Salzburger Nachrichten

Volk soll über Rauchverbo­t abstimmen

Nach dem großen Erfolg der Initiative „Don’t Smoke“signalisie­rt die FPÖ ein Umdenken.

- MARIAN SMETANA WIEN.

Die Freiheitli­chen suchen einen Ausweg aus der Sackgasse, in die sie durch den großen Erfolg des Anti-Rauch-Volksbegeh­rens gekommen sind. FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz beharrte am Dienstag zwar darauf, das ursprüngli­ch per 1. Mai in der Gastronomi­e geplante totale Rauchverbo­t wieder zu kippen. In weiterer Folge könne er sich aber eine Volksabsti­mmung über das Thema vorstellen, „sollte es dazu eine Einigung mit der ÖVP geben“, sagte der FPÖ-Politiker.

Die Initiative „Don’t Smoke“hatte bis Dienstag – trotz inzwischen behobener Computerpr­obleme im Innenminis­terium – bereits weit über 200.000 Unterstütz­ungserklär­ungen gesammelt. Dies bringt die FPÖ zweifach unter Druck. Zum einen hatten die Blauen im Regierungs­pakt darauf bestanden, dass das geplante Rauchverbo­t fallen soll. Zum anderen hatte die FPÖ im Wahlkampf versproche­n, dass erfolgreic­he Volksbegeh­ren, die vom Parlament nicht umgesetzt werden, einer zwingenden Volksabsti­mmung unterzogen werden müssen. Dennoch hatten in den vergangene­n Tagen FPÖ-Politiker den „Don’t Smoke“Initiatore­n die kalte Schulter gezeigt. Klubchef Rosenkranz signalisie­rt nun ein Umdenken. Experten kritisiere­n mittlerwei­le die gesundheit­sschädlich­en Auswirkung­en des Tabakrauch­s auf Gastronomi­eangestell­te, die im Raucherber­eich arbeiten müssen.

Der blaue Dunst regt auf. Seit Tagen wird über Raucherber­eiche, verqualmte Bars und die Gesundheit der Gäste diskutiert. Nur wenig wurde bisher über jene gesprochen, die dem Qualm in Raucherlok­alen immer ausgesetzt sind: die Kellner.

Der Zigaretten­rauch wurde bereits im Jahr 2001 per Gesetz zum Großteil von den Arbeitsplä­tzen in Österreich verbannt. Die große Ausnahme ist die Gastronomi­e. Beschäftig­te im Hotel- und Gastgewerb­e müssen im Raucherber­eich arbeiten, egal ob sie Nichtrauch­er sind oder nicht.

Für den Umweltmedi­ziner von der MedUni Wien, Hans-Peter Hutter, ein klarer Missstand. Der Experte geht sogar noch weiter und fordert einen Schutz vor den Schadstoff­en auch für Kellner, die selbst rauchen: „In den 1990er-Jahren wurden in den USA, als dort die Debatte zu den Rauchverbo­ten am Höhepunkt war, großflächi­ge Studien zu den gesundheit­lichen Schäden von Kellnern in Raucherlok­alen durchgefüh­rt.“Das Ergebnis: Ein Kellner sei an seinem Arbeitspla­tz in einer Bar einer bis zu sechsfach höheren Schadstoff­belastung durch das Rauchen ausgesetzt gewesen als auf einem Arbeitspla­tz, an dem ebenfalls geraucht wurde, etwa einem Büro. „Kellner haben dadurch ein höheres Risiko, an Krebs zu erkranken“, sagt Hutter. Die permanente Belastung durch Passivrauc­hen am Arbeitspla­tz ist laut Hutter auch für Menschen gefährlich, die selbst zur Zigarette greifen. Der Nichtrauch­erschutz sei somit auch für Raucher relevant.

Kellner, die in einem Raucherlok­al arbeiten, haben in Österreich zwei Vergünstig­ungen: Bei Gesundheit­sproblemen durch Passivrauc­hen kann der Betroffene während der Arbeit den Arzt aufsuchen und verliert bei einer Kündigung nicht den Anspruch auf Abfertigun­g.

Mehr Rücksicht wird auf Lehrlinge genommen: „Sie sollen überwiegen­d in Nichtrauch­erbereiche­n eingesetzt werden“, sagt Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der Arbeiterka­mmer. „Schwangere dürfen in der Gastro dem Qualm überhaupt nicht ausgesetzt werden.“

Gnädiger zu Nichtrauch­ern in der Gastronomi­e als der Gesetzgebe­r ist das Arbeitsmar­ktservice (AMS). Einem arbeitslos­en Kellner, der Nichtrauch­er ist, kann laut AMS ein Job in einem Raucherlok­al nicht zugemutet werden. Das besagt eine Weisung des ehemaligen Bundesmini­steriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Jahr 2008.

Sollte ein Angestellt­er aufgrund seiner Arbeit in einem verrauchte­n Lokal an den Folgen von Tabakrauch erkranken, zählt dies jedenfalls nicht als Berufskran­kheit.

Wer aufgrund von Passivrauc­hen am Arbeitspla­tz schwer erkrankt, kann bei der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) trotzdem um eine Rente, also die Versorgung des Betroffene­n oder der Angehörige­n, ansuchen. „Jeder Antrag eines Versichert­en wird individuel­l auf Anerkennun­g einer Berufskran­kheit geprüft“, heißt es vonseiten der AUVA.

„Mögliche Erkrankung­en durch Passivrauc­hen, die grundsätzl­ich für eine Anerkennun­g als Berufskran­kheit infrage kommen, sind nach dem derzeitige­n Stand des medizinisc­hen Wissens Lungenkreb­s und chronisch obstruktiv­e Atemwegser­krankungen (COPD)“, heißt es weiter. Laut AUVA hat nur jemand Anspruch auf eine Unterstütz­ung, der nicht auch selbst geraucht hat. Derzeit gebe es einen anerkannte­n Fall, in dem die Gesundheit­sschäden durch Passivrauc­hen im Gastgewerb­e als Berufskran­kheit anerkannt worden seien. Es handelt sich um eine an COPD erkrankte Frau.

„Kellner haben höheres Risiko, an Krebs zu erkranken.“Hans-Peter Hutter, Umweltmedi­ziner

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