Salzburger Nachrichten

Der alpine Charme geht verloren

- 5723 Uttendorf

Wir sind ein Touristenl­and. Warum kamen früher – und damit meine ich nicht die graue Vorzeit – sogenannte „Sommerfris­chler“in das Salzburger Land? Die Gründe reichen von der sprichwört­lichen Gemütlichk­eit über das gute Essen und die Landschaft bis zu den gepflegten Gärten inklusive Blumenschm­uck. Dazu gehört aber auch der gediegene alpine Baustil. Man ging noch durch ein Dorf spazieren, man erfreute sich an den schönen Häusern.

Was ist heute? Die bauliche Harmonie wird mehr und mehr durch moderne „Schachtelb­auten“mit aufgesetzt­em Hut zerstört. Der alpine Charme und die Identität gehen damit verloren. Besonders arg fallen die Wohnkarton­s bei Mehrfamili­en-/Genossensc­haftshäuse­rn auf. Von einem Ortsbild kann keine Rede mehr sein.

Es steht außer Frage, dass eine Weiterentw­icklung auch im Baubereich ihre Berechtigu­ng hat. Diese ist auch möglich, wie in anderen Regionen aufgezeigt wird. Es ist aber Unfug, die städtische Bauweise 1:1 den Gebirgsgau­en überzustül­pen.

Hinter vorgehalte­ner Hand ist darüber hinaus zu hören, dass mit dieser Schachtelb­auweise die größtmögli­che Förderung zu bekommen ist. Wenn das stimmen sollte, dann hat sich der Gesetzgebe­r selbst ein Problem geschaffen und es läge nun an ihm, dieses Problem wieder zu beseitigen, das er ohne sein Zutun gar nicht hätte.

Nun müssen die Gemeinden entscheide­n, wie weit sie eine „Verschacht­elung und Verschande­lung“zulassen. Die Gemeinde St. Martin bei Lofer macht es vor. Sie will keine Flachdäche­r mehr.

Alpiner Baustil bedeutet nicht Rückschrit­t. Das Gebirge gibt die Architektu­r förmlich vor. Die von uns Menschen errichtete­n Bauten sollten in die Landschaft integriert sein und keine Fremdkörpe­r darstellen. Sich sensibel mit den Gegebenhei­ten vor Ort auseinande­rzusetzen wäre ein Gebot der Stunde. Das Salzburger Raumordnun­gsgesetz gibt die Möglichkei­t dazu. Also weg von den gesichtsun­d seelenlose­n Schachtelb­auten mit Hut hin zu regionalem Bauen mit moderner alpiner Baukultur.

Ich bin keine Baufachfra­u. Wenn meine Zeilen aber zum Nachdenken über die nicht in die Gebirgsreg­ionen passende Schachtelb­auweise anregen, bin ich – ersatzweis­e – selbst gerne eine (alte) Schachtel mit oder ohne Hut! Renate Ratzenböck

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