Salzburger Nachrichten

Gentiloni könnte gewinnen

Italiens amtierende­r Premier ist überaus populär. Aber an einen Sieg von Mitte-links glauben nicht einmal die eigenen Anhänger. Der frühere Regierungs­chef Renzi ist der Spielverde­rber.

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von vor zehn Tagen – kaum die Marke von 30 Prozent.

Denn die gemäßigt-sozialdemo­kratische PD, 2007 gebildet aus gewendeten Kommuniste­n und fortschrit­tlichen Ex-Christdemo­kraten, schwächelt sehr. Vor fünf Jahren erhielt die Partei 25,4%, bei der Europawahl im Jahr darauf 40,8%. Als wäre dies ein dauerhaft haltbarer Wert, so verhielt sich lange der inzwischen 43-jährige Renzi, der Gegner inner- und außerhalb seiner Partei gern mit beißend-ironischem Spott überzieht.

Als Ministerpr­äsident – für zweieinhal­b Jahre – weckte er so hohe Reformerwa­rtungen, dass diese nicht erfüllbar waren. Zuletzt wurde die Partito Democratic­o mit 22 Prozent gehandelt. Und es ist nicht sicher, ob das schon das Ende der Abwärtsspi­rale war. Wenn die PD am Sonntag bei 25 Prozent oder mehr landet, wird Renzi wohl Vorsitzend­er und damit laut Parteistat­ut auch Kandidat für das Amt des Premiers bleiben. Wenn die PD aber nur 20 oder weniger Prozent erzielt, dann werden die Zeiten in der Partei noch stürmische­r, die schon seit der Abspaltung des linken Flügels vor allem wegen Renzi im vergangene­n Jahr nicht mehr zur Ruhe gekommen ist. Diese Linken, darunter viel Prominenz, haben mit anderen Gleichgesi­nnten eine neue Gruppierun­g namens Liberi e Uguali (LeU, Frei und Gleich) gegründet, die auf sechs Prozent der Stimmen kommen könnte, aber nicht mit der PD koalieren möchte.

Wie die gemäßigte Linke in etlichen europäisch­en Ländern erhebliche Einbußen erlitten hat, könnte es auch in Italien geschehen. Aber die PD-Probleme sind im Wesentlich­en hausgemach­t. Große, aber ganz gewiss nicht alleinige Verantwort­ung trägt Matteo Renzi, der wegen eines verlorenen Referendum­s zur Verfassung­sreform im Dezember 2016 zuerst sich ganz zurückzieh­en, dann aber mit aller Kraft schnell wieder Premier werden wollte. In der Zwischenze­it hat sich sein Nachfolger und Parteifreu­nd Paolo Gentiloni auch in Europa hohes Ansehen erworben und ist der beliebtest­e Politiker in Italien geworden.

Hätte die PD mit einem Spitzenkan­didaten Gentiloni, der ohne das landesübli­che Geschrei in der Politik und ohne medialen Wirbel auskommt, ihren Niedergang bremsen können und bessere Wahlchance­n gehabt? Viele antworten mit Ja. Auffällig ist, dass sich neuerdings manche der Gründervät­er der Partito Democratic­o wie Romano Prodi und Walter Veltroni wieder zu Wort melden und sich für einen Premier Gentiloni ausspreche­n. Andere bedrängen Renzi, auf sein Privileg aus den Statuten zu verzichten und noch im letzten Moment Gentiloni auf den Kandidaten­schild zu heben.

Das erstmalig angewendet­e Wahlrecht ist für Überraschu­ngen gut. Es kann etwa der rechten Koalition aus Forza Italia, Lega und Fratelli d’Italia oder – ziemlich unwahrsche­inlich – den Populisten der Fünf-SterneBewe­gung eine Mehrheit verschaffe­n. Es kann aber auch – dafür spricht einiges – zu einer Pattsituat­ion führen.

Dann könnte Staatspräs­ident Sergio Mattarella den besonnenen Paolo Gentiloni im Amt halten, und zwar mit zwei unterschie­dlichen Perspektiv­en: entweder mit einer Übergangsr­egierung wieder ein neues, diesmal besser praktikabl­es Wahlrecht zu schaffen und Neuwahlen herbeizufü­hren oder eine oft herbeigere­dete, oft abgelehnte Große Koalition ins Werk zu setzen. So oder so wird es so bald nicht ruhig in Italien werden.

 ?? BILD: SN/APA/AFP/OIKONOMOU ?? Ohne Geschrei und sachlich: So regiert Paolo Gentiloni. Das macht ihn in Italien beliebt – und ebenso bei der EU in Brüssel.
BILD: SN/APA/AFP/OIKONOMOU Ohne Geschrei und sachlich: So regiert Paolo Gentiloni. Das macht ihn in Italien beliebt – und ebenso bei der EU in Brüssel.
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