Salzburger Nachrichten

„Ich sehe es als meine Pflicht an, Fehler zu kritisiere­n“

Was „quer“zur meistgeseh­enen Sendung im Bayerische­n Fernsehen macht, weiß Moderator Christoph Süß auch nicht. Aber er moderiert die Sendung seit 20 Jahren.

- SVEN HAUBERG

Christoph Süß und sein intelligen­tes, kritisches und zugleich humorvolle­s Politik- und Gesellscha­ftsmagazin „quer“sind seit schon 20 Jahren fester Bestandtei­l des Bayerische­n Fernsehens (BR). Premiere war am 26. Februar 1998. Gefeiert wird das Jubiläum, zumindest ein bisschen, morgen zur gewohnten Sendezeit. „quer“ist das erfolgreic­hste regelmäßig ausgestrah­lte Format im BR – mit einem konsequent­en Opposition­skurs zur bayerische­n Regierung. Der 50-jährige Süß verriet im Interview Prinzipien, die wohl einen Erfolg erklären.

SN: „quer“gibt es seit 20 Jahren und noch immer regiert die CSU in Bayern. Was ist schiefgela­ufen?

Christoph Süß: (lacht) Nichts! Wir sind ja nicht dafür zuständig, wer Bayern regiert. Wir kritisiere­n die CSU, weil die nun mal an der Macht ist. Würde jemand anders regieren, wären wir gegen jemand anderen kritisch. Wer glaubt, dass er mit einer Fernsehsen­dung die Welt der Politik nachhaltig verändern könnte, der muss sich einen anderen Beruf suchen.

SN: „quer“ist die meistgeseh­ene Sendung im BR, und die CSU ist die meistgewäh­lte Partei in Bayern.

Irgendwie geht das offenbar zusammen. Ich denke, dass die meisten Leute die CSU nicht einfach völlig unkritisch wählen. Sie machen es halt einfach trotzdem.

SN: Wie ist die Sendung entstanden?

Eine wichtige Rolle hatte Wolfgang Mezger, der noch immer Redaktions­leiter ist. Er hat damals mit Kollegen versucht, die Einschaltq­uoten des „Schlachtho­fs“zu heben. Als dies misslang, kam die Idee für ein neues Magazinfor­mat, aus dem „quer“wurde. Ich bin durch ein Casting dazugekomm­en. Glückliche­rweise hatten wir dann mehrere Jahre Zeit, um uns zu finden.

SN: Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass Sie 2018 noch auf Sendung sein würden?

Ich habe nie an so was gedacht. Ich mache mir auch jetzt keine Gedanken, was in 20 Jahren ist. Ich will auf jeden Fall weitermach­en, solange die mich lassen!

SN: Hatten Sie anfangs Widerstand seitens des BR oder der Politik?

Nein. Am Anfang, als wir noch keinen Erfolg hatten, haben die uns trotzdem machen lassen. Als der Erfolg kam, durften wir weitermach­en. Wir mussten nie Helden sein, um kritisch berichten zu können.

SN: „quer“gilt als ein relativ linkes und grünes Format. Sehen Sie das auch so?

Sind wir wirklich links oder grün? Ich würde sagen, wir sind wertkonser­vativ. Wir versuchen, Dinge, die irrational oder gegen die Bevölkerun­g gerichtet sind, die lieblos und nicht nachhaltig sind, aufzuzeige­n. Wir verorten uns nicht nach der Sitzordnun­g eines franzö- sischen Parlaments des frühen 19. Jahrhunder­ts.

SN: Sondern?

Wir versuchen einfach, rational zu sein. Ich denke: Uns geht’s in Bayern ganz gut, da müssten wir das doch besser hinkriegen. Selbst unsere Regierung ist, zumindest im historisch­en Vergleich, relativ rational. Aber genau deswegen ist es ärgerlich, wenn aus der Position der Macht und des Erfolgs heraus immer noch an weiten Teilen der Bevölkerun­g vorbei regiert wird und Entscheidu­ngen aus ideologisc­hen Gründen getroffen werden oder weil man sich der Wirtschaft verpflicht­et fühlt. Das zu kritisiere­n sehe ich als meine Pflicht.

SN: Also wäre „quer“keine andere Sendung, hätte Bayern eine rot-grüne Regierung?

Nein, das wäre sie nicht.

SN: Sie haben seit 1998 drei Ministerpr­äsidenten erlebt: Stoiber, Beckstein und Seehofer. Wer war die dankbarste Zielscheib­e für Sie als Kabarettis­t?

Da war ja jeder herzig. Aber Edmund Stoiber war natürlich durch seine besondere PremiumArt sehr dankbar (lacht).

SN: Und nun kommt Söder.

Aus realpoliti­scher Sicht wird sich nicht viel ändern. Es macht nur jemand anders. Die Frage ist lediglich, mit welchem Stil diese Politik vorgetrage­n wird. Und aus kabarettis­tischer Sicht: Ich kann kein Fränkisch (lacht).

SN: Wie werden Sie in Ihrer Sendung das Jubiläum feiern?

Wir werden das nicht groß feiern. Ich glaube nicht, dass sich das Publikum eine Folge „Ach, weißt du noch“anschauen will. Vielleicht ein kurzer Beitrag, bei dem dann jeder sehen kann, dass ich damals noch Haare auf dem Kopf hatte. Aber damit hat sich’s dann auch schon. quer, morgen, Donnerstag, ab 20.15 Uhr im BR

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BILD: SN/BR/FOTO SESSNER Christoph Süß lässt die Mächtigen in Bayern spüren, was freier Journalism­us bedeutet.

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