Satire ist ein Mittel der Kritik, nicht eines der Politik
Wenn Politiker einen Ausflug ins Reich der Satire unternehmen, ist die Gefahr groß, dass sie sich dabei verirren.
Satire ist eine Kunstform. Satire verspottet Zustände, Institutionen oder Personen durch Zuspitzung und Übertreibung in einer Art, die die Leser oder Zuhörer zum Lachen bringt, auch wenn der verspottete Zustand wirklich keinen Grund zum Lachen gibt. Satire ist deshalb so besonders schwierig, weil sie erkennbar sein muss, ohne dass man ankündigt: „Achtung, jetzt kommt Satire!“Das Talent, satirische Texte zu schreiben oder vorzutragen, ist nur wenigen gegeben. Politiker gehören nicht dazu.
Wenn ein Atheist behauptet, Gott liebe die Atheisten mehr als die Gläubigen, weil sie ihn nicht ständig mit irgendwelchen Bittgebeten belagerten, dann ist das erkennbar Satire. In diesem Fall ist ja von vornherein klar, dass der Atheist mangels Glaubens gar nicht wissen kann, was ein Gott denn mögen oder nicht mögen könnte.
Wenn ein Politiker einem Journalisten und dessen Medium in den sozialen Medien pauschal vorwirft, permanent Fake News zu produzieren, dann wird aus diesem Angriff auf die Pressefreiheit und den Journalismus insgesamt auch dann keine Satire, wenn der Politiker noch so oft „Satire“dazuschreibt. Es kaschiert nicht den Versuch der Einschüchterung.
Es sieht so aus, als hätte der Politiker eingesehen, dass er mit seinem „Satire-Versuch“weit daneben geschossen hat. Er hat dem so Angegriffenen seine Entschuldigung angeboten und den Vorwurf der Fake-News-Produktion zurückgezogen. Damit hat der Vizekanzler die Hitze aus dem Disput herausgenommen.
Dennoch beschleicht einen die Sorge, dass weit mehr hinter diesem Angriff auf die Medien steht als ein bloßer Ausrutscher. Denn der Vorfall reiht sich ein in eine Reihe von Versuchen, den Medien dieses Landes auszurichten, wie sie sich im Umgang mit der Regierung zu verhalten haben.
Das Wort „unbotmäßig“im Umgang von Journalisten mit Regierungspolitikern erinnert stark an den Möchtegern-Sultan in der Türkei. Der hat schon vor Jahren ganz ähnliche Sprüche vom Stapel gelassen – und heute sitzen Hunderte Journalisten im Gefängnis, weil sie es an „Botmäßigkeit“mangeln ließen. Ein Blick ins Wörterbuch klärt auf, weshalb: „Botmäßig“heißt nichts anderes als „unterwürfig“. Und Unterwürfigkeit ist das Einzige, was Politiker weder von Bürgern noch von Journalisten erwarten dürfen.
Sollte jetzt jemand behaupten, all die Anwürfe, Vorwürfe, Angriffe und Untergriffe gegen Medien immer dann, wenn Regierungspolitiker in der Kritik schlecht wegkommen, seien ja nur als „Satire“und gar nicht ernst gemeint gewesen, bleibt die Diagnose die gleiche: Satire ist eine Kunstform, von der sich Politiker besser fernhalten sollten.