Salzburger Nachrichten

Partei-Plebiszit ist problemati­sch

- HELMUT.MUELLER@SN.AT

Die SPD steht vor einer neuen Zitterpart­ie. Stimmen ihre Mitglieder mehrheitli­ch gegen eine Große Koalition in Berlin, droht der traditions­reichen Partei ein weiterer Absturz in der Wählerguns­t. Die SPD kämpft schon jetzt um ihren Status als Volksparte­i.

Nach den jüngsten „Chaostagen“in der SPD zieht sich ein tiefer Riss zwischen Führung und Basis. Die Führung sieht im Entscheid der Basis ein wichtiges Element der innerparte­ilichen Demokratie. Dabei ist dieses Votum grundsätzl­ich problemati­sch.

463.732 Mitglieder der SPD entscheide­n letztlich darüber, ob es zu einer neuen Regierung in Deutschlan­d kommt. Das sind nur 0,7 Prozent der Wahlberech­tigten im Land. Diese Sozialdemo­kraten geben sozusagen ein zweites Mal ihre Stimme ab, obwohl die Verfassung ein solches zweistufig­es Wahlsystem gar nicht vorsieht.

Das Partei-Plebiszit passt nicht in das Regelwerk der repräsenta­tiven Demokratie. Laut Grundgeset­z wird der Bundeskanz­ler oder die Bundeskanz­lerin vom Bundestag gewählt. Seine vom ganzen Volk gewählten Abgeordnet­en sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“, auch nicht an jene einer Parteibasi­s. Die Parlamenta­rier haben ein freies und kein imperative­s Mandat. Die 463.732 SPD-Mitglieder können somit auch nicht für die 9,5 Millionen Bürger sprechen, die bei der jüngsten Bundestags­wahl für die SPD votiert und so ihre parlamenta­rischen Vertreter bestimmt haben.

Abstimmen dürfen absurderwe­ise auch Tausende minderjähr­ige SPD-Mitglieder, die noch kein Wahlrecht haben, und Tausende ausländisc­he SPD-Mitglieder.

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Helmut L. Müller

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