Partei-Plebiszit ist problematisch
Die SPD steht vor einer neuen Zitterpartie. Stimmen ihre Mitglieder mehrheitlich gegen eine Große Koalition in Berlin, droht der traditionsreichen Partei ein weiterer Absturz in der Wählergunst. Die SPD kämpft schon jetzt um ihren Status als Volkspartei.
Nach den jüngsten „Chaostagen“in der SPD zieht sich ein tiefer Riss zwischen Führung und Basis. Die Führung sieht im Entscheid der Basis ein wichtiges Element der innerparteilichen Demokratie. Dabei ist dieses Votum grundsätzlich problematisch.
463.732 Mitglieder der SPD entscheiden letztlich darüber, ob es zu einer neuen Regierung in Deutschland kommt. Das sind nur 0,7 Prozent der Wahlberechtigten im Land. Diese Sozialdemokraten geben sozusagen ein zweites Mal ihre Stimme ab, obwohl die Verfassung ein solches zweistufiges Wahlsystem gar nicht vorsieht.
Das Partei-Plebiszit passt nicht in das Regelwerk der repräsentativen Demokratie. Laut Grundgesetz wird der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin vom Bundestag gewählt. Seine vom ganzen Volk gewählten Abgeordneten sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“, auch nicht an jene einer Parteibasis. Die Parlamentarier haben ein freies und kein imperatives Mandat. Die 463.732 SPD-Mitglieder können somit auch nicht für die 9,5 Millionen Bürger sprechen, die bei der jüngsten Bundestagswahl für die SPD votiert und so ihre parlamentarischen Vertreter bestimmt haben.
Abstimmen dürfen absurderweise auch Tausende minderjährige SPD-Mitglieder, die noch kein Wahlrecht haben, und Tausende ausländische SPD-Mitglieder.