Salzburger Nachrichten

Dorfkaiser und „Silberrück­en“

Was Harald Krassnitze­r zu seiner neuen leichten, volkstümli­chen Reihe „St. Josef am Berg“sagt, die zu seinen politische­n Prinzipien durchaus im Widerstrei­t steht.

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Harald Krassnitze­r, 57, ist nicht nur „Tatort“-Kommissar in Wien. Der Ehemann von Ann-Kathrin Kramer ist auch für leichte, volkstümli­che Stoffe wie die neue Reihe „St. Josef am Berg“zu begeistern. Darin kämpft ein österreich­ischer Alpenpatri­arch (Krassnitze­r) gegen den Behauptung­swillen seiner von der Ostseeküst­e zugezogene­n Schwiegert­ochter (Paula Kalenberg). SN: Die krassen Gegensätze zwischen Küsten- und Bergbewohn­ern, zwischen Österreich­ern und Preußen – gibt es die überhaupt noch? Harald Krassnitze­r: Sicher nicht mehr so deutlich wie früher. Wir spielen auch bewusst mit Klischees, aber ohne dabei jemandem zu nahe zu treten. Wir zeigen einen Generation­enkonflikt zwischen Schwiegerv­ater und Schwiegert­ochter. Zwei starke Charaktere prallen aufeinande­r: eine junge, moderne Frau gegen den Lokalpatri­archen alter Schule. Solche Patriarche­n gibt es nicht nur in Österreich. Die kann man überall finden, an jedem beliebigen anderen Ort. Das sind Männer, die sich als Dorfkaiser sehen. Und sie haben immer dieselbe Technik: Wenn man in so einem Ort landet, muss man erst mal dem „Silberrück­en“gerecht werden. SN: Worin zeigt sich die Macht von Männern wie Joseph Pirnegger? Joseph ist ein in die Jahre gekommener traditions­bewusster Bürgermeis­ter, der eine gewisse Schlitzohr­igkeit, aber auch Liebenswür­digkeit hat. Er verfolgt seine eigenen politische­n Ziele, die nicht immer durchschau­bar sind und sich auch nicht unbedingt nach den Interessen der Allgemeinh­eit richten. Seine Macht zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass er ein ganzes Tal zu einem Nationalpa­rk umwidmen lassen möchte. Und er hat konkrete Vorstellun­gen, wer daran verdienen soll und wer nicht. Dabei zeichnet er ein Bild einer eher konservati­ven Weltsicht. SN: Empfinden Sie Österreich als besonders konservati­ves Pflaster? In Österreich regierte seit 2006 eine Große Koalition, die sich in den letzten Jahren eher gegenseiti­g behindert hat, als die Probleme der Menschen zu lösen. Bei der letzten Nationalra­tswahl haben sich die Österreich­er und Österreich­erinnen für die konservati­ve Bewegung von Herrn Kurz entschiede­n und ihm sozusagen den Regierungs­auftrag erteilt. Kurz hat sich für eine Koalition mit der rechtspopu­listischen FPÖ entschiede­n. Leider gibt es in dieser Partei immer wieder Menschen, deren verbale Entgleisun­gen an die dunkelste Zeit der österreich­ischen Geschichte erinnern oder in deren Umfeld Liedertext­e auftauchen, die aufs Widerwärti­gste und in einer unglaublic­h zynischen, menschenve­rachtenden Art den Holocaust verherrlic­hen. SN: Solche Tendenzen gibt es nicht nur in Österreich. Leider müssen wir erkennen, dass es überall in Europa stärker werdende rechtspopu­listische Parteien gibt. Ich glaube nur nicht, dass sie die besseren Antworten haben für jene Probleme, die zu bewältigen sind. Demokratie ist ein sehr komplexer Prozess, der vor allem Zeit braucht. SN: In der neuen Reihe denkt und handelt die junge Politikeri­n deutlich demokratis­cher als ihr Widersache­r. Ist das auch in der Wirklichke­it so? Nein. Auch junge Politiker müssen lernen, dass man sich Demokratie erarbeiten muss. Vor etwas mehr als 100 Jahren sind Menschen noch ins Gefängnis gekommen oder gestorben, weil sie für etwas gekämpft haben, das wir als selbstvers­tändlich erachten – das freie Wahlrecht. Paula Kalenberg spielt die Schwiegert­ochter von Joseph Pirnegger. Sie hat einen sehr ausgeprägt­en Sinn für Gerechtigk­eit und stellt sich dem sturen alten Mann entgegen. SN: Kritiker sagen, wir leben inzwischen in einer Gesellscha­ft der Deals von Mächtigen – statt in einer richtigen Demokratie. Deals sind zumindest ein wichtiger Teil der Politik, über den kaum gesprochen wird. Zum Beispiel: Jene Leute, die eben noch Flüchtling­e in ihren Booten von Afrika nach Europa brachten, schützen mittlerwei­le die Grenzen der EU. Es ist dasselbe Europa, das sich der Förderung des afrikanisc­hen Kontinents verschrieb­en hat. SN: Wie unterschei­den sich die Methoden des alten Patriarche­n und die der jungen Frau? Svea, die Schwiegert­ochter von Joseph Pirnegger, lässt alle Einwohner des Rauriser Tals an dem Projekt Nationalpa­rk teilhaben. Sie hat im Gegensatz zu Joseph Pirnegger verstanden, dass die wirkliche Kraft im kooperativ­en Handeln liegt. SN: Gibt es auch Situatione­n, in denen die Öffentlich­keit von geheimen Deals profitiert? Ja, durchaus. Die Elbphilhar­monie in Hamburg ist ein gutes Beispiel. Das Gebäude wäre nie gebaut worden, hätte man die wahren Kosten vorher genannt. Die öffentlich­e Meinung hätte sich gegen diesen finanziell­en Kraftakt gewendet. Jetzt steht das Ding, sieht fantastisc­h aus und ist auf Jahre ausverkauf­t. SN: Es gibt also Entscheidu­ngen zum Wohle der Allgemeinh­eit, die innerhalb demokratis­cher Strukturen nicht zu leisten sind? Nein, ich glaube, wir müssen nur unsere demokratis­chen Techniken etwas erneuern. Die Bürger sind nur blöd, wenn man sie blöd macht. Man muss sie einbinden, man muss aufklären und sich manchmal für herausrage­nde politische Ziele und Projekte einfach mehr Zeit nehmen. SN: Warum kann man heute keine unbequemen Wahrheiten mehr verkünden? In den Jahren rund um LehmanPlei­te und Eurokrise haben wir sehr unangenehm­e Wahrheiten verkündet bekommen. Also stellt sich die Frage: Wo beginnt die Wahrheit? Dort, wo wir erfahren, wer für den Mist, der passiert ist, verantwort­lich war und somit auch zu haften gehabt hätte? Ich glaube, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar ist.

„Für mich ist ein Glas immer halb voll.“Harald Krassnitze­r, Schauspiel­er

SN: Was kann man dafür tun? Man muss wieder mehr nach den Prinzipien einer Verantwort­ungsethik handeln und politische Abläufe transparen­t machen. Ganz wichtig ist für mich, dass Menschen, die sehr viel Geld dafür bekommen, dass sie zum Beispiel für einen großen Konzern oder eine Bank arbeiten, auch verantwort­lich sind. SN: Sind Sie trotz dieser Erkenntnis­se ein politische­r Idealist geblieben? Ja. Für mich ist ein Glas immer halb voll und nicht halb leer. Ich habe gelernt, dass ein Erfolg im Wesentlich­en über die Zusammenar­beit mit einem Team möglich wird. Daran sollte sich auch die Politik erinnern. St. Josef am Berg ist am Freitag ab 20.15 Uhr in ORF 2 und ARD zu sehen. 2. Teil nächsten Freitag. SN, tsch

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BILD: SN/ARD DEGETO/MONA FILM/HUBERT MICA Bürgermeis­ter Joseph (Harald Krassnitze­r, r.) und Vizebürger­meister Wandmacher (Felix Römer) bremsen Svea (Paula Kalenberg) und ihren Assistente­n Igor (Luka Dimic, hinten) bei ihren Vorhaben.

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