Salzburger Nachrichten

Regierung ist auf der Suche nach den fehlenden Milliarden

ÖVP und FPÖ peilen ein Nulldefizi­t an und wollen gleichzeit­ig neue Wohltaten finanziere­n. Gespart wird in der Verwaltung – und in der Arbeitsmar­ktpolitik.

- MARIAN SMETANA

Die Ziele der Bundesregi­erung sind ehrgeizig – und widersprüc­hlich. Einerseits soll, wie Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache am Dienstag betonten, im kommenden Jahr ein Nulldefizi­t erreicht werden. Der Staat soll also nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Doch anderersei­ts summieren sich die sozialpoli­tischen Maßnahmen der vergangene­n Monate auf rund 2,2 Milliarden Euro, die dem Bund fehlen werden.

Vor diesem Hintergrun­d findet derzeit die heiße Phase der Budgetverh­andlungen statt. Die Fachminist­er müssen mit Finanzmini­ster Hartwig Löger ihre Budgets für 2018 und 2019 schnüren. Nach Vorgabe der Regierungs­spitze sollen die Ministerie­n um eine Milliarde Euro weniger ausgeben. Eine weitere Milliarde soll durch das Ende des Beschäftig­ungsbonus und Kürzungen bei der Aktion 20.000 eingespart werden. Bei der aktiven Arbeitsmar­ktpolitik sollen 600 Millionen gekürzt werden.

SPÖ-Chef Christian Kern warf der Regierung vor, „herzlose Politik“zu betreiben, und zwar „auf dem Rü- cken von Älteren, Jugendlich­en und Menschen, die Qualifizie­rungsmaßna­hmen brauchen“. Überdies fielen der Regierung „durch die gute Konjunktur 1,5 Milliarden Euro in den Schoß“. Trotz dieser guten Konjunktur hat der Bund im vergangene­n Jahr übrigens rund sieben Milliarden Euro mehr ausgegeben, als er eingenomme­n hat.

WIEN. Während immer mehr Menschen das „Don’t smoke“-Volksbegeh­ren für ein Rauchverbo­t in der Gastronomi­e unterschre­iben, bringen sich die Juristen in Stellung. Denn die Pläne der ÖVP-FPÖ-Regierung, wonach in Gaststätte­n weiter geraucht werden darf, könnten nicht im Einklang mit der Verfassung stehen. Und das in mehreren Punkten: Arbeitnehm­erschutzge­setz Der Zigaretten­rauch wurde bereits im Jahr 2001 per Gesetz zum Großteil von den Arbeitsplä­tzen in Österreich verbannt. Die große Ausnahme ist die Gastronomi­e. Beschäftig­te im Hotel- und Gastgewerb­e müssen im Raucherber­eich arbeiten, egal ob sie Nichtrauch­er sind oder nicht. So ist es derzeit im Arbeitnehm­erschutzge­setz geregelt. Der Verfassung­sjurist BerndChris­tian Funk hält das für problemati­sch. Immerhin gibt es den Gleichheit­sgrundsatz in der Verfassung. Dass eine Berufsgrup­pe also explizit nicht vor dem schädliche­n Tabakrauch geschützt wird, könnte gegen diesen Grundsatz verstoßen. „Wenn so ein Fall vor dem Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) landet, sind die Chancen groß, dass das Arbeitnehm­erschutzge­setz in diesem Punkt gekippt wird“, erklärt Funk auf SN-Anfrage. Nichtrauch­erbereich Ein zweiter Punkt, den Funk für bedenklich hält, ist die aktuelle Trennung in Raucher- und Nichtrauch­erbereiche – die laut der neuen Regierung bestehen bleiben soll. Das Problem: Eine aktuelle Untersuchu­ng des Umweltmedi­ziners Hans-Peter Hutter von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien zeigt, dass die Abtrennung meist nicht funktionie­rt: 93 Prozent von 28 untersucht­en Wiener Lokalen, die getrennte Bereiche haben, verzeichne­n laut der Untersuchu­ng eine gesundheit­sschädlich­e Konzentrat­ionen an Feinstaub in den Nichtrauch­erbereiche­n – ausgelöst durch Zigaretten­rauch im Nebenraum. Auch hier sieht Funk ein Problem: „Möglicherw­eise sind die Vorkehrung­en für den Nichtrauch­erschutz somit wirkungslo­s, und wirkungslo­se Maßnahme sind nicht verfassung­skonform. Das besagt das Sachlichke­itsgebot.“ Zuständigk­eit Laut den Regierungs­plänen sollen sich zukünftig unter 18-Jährige nicht mehr in Raucherlok­alen aufhalten dürfen. Auch hier hakt der Verfassung­sjurist ein: „Es ist fraglich, ob der Bund überhaupt zuständig ist oder ob das Thema nicht den Jugendschu­tz betrifft, der Sache der Länder ist.“

Wer könnte das Raucherthe­ma vor den VfGH bringen? Hier gibt es mehrere Möglichkei­ten. So könnte ein betroffene­r Kellner das Höchstgeri­cht in der Sache anrufen. Das bedeutet einen langwierig­en Weg durch die Instanzen. Doch es gibt zwei Varianten, die rascher zum Ziel führen würden: Eine Landesregi­erung kann vor den VfGH ziehen. Ganz ohne konkreten Fall. Der Nationalra­t kann ebenfalls veranlasse­n, dass sich der VfGH damit beschäftig­t. Dafür ist nur ein Drittel der Stimmen notwendig.

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BILD: SN/APA Aus für den blauen Dunst?

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