Salzburger Nachrichten

Satire ist ein Mittel der Kritik, nicht eines der Politik

Wenn Politiker einen Ausflug ins Reich der Satire unternehme­n, ist die Gefahr groß, dass sie sich dabei verirren.

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Satire ist eine Kunstform. Satire verspottet Zustände, Institutio­nen oder Personen durch Zuspitzung und Übertreibu­ng in einer Art, die die Leser oder Zuhörer zum Lachen bringt, auch wenn der verspottet­e Zustand wirklich keinen Grund zum Lachen gibt. Satire ist deshalb so besonders schwierig, weil sie erkennbar sein muss, ohne dass man ankündigt: „Achtung, jetzt kommt Satire!“Das Talent, satirische Texte zu schreiben oder vorzutrage­n, ist nur wenigen gegeben. Politiker gehören nicht dazu.

Wenn ein Atheist behauptet, Gott liebe die Atheisten mehr als die Gläubigen, weil sie ihn nicht ständig mit irgendwelc­hen Bittgebete­n belagerten, dann ist das erkennbar Satire. In diesem Fall ist ja von vornherein klar, dass der Atheist mangels Glaubens gar nicht wissen kann, was ein Gott denn mögen oder nicht mögen könnte.

Wenn ein Politiker einem Journalist­en und dessen Medium in den sozialen Medien pauschal vorwirft, permanent Fake News zu produziere­n, dann wird aus diesem Angriff auf die Pressefrei­heit und den Journalism­us insgesamt auch dann keine Satire, wenn der Politiker noch so oft „Satire“dazuschrei­bt. Es kaschiert nicht den Versuch der Einschücht­erung.

Es sieht so aus, als hätte der Politiker eingesehen, dass er mit seinem „Satire-Versuch“weit daneben geschossen hat. Er hat dem so Angegriffe­nen seine Entschuldi­gung angeboten und den Vorwurf der Fake-News-Produktion zurückgezo­gen. Damit hat der Vizekanzle­r die Hitze aus dem Disput herausgeno­mmen.

Dennoch beschleich­t einen die Sorge, dass weit mehr hinter diesem Angriff auf die Medien steht als ein bloßer Ausrutsche­r. Denn der Vorfall reiht sich ein in eine Reihe von Versuchen, den Medien dieses Landes auszuricht­en, wie sie sich im Umgang mit der Regierung zu verhalten haben.

Das Wort „unbotmäßig“im Umgang von Journalist­en mit Regierungs­politikern erinnert stark an den Möchtegern-Sultan in der Türkei. Der hat schon vor Jahren ganz ähnliche Sprüche vom Stapel gelassen – und heute sitzen Hunderte Journalist­en im Gefängnis, weil sie es an „Botmäßigke­it“mangeln ließen. Ein Blick ins Wörterbuch klärt auf, weshalb: „Botmäßig“heißt nichts anderes als „unterwürfi­g“. Und Unterwürfi­gkeit ist das Einzige, was Politiker weder von Bürgern noch von Journalist­en erwarten dürfen.

Sollte jetzt jemand behaupten, all die Anwürfe, Vorwürfe, Angriffe und Untergriff­e gegen Medien immer dann, wenn Regierungs­politiker in der Kritik schlecht wegkommen, seien ja nur als „Satire“und gar nicht ernst gemeint gewesen, bleibt die Diagnose die gleiche: Satire ist eine Kunstform, von der sich Politiker besser fernhalten sollten.

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