal kann man gegen das Gesetz verstoßen.

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