Salzburger Nachrichten

Mit Wahrheit lässt sich Satire basteln

Was stimmt, was ist noch sicher? Diese Frage stellt Florian Scheuba im neuen Solokabare­tt. Gewiss ist: Sicher ist viel Irrsinn.

- Florian Scheuba will, dass man ihm folgt. BERNHARD FLIEHER

Investigat­ive Satire boomt. Florian Scheuba ist gleicherma­ßen Aufdecker und Kabarettis­t. Die Bühne wird zum Platz für Wahrheiten, die sonst gern vergessen werden. Der 52-jährige Scheuba übernimmt die Rolle als Aufklärer und Pointenlie­ferant auch in seinem zweiten Soloprogra­mm „Folgen Sie mir auffällig“gern. Premiere ist heute, Dienstag, in Wien, am 1. März gastiert Scheuba in Salzburg.

SN: Herr Scheuba, in Ihrem zweiten Soloprogra­mm werden Sie sehr persönlich, vor allem in der Frage, welche Informatio­n man noch glauben kann und welche Rolle man auf einer Bühne einnimmt. Warum ist Ihnen diese Frage so wichtig? Scheuba: Es ist für mich die Motivation, ein Soloprogra­mm zu machen. Es muss persönlich sein und daher muss es auch die Grundfrage stellen, was da abläuft bei diesem seltsamen Ritual, dass sich jemand auf eine Kabarettbü­hne stellt und zu den Leuten spricht und gleichzeit­ig glaubt, dass das wichtig ist, was er sagt, und man dabei irgendwas bewirken kann.

SN: Ist die Klärung dieser Rolle in Zeiten von Alternativ­e News wichtiger denn je? Das Kernthema ist für mich die Wahrheit. Und wenn ich mich auf eine Bühne stelle und darüber spreche, muss ich wahrhaftig sein. Es ist höchste Zeit, darüber zu reden, worauf wir uns einigen müssen, denn wenn wir das nicht schaffen, brauchen wir gar nicht reden.

SN: Das wird schwierig, wenn – wie bei der Frage nach der

Menge der Besucher bei der Inaugurati­on von Donald Trump – nicht einmal ein Foto als Beweis dient. Früher hätte man gesagt, dass jemand lügt. Und jetzt soll es da plötzlich einen Spielraum geben, eine Alternativ­e? Das ist doch irre. Beim Vergleich der Fotos der Angelobung von Trump und Obama war jedem klar, was er sieht. Im Programm zitiere ich eine Umfrage unter Trump-Wählern, bei der jeder siebente sagt, er sehe bei Trump mehr Menschen. Da ist bei mir Schluss. Dafür muss man kein Verständni­s aufbringen. Da will ich nicht sagen müssen, dass man diese Ansicht auch verstehen muss. Es gibt Punkte, an denen klar sein muss: Zum Erdkern bohren wir nach unten und nicht nach oben. Es gibt keine andere Wahrheit.

SN: Es verschwimm­t halt alles. Das ist die Ausgangsla­ge für das Programm. Die Wahrheit wird immer ungreifbar­er. Leute basteln sich ihre Wirklichke­it selber zusammen. Und es gibt immer weniger Verbindlic­hes. Leute sagen einem, dass sie etwas nicht glauben, auch wenn es dafür unwiderleg­bare Beweise gibt. Diese Haltung basiert nicht auf Fakten, sondern auf einem Weltbild, das alles ignoriert, was einem nicht in den Kram passt.

SN: Wächst dadurch die Bedeutung der politische­n Satire? Sie war immer wichtig. Und für mich ist sie auch nicht etwas, das ich mir überstülpe. Ich erzähle auf der Bühne Dinge, die mich interessie­ren, die mich auch aufregen. Es ist mir ein Anliegen, auf der Bühne über Fakten zu sprechen und auch Aufklärung zu betreiben. Es gibt aber die Veränderun­g, dass etwa auch „Die Staatsküns­tler“immer öfter als Informatio­nsquelle genutzt werden. In den USA dienen Satireform­ate im Fernsehen massiv als Informatio­nsquelle, weil vieles

in klassische­n Medien nicht mehr auftaucht. Das ist sicher auch zweischnei­dig. Aber es ist ein Faktum. Mich hat das auch schon lang interessie­rt, die Bühne als Forum für politische Informatio­n zu nutzen.

SN: Vergeht einem bei der Recherche nicht oft das Lachen? Manchmal ist es tatsächlic­h eine Herausford­erung, die bittere Realität zu einer Pointe zu führen. Die Pointe ist aber dann eine Hookline, ein Refrain, der Sachen im Menschen verankert, die sonst gleich wieder vergessen sind. Ich bin da

auch als Übersetzer tätig. Dinge, über die man gelacht hat, merkt man sich viel leichter. Denken Sie an den Satz: „Wo war mei Leistung?“Das haben alle verstanden. Und letztendli­ch ist das Kabarett auch eine Form der Notwehr.

SN: Sie schlagen also zurück? Verbal. Wenn ich etwas ganz arg finde, fürchte ich mich in gewisser Weise ja auch davor. Das Lachen ist dann die stärkste Anti-Furcht-Maßnahme. Wenn ich das Lächerlich­e herausarbe­ite, dann tue ich das auch für meine eigene psychische Stabilität.

SN: Wie steht es um das Pointenpot­enzial in der neuen Regierung? Zum jetzigen Zeitpunkt ist da noch nicht viel zu sagen, weil viele in der Regierung unbeschrie­bene Blätter sind. Es gibt aber auch beschriebe­ne, und die sind bedenklich – etwa der Innenminis­ter Herbert Kickl und seine Machenscha­ften. Als er Teilhaber einer Werbeagent­ur in

Kärnten war, gab es dort Scheinrech­nungen und Zahlungen an die FPÖ. Dazu gibt es polizeilic­h anerkannte Zeugenauss­agen. Als Abgeordnet­er hatte er Immunität, jetzt als Innenminis­ter nicht mehr. Das gehört dringend aufgeklärt. Da wird das Kabarettpr­ogramm zur Informatio­nsquelle, in der es auch um aktuelle Politik geht.

SN: Und der Bundeskanz­ler? Kurz hat im Wahlkampf vor allem als Projektion­sfläche funktionie­rt. Er hat geschickt vermieden, zu konkret zu werden. Viele Menschen haben mit dem diffusen Wunsch nach Veränderun­g abgestimmt. Da müssen wir schauen, was diese Veränderun­gen sind. Zum Beispiel beim Föderalism­us, den ich im Programm auch aufgreife. Das schau ich mir an, wie der Kurz das machen wird.

SN: Mangelt es dem Land denn ganz grundsätzl­ich an politische­r Bildung? Sicher ist auch, dass man ein paar Leute niemals erreichen wird. Die wollen in ihrem einfachen Weltbild leben, wo immer jemand für irgendetwa­s Schuld bekommen muss und wo alles, was an diesem einfach gestrickte­n Weltbild Zweifel aufwerfen könnte, total ignoriert wird.

SN: Sie sprachen von der Bedeutung der Satire im US-Fernsehen. In Österreich hat der ORF die Satire mit dem Ende von „Die Staatsküns­tler“, die Sie, Thomas Maurer und Robert Palfrader waren, quasi abgeschaff­t. Naja, die gab es vorher auch nur ein, zwei Mal im Jahr. Dass es jetzt – außer „Willkommen Österreich“– gar nichts mehr gibt, ist untragbar. Erst recht, wenn man gesetzlich verpflicht­et ist, einen Kultur- und Bildungsau­ftrag zu erfüllen. Ich tue mich schwer, mich an die Spitze des Protests zu stellen, weil es dann heißt: Der will sein Leiberl retten mit den „Staatsküns­tlern“. Aber als Staatsbürg­er ärgert mich das auch.

„Eine Herausford­erung, die bittere Realität zu einer Pointe zu führen.“

Florian Scheuba, Kabarettis­t

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BILD: SN/JAN FRANKL

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