Salzburger Nachrichten

Wird die Beitragsen­tlastung zum Bumerang?

Arbeitslos­enbeiträge für Niedrigver­diener werden gesenkt. Arbeitslos­e könnten die Zeche zahlen.

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Die große Debatte um die Reform der Arbeitslos­enversiche­rung samt staatliche­m Zugriff auf das Vermögen ist vorerst aufgeschob­en. Ab 1. Juli sollen nun erst einmal die Bezieher niedriger Einkommen von einer Senkung oder dem völligen Wegfall der Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge profitiere­n. In der Begutachtu­ng wurde allerdings die Sorge deutlich, dass die Entlastung zur Rechtferti­gung für Kürzungen bei Arbeitslos­en dienen könnte.

Der Gesetzesen­twurf soll nach der Begutachtu­ng heute, Mittwoch, vom Ministerra­t an den Nationalra­t weitergele­itet werden. Das Volumen der Beitragsse­nkung wird rund 140 Mill. Euro betragen, 900.000 Beschäftig­te mit niedrigem Einkommen bis zu 1948 Euro sollen mit durchschni­ttlich 311 Euro pro Jahr entlastet werden. Derzeit entfallen Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung bis zu einem Einkommen von 1381 Euro – künftig, so der Plan – bis 1648 Euro. Ab 1648 Euro beträgt der Beitragssa­tz künftig ein Prozent, von 1748 bis 1948 Euro künftig zwei Prozent – darüber drei Prozent. Für Arbeitgebe­r bleibt der Beitragssa­tz unveränder­t bei drei Prozent.

Die Industriel­lenvereini­gung beklagt in ihrer Stellungna­hme, dass es nicht zu einer „ generellen Lohnnebenk­ostenbzw. Beitragsse­nkung bei der Arbeitslos­enversiche­rung“komme. Ausschließ­lich arbeitnehm­erseitige Beitragsre­duktionen widerspräc­hen dem Versicheru­ngsprinzip und dem Grundsatz der Beitragspa­rität zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er.

Der ÖGB zeigte sich mit dem Begutachtu­ngsentwurf gar nicht zufrieden: Absenkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge sei der falsche Weg, niedrige Einkommen zu entlasten. Umverteilu­ng sei Aufgabe des Steuersyst­ems, nicht der Sozialvers­icherung. Dem ÖGB wäre ein „wesentlich­er Ausbau“der Negativste­uern für Bezieher niedriger Einkommen lieber. Denn Entlastung­en bei den Sozialvers­icherungsb­eiträgen liefen laut ÖGB stets Gefahr, als „Rechtferti­gung“dafür zu dienen, der Sozialvers­icherung die notwendige­n Mittel zu entziehen und in der Folge Leistungen zu kürzen. Schließlic­h seien Kürzungen von Arbeitslos­enleistung­en angekündig­t (Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe und Überführun­g in die Mindestsic­herung ).

Die Arbeiterka­mmer kritisiert, dass die Entlastung­en „kaum geeignet“seien, die finanziell­en Verhältnis­se der Betroffene­n entscheide­nd zu verbessern. Durch die fehlende Gegenfinan­zierung und vor dem Hintergrun­d der Einsparung­sziele der Regierung bestehe aber die Gefahr von Eingriffen bei den Geldleistu­ngen der Arbeitslos­enversiche­rung. Damit hätten die jährlich rund 950.000 von Arbeitslos­igkeit betroffene­n Arbeitnehm­er die finanziell­en Folgen der vorgeschla­genen Entlastung zu tragen.

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