Salzburger Nachrichten

Das Herz schlägt auch im Beton

Der irische Musiker Glen Hansard wärmt auch die kühlste Halle.

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WIEN. Glen Hansard steht zu Beginn der Zugaben im Dunklen. Er steht allein da mit seiner akustische­n Gitarre. Und er singt. Ohne Mikro. Ohne Verstärkun­g. Im Raum herrscht Schweigen. Nichts zu hören. Außer Hansards Stimme zwischen Falsett und Folkseligk­eit. Das wäre nicht erwähnensw­ert, wäre es ein kleiner Raum, ein kleiner überschaub­arer Club, in dem jede mittelmäßi­ge Band die Kontrolle über ein paar Dutzend Besucher behalten kann.

Glen Hansard aber steht nicht auf einer kleinen Bühne im Dunklen. Der 47-jährige irische Songwriter tritt im Gasometer in Wien auf. Das ist eine Halle ohne Charme in einem Geschäftsk­omplex am Stadtrand. Ein zu ekelhaft kalter Ort, um so etwas wie tiefe Emotion aufkommen zu lassen – außer für jene, die zwischen Fast Food und Betonstieg­e, zwischen Glasfassad­e und Megaplex sich an einer kalten Geschäftsw­elt wärmen können. Vielleicht also soll Hansard hier auf die Probe gestellt werden. Kann seine Kunst auch in solchem Ambiente der totalen Abweisung wärmen? Denn nichts anderes als Wärme ist die Grundstimm­ung in Hansards Musik – egal, ob er sehnsüchti­ge Folksongs anstimmt, durch Country angereiche­rten Pubrock rumpelt, melancholi­sch schwelgt oder neuerdings soulige Einflüsse spüren lässt.

Hansard spielte früher auf der Straße. Seit 1990 gibt es die Band The Frames, die Kultstatus besitzt. Er spielte in Filmen – unter anderem in „Once“, wo er einen Straßenmus­iker spielte und für den Song „Falling Slowly“einen Oscar bekam. Langsam wuchs die Karriere. Und er behielt während dieses Wachstums, das ihn längst auf Open-AirGelände und in große Hallen bringt, jene Intimität und Nähe, mit der er jede Konzertsaa­l-Betonschüs­sel füllen kann – und von der ersten Sekunde an auch die Herzen der Besucher. Sie nämlich sind mit ihm gewachsen, begleiten ihn lange. Das schaffte beim Konzert eine ungeheure Dichte.

Dieses Mal tritt Hansard in großer Besetzung an: Streicher, Bläser und Rockband. Zarte, feine Geschichte­n über die Liebe und Obdachlosi­gkeit werden sanft aufgemöbel­t. Wenn von Verlust oder Wut – explizit jener auf Donald Trump in einem umgetextet­en Song von Woody Guthrie – die Rede ist, bricht bisweilen ein Furioso aus Bläsern und Band über die Halle herein. Überhaupt lebt Hansard immer schon von einer besonderen Dynamik, für die er in seinen Songs klassische Strukturen auflöst. Hansard könnte auch auf einem Barhocker in einem irischen Pub sitzen, so nahe kommt seine Musik auch im Gasometer. Emotion und Wärme haben bei ihm die gleiche Temperatur, egal wo er spielt. Das liegt daran, dass sein Spiel tiefgefühl­t ist, dass er keine Show abzieht, sondern einfach nur grandiose Songs singt.

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