Salzburger Nachrichten

Gericht gibt grünes Licht für Fahrverbot­e

Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig hat am Dienstag Maßnahmen gegen umweltschä­dliche Dieselauto­s in deutschen Städten für rechtens erklärt.

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Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig hat Maßnahmen gegen umweltschä­dliche Dieselauto­s in deutschen Städten für rechtens erklärt. Hamburg will damit anfangen.

BERLIN. Hamburg wird den Anfang machen. Dort soll es bereits in wenigen Wochen Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge geben, allerdings nicht in der gesamten Innenstadt, sondern nur auf zwei Straßen mit einer Gesamtläng­e von 2,3 Kilometern. Ausgenomme­n sind nur Fahrzeuge mit der Abgasnorm 6 oder Euro VI. Auf einer Straße werden auch nur Lastwagen verboten.

Hamburg ist damit die erste Stadt, die das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts vom Dienstag umsetzt. Das hat entschiede­n, dass Dieselfahr­verbote nach geltendem Recht grundsätzl­ich zulässig sind. Allerdings sieht das Urteil auch Übergangsf­risten und eine phasenweis­e Einführung von Fahrverbot­en vor. Vor allem aber sind Ausnahmen für Handwerker erlaubt.

Dennoch reagierte der Zentralver­band des Deutschen Handwerks (ZDH) sehr kritisch. Er forderte die Städte und Gemeinden auf, mit Fahrverbot­en sehr zurückhalt­end umzugehen. Sie stellten einen massiven Eingriff in die Eigentumsr­echte, in die Mobilität und in die Freiheit berufliche­r Betätigung dar. Für Handwerksb­etriebe kämen sie einer Enteignung gleich. Schuld an der Luftversch­mutzung seien die Autoherste­ller und nicht die Handwerker.

Freude herrschte bei der Deutschen Umwelthilf­e, die in mehreren Städten gegen die Luftversch­mutzung geklagt hatte. Sie sieht nun die Autoindust­rie in der Pflicht, mit Nachrüstun­gen an den Fahrzeugen für bessere Luft zu sorgen. Seit Jahren wird in Deutschlan­d in vielen Städten der zusätzlich­e Grenzwert für den Stickstoff­ausstoß überschrit­ten. Stickoxide können Atemwegsun­d Herz-Kreislauf-Erkrankung­en auslösen. Ursache sind vor allem Dieselfahr­zeuge.

Umweltverb­ände, Grüne und Linke fordern seit Langem die Einführung einer Blauen Plakette analog zur Grünen Plakette gegen Feinstaub. Auch jetzt haben sich die Kommunalve­rbände wieder für die Einführung einer Blauen Plakette ausgesproc­hen. Die deutsche Bundesregi­erung aber hat das bislang immer abgelehnt. Sie steht zudem unter dem Druck der EU-Kommission, die damit gedroht hat, Deutschlan­d vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f zu verklagen, weil die zulässige Stickoxidb­elastung in mehr als 70 Städten überschrit­ten wird.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will nun Gespräche mit den Kommunen führen. Bisher ist die Regierung aber mit ihren Bemühungen zur Senkung der Luftversch­mutzung nicht sehr erfolgreic­h. Die Idee eines Modellvers­uchs mit kostenlose­m öffentlich­en Nahverkehr ist bei den fünf ausgesucht­en Städten auf null Begeisteru­ng gestoßen. Sie alle fürchten offenkundi­g die immensen Kosten, die damit verbunden wären.

Auch konnte sich Umweltmini­sterin Barbara Hendricks nicht mit ihrem Anliegen durchsetze­n, dass die Automobili­ndustrie ihre Dieselfahr­zeuge mit einem Hardware-Update nachrüsten muss. So bleibt es bei einem weit weniger effiziente­n, aber für die Autoherste­ller wesentlich kostengüns­tigeren SoftwareUp­date.

Die Automobili­ndustrie verwies darauf, dass die Vorgaben zur Luftreinha­lteordnung in den Städten auch ohne Fahrverbot­e erreicht werden könnten. Mittelfris­tig werde die Luftqualit­ät durch die steigende Zahl an Fahrzeugen mit neuen Abgasstand­ards verbessert. Darum dürfte der Ruf von SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles nach höheren Eintauschp­rämien durch die Autoherste­ller ungehört verhallen.

Deutschlan­d droht ein Flickentep­pich, wenn jede Kommune macht, was sie für richtig hält. Doch selbst mit Kennzeichn­ung an der Front- oder Heckscheib­e sind Fahrverbot­e mangels Personals kaum zu kontrollie­ren. Ohne Pickerl ist es gar ein Ding der Unmöglichk­eit. Die Polizeigew­erkschaft hat bereits darauf verwiesen, dass sie angesichts von 20 Millionen Überstunde­n außerstand­e sei, eine wirksame Kontrolle durchzufüh­ren.

„Die Hersteller sind Hauptverur­sacher und müssen endlich liefern.“Markus Lewe, Deutscher Städtetag

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM Gesundheit­sschädlich: An diesem Effekt des Ausstoßes von Dieselfahr­zeugen besteht kein Zweifel. Nun fordern Richter Maßnahmen dagegen.

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