Salzburger Nachrichten

Allen Unkenrufen zum Trotz: Olympia lebt

Seit zwei Wochen dürfen wir die Hirscher-Mania und Emotionen bejubeln, während die große Politik in Südkorea ruht.

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Ja, die Südkoreane­r haben keine Ahnung von alpinen Skibewerbe­n und meiden viele Sportarten bei diesen Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g. Ja, Winterspie­le gehören in Sachen Nachhaltig­keit und Euphorie in Alpenregio­nen. Nicht nach Asien (wie übrigens auch 2022 in Peking). Und ja, Nord- und Südkorea werden nach dem Erlöschen der olympische­n Flamme ihre Sympathie ad acta legen. Aber so schlecht sind diese Spiele bisher doch nicht gelaufen?

Möglicherw­eise ist der Blick erfreulich getrübt durch die großen Erfolge der österreich­ischen Olympiaman­nschaft, die große Überraschu­ngen geschafft hat. Rodel-Olympiasie­ger David Gleirscher war wohl ein paar Wochen zuvor nur Sportinsid­ern bekannt. Und dass etwa Anna Veith nach ihrer Verletzung hauchdünn Super-G-Gold verpasst, ist fast eine Geschichte für Hollywood.

Einer überstrahl­t alles und hat im Lande eine Euphorie ausgelöst: Marcel Hirscher, bisher bei Olympische­n Spielen ohne Sieg, gewann (bisher) zwei Mal die Goldmedail­le. Ihm gelang etwas, was dem heimischen ORF bis Sonntag früh verwehrt blieb: Massen in der Nacht – wie bei Boxlegende Muhammad Ali in den 1970er-Jahren – vor die TV-Geräte zu bringen. Im zweiten Durchgang des olympische­n Riesentorl­aufs waren kurz vor sieben Uhr früh fast 500.000 Fans live dabei – unglaublic­h. Legendenst­atus ist ihm jetzt schon sicher.

Bei diesen Spielen ist etwas eingetrete­n, was SNKolumnis­t Felix Gottwald vor dem ersten Wettkampft­ag in den „Salzburger Nachrichte­n“geschriebe­n hat: Die Emotionen bei Olympia sind unauslösch­lich. Selten zuvor wurden so viele tränenreic­he Auftritte – bei Siegen und Niederlage­n – registrier­t. Das bewegt. Das macht Olympia aus. Das ist die Stärke der olympische­n Bewegung. Trotz aller Unkenrufe und Negativmel­dungen rund um ewig wiederkehr­enden Betrug bei Vergaben und fatal gelebten Gigantismu­s. Bei den Spielen selbst wird alles klein. Es reduziert sich hier auf drei Edelmetall­e: Gold, Silber und Bronze.

Und dann kam sie doch noch, die niederschm­etternde Negativmel­dung am Montag: Ein russischer Medailleng­ewinner beim Curling war gedopt. Ausgerechn­et Russland, das nur unter bestimmten Auflagen bei den Spielen hatte antreten dürfen, hat offenbar nichts dazugelern­t. Sind es schon die Vorboten auf die nächste Dopingdisk­ussion nach den Spielen, die am Sonntag zu Ende gehen?

Olympia lebt. Die Zukunft ist bei diesen Rahmenbedi­ngungen dennoch zerbrechli­ch.

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