Gustav Kuhn wehrt sich gegen „unhaltbare Vorwürfe“
Die Anschuldigungen gegen Kuhn als Alleinherrscher der Festspiele in Erl sind schwerwiegend, aber bisher anonym.
WIEN, ERL. Da hat er etwas losgetreten, der Tiroler Blogger Markus Wilhelm, bisher eher bekannt als Kämpfer gegen Machenschaften des Tiroler Stromkonzerns TIWAG. Aus damaligem Anlass nennt er seine Homepage auch „dietiwag.org“, inhaltlich hat Wilhelm eine neue Stoßrichtung gefunden. Auf seiner Homepage finden sich neuerdings deftige Vorwürfe gegen Gustav Kuhn, Dirigent und Gründer der Tiroler Festspiele Erl, und in einem Aufwasch auch gegen den Mäzen und Kuhns Freund, den Unternehmer Hans Peter Haselsteiner. Die Vorwürfe, die sich gegen Kuhns Despotentum in „sexualisierter Atmosphäre“inklusive Schikanen, Probenterror und Erfahrungen von „Niederbrüllen und Fertigmachen“von Musikern und Solisten richten, bleiben allerdings anonym.
Bis jetzt. Gerade bei sexuellem Fehlverhalten, das dem 73-jährigen Kuhn vorgeworfen wird, gehen die Alarmsirenen los in Zeiten von #MeToo. In der anonymen Zitatensammlung von Wilhelms Blog finden sich durchaus drastische Vorwürfe.
Darüber hinaus geht es um die schlechte Bezahlung der Musiker, denn der Großteil der Orchestermusiker stammt aus dem Osten Europas bzw. aus Minsk. Für Tagesgagen von 38 Euro brutto sollen in Erl Künstler angestellt gewesen sein.
Eine weitere Plattform für Klagen findet sich in der Facebook-Initiative „Art but fair“rund um Johannes Maria Schatz. Diese wurde 2013 gegründet und fand damals auch in streitbaren Künstlerinnen wie Elisabeth Kulman Unterstützer und Verbreiter. Die Facebook-Initiative wird wie Markus Wilhelm mit anonymen Informationen versorgt, will aber aufgrund der Schwere der Vorwürfe gegen Kuhn die Gerichte einschalten. Christian Sist, der österreichische Vertreter von „Art but fair“, betont, „dass es uns darum geht, die Angelegenheit auf eine rechtsstaatliche Ebene zu heben“, da es bisher keine klaren Strukturen zur Klärung der Sache gebe. „Unser Standpunkt ist: Kuhn entlasten oder entlarven. Die Vorwürfe sind derart schwerwiegend, dass man da nicht mehr wegschauen kann. Wenn die Vorwürfe jedoch nicht stimmen, dann ist es ebenso dringend notwendig, dass Herr Kuhn entlastet wird.“
Der durchaus leutselige Kuhn, der sich von den Tirolern gern „Guschtl“nennen lässt und nun per Internet-Shitstorm zum „Unguschtl“stilisiert wird, gibt zwar zu, dass bei Proben sein Temperament überschießen könne und er vielleicht seinen Wortschatz im Zaum halten sollte. Mit allen anderen Vorwürfen will er nichts zu tun haben. Sie seien „unhaltbar“, sagte er in einem ORF-Interview. „Ansonsten vertraue er dem österreichischen Rechtsstaat. „Wenn das Gericht zu einem Urteil kommt, dann ist es so. Aber bevor das Gericht nicht zu einem Urteil kommt, ist es so nicht.“Bis dato ist, wie Staatsanwalt-Sprecher Hansjörg Mayr zur APA sagte, noch keine Anzeige eingelangt.
Die Tiroler Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) will schnellstmöglich eine Sitzung des Stiftungsvorstands einberufen. Denn erstmals seien nun auch nicht anonymisierte Anschuldigungen an das Land herangetragen worden, hieß es am Dienstag.
Die Wiener Musikerin und Kunsthistorikerin Claudia Rosenberger hat eine Initiative, „WeTogether – Music in dignity“, für Opfer sexueller Belästigung gegründet, will aber erst Mitte Mai zu Pressekonferenzen laden, wo auch „Opfer von Erl namentlich und mit ihren Schicksalen“auftreten wollen.