Kriegsverbrechen sind die Norm geworden
Am Rand von Damaskus wiederholt sich ein Drama, das die Welt aus Aleppo kennt. Wohngebiete werden sturmreif gebombt.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat seinen Einfluss sehr deutlich gemacht. Am Montag ordnete er eine Waffenruhe für Ost-Ghouta an, den Siedlungsstreifen aus rund 20 Dörfern und Kleinstädten am Rand von Damaskus. Täglich von 9 bis 14 Uhr wird nun nicht mehr gestorben. Sondern, wenn es nach dem Kreml geht, geflüchtet.
Je nach Schätzungen sind bis zu 350.000 Menschen in Ost-Ghouta eingeschlossen. Unter ihnen befinden sich vorwiegend islamistische Rebellen, die eine ihrer letzten Hochburgen verteidigen. Seit Monaten fliegen die syrische und die russische Luftwaffe Angriffe, um die Region sturmreif zu bomben. Rücksicht auf Zivilisten wird nicht genommen. Im Gegenteil, Aktivisten und Betroffene berichten immer wieder von systematischen Attacken auf Schulen und medizinische Einrichtungen. Das Trommelfeuer ist Stück um Stück intensiver geworden.
Das Vorgehen erinnert an die unsägliche Belagerung und Rückeroberung von Aleppo im Jahr 2016. Auch damals wurden gnadenlos Wohngebiete und zivile Infrastruktur bombardiert und zerstört. Auch damals wurde die internationale Kritik umso lauter und schriller, je tatenloser die Welt zusah oder zusehen musste. Auch damals öffnete Russland schließlich so genannte humanitäre Korridore, durch die die ausgehungerte und zermürbte Zivilbevölkerung flüchten konnte – in die Arme des verhassten AssadRegimes, das Zehntausende in die noch von Aufständischen kontrollierte Provinz Idlib deportierte, wo sie erneut unter die Räder kamen. Ende 2017 starteten das Regime und seine russischen Verbündeten auch dort eine Offensive.
Nun hat niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn radikale Dschihadisten bekämpft werden, die das Land, das einst Syrien war, für sich beanspruchen. Die Kritik richtet sich nicht gegen das Ziel, sondern gegen eine Methode, die alle mühsam gefundenen Regeln für eine Kriegsführung, die möglichst wenig zivile Opfer fordert, außer Acht lässt.
Im Gegenteil: Das Verbreiten von Leid, Terror und Tod unter nicht Kämpfenden, unter Unbeteiligten, um militärische Fortschritte zu erreichen, ist wieder im normalen Repertoire aufgetaucht.
Ein derartiges Vorgehen nennt man gemeinhin Kriegsverbrechen. Das Argument, verantwortlich für diese Schande seien nicht die Angreifer und ihre Kampfflugzeuge, Helikopter und Kanonen, sondern die Rebellen, die sich in Ost-Ghouta verschanzen, ist an Zynismus kaum zu überbieten.