Salzburger Nachrichten

EU will näher zu den Bürgern

Die Vorbereitu­ngen für den Umbau der EU haben begonnen. Bei der Europawahl nächstes Jahr wird es wieder Spitzenkan­didaten geben und noch viel mehr Neuerungen.

- Mg

Für die meisten Europäer ist die EU-Wahl im Frühjahr 2019 noch weit entfernt. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch seine Vorstellun­gen präsentier­t, wie die durchaus weitreiche­nden Entscheidu­ngen, die bei dem Urnengang getroffen werden, den Bürgern nähergebra­cht werden könnten. Gelingen soll das, indem der Europa-Wahlkampf früher beginnt und vor allem indem die europäisch­en Parteienfa­milien spätestens bis Jahresende entscheide­n, mit welchen Spitzenkan­didaten sie europaweit ins Rennen um den Posten des EU-Kommission­schefs gehen. „Es ergibt Sinn, dass die Menschen wissen, wer Kommission­spräsident würde“, sollte eine Partei die Europawahl nächstes Jahr gewinnen, sagte Juncker. Einen Automatism­us, der den Kandidaten der Siegerpart­ei zum Kommission­schef mache, könne es jedoch nicht geben. Dazu braucht es eine Mehrheit in Rat und Parlament. Das Spitzenkan­didatensys­tem war 2014 erstmals angewendet worden, allerdings fielen die Entscheidu­ngen sehr spät. „Ich war das Versuchska­ninchen“, sagte Juncker, der damals für die Europäisch­e Volksparte­i angetreten ist, die auch stimmenstä­rkste Fraktion wurde. Er habe aber zu wenig Zeit für den Wahlkampf gehabt.

Vorige Woche hat sich bereits das Europaparl­ament mit deutlicher Mehrheit für eine Beibehaltu­ng des Systems der Spitzenkan­didaten ausgesproc­hen und beschlosse­n, es werde „jeden Kandidaten für das Amt des Kommission­spräsident­en zurückweis­en, der nicht zuvor als Spitzenkan­didat im Vorfeld der Europawahl ernannt wurde“.

Bei den EU-Staats- und -Regierungs­chef, die kommende Woche am Freitag bei einem Treffen in Brüssel darüber diskutiere­n, ist das System nicht sonderlich beliebt. Bis 2014 hatten sie hinter verschloss­enen Türen den Spitzenpos­ten in trauter Runde besetzt. Vor allem Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron soll Vorbehalte haben. Laut EU-Vertrag müssen die Mitgliedss­taaten „unter Berücksich­tigung der EU-Wahl“dem Parlament mit qualifizie­rter Mehrheit einen Vorschlag für den Kommission­spräsident­en machen, das dann mit Mehrheit entscheide­t.

Juncker verspricht sich von der Nominierun­g von Spitzenkan­didaten einen lebendiger­en und weniger national geführten EU-Wahlkampf. Diesmal sollte es auf den öffentlich-rechtliche­n Kanälen außerdem mehr TV-Debatten der Spitzenkan­didaten geben. Zudem sollten die nationalen Parteien deutlicher machen, wen sie unterstütz­en.

Länderüber­greifende Kandidaten­listen wird es nach dem Nein des EU-Parlaments bei der nächsten Europawahl noch nicht geben. Juncker hegt aber Sympathien dafür und hätte gern, „dass das auf der Agenda bleibt“. Wenig wahrschein­lich ist auch die Verkleiner­ung der EU-Kommission. Auch darüber müssten die EU-Staaten entscheide­n, sagte der Kommission­spräsident. Im Vertrag von Lissabon war zwar festgeschr­ieben, dass die EUKommissi­on auf zwei Drittel der Mitgliedss­taaten verkleiner­t wird, nach dem negativen (ersten) Referendum in Irland wurde aber wieder aufgestock­t.

Umbauen will Juncker auch seinen eigenen Job. Langfristi­g sollte sein Amt mit dem des Ratspräsid­enten verschmolz­en werden, um so für einen einzigen EU-Präsidente­n zu sorgen, meinte der Kommission­spräsident zum wiederholt­en Mal. Er wisse, dass das nicht vor der Wahl 2019 passieren werde, sagte Juncker, „an sich wäre es aber ein logischer Schritt“.

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BILD: SN/APA Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker: „Wenn es um Institutio­nen geht, (…) bin ich auch nicht frei von Träumen. Aber ich bin kein Träumer.“

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