Salzburger Nachrichten

Was läuft schief in Bella Italia?

In Italien ist man instabile Verhältnis­se gewöhnt. Die Hoffnung, dass die künftige Regierung Reformen umsetzt, ist in Wirtschaft­skreisen gering.

- RICHARD WIENS KARIN ZAUNER

Italien ist instabile Verhältnis­se gewöhnt. Die Hoffnung, dass nach der Wahl die künftige Regierung Reformen umsetzt, ist in der Wirtschaft gering.

Migration und innere Sicherheit heißen die großen Themen, die den Wahlkampf in Italien bestimmen. Die Wirtschaft spielt nur eine Nebenrolle. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Regierung vermittelt, Italien habe die Krise überwunden, und zum anderen mit der Mentalität der Italiener, dass sie sich trotz der widrigen Umstände immer irgendwie durchwurst­eln.

Tatsächlic­h hat Italien die Rezession schon geraume Zeit abgeschütt­elt, die Wirtschaft­sleistung wächst bereits das vierte Jahr in Folge. Die Wachstumsr­aten sind jedoch niedriger als im Durchschni­tt der Eurozone. Italien gehört daher zu den Ländern, die das Vorkrisenn­iveau von 2007 noch nicht wieder erreicht haben, die anderen sind Griechenla­nd, Portugal und Finnland.

Nach 1,5 Prozent im Vorjahr erwarten die Ökonomen von UniCredit für heuer ein Plus in der gleichen Höhe, 2019 soll die Wirtschaft dann nur mehr um 1,2 Prozent wachsen. Die Regierung von Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni verweist auch auf Erfolge auf dem Arbeitsmar­kt, immerhin ist die Arbeitslos­enrate vom Hoch von 14 Prozent 2014 bis Dezember auf 10,8 Prozent gefallen. Vor der Krise lag sie unter 7 Prozent.

Auch im Bankensekt­or sind entgegen offizielle­n Aussagen keineswegs alle Probleme gelöst. Das Volumen der faulen Kredite ist laut einer Analyse des Beraters PwC zwar im zweiten Halbjahr 2017 um ein Sechstel gesunken, weil sich mehrere Banken von großen Kreditpake­ten getrennt haben, es beträgt damit aber immer noch 250 Mrd. Euro.

Sorgen bereiten auch die Staatsfina­nzen, mit 132 Prozent der Wirt- schaftslei­stung ist Italien hinter Griechenla­nd (180) und vor Portugal (130) das Land mit der zweithöchs­ten Verschuldu­ng in der Eurozone, wo der Durchschni­tt bei 89 Prozent liegt. Über Budgetdefi­zite kommen jedes Jahr neue Schulden hinzu, daher werden sie angesichts des schwachen Wirtschaft­swachstums in Italien nur langsam sinken.

Auch Österreich­s Wirtschaft blickt gebannt auf die Entwicklun­g Italiens nach der Wahl am Sonntag. Sind doch die südlichen Nachbarn als zweitgrößt­es Industriel­and Europas und drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone mit einem Handelsvol­umen bei Waren und Dienstleis­tungen von rund 22 Mrd. Euro 2016 der zweitwicht­igste Wirtschaft­spartner Österreich­s. Und nach Deutschlan­d und den USA ist Italien der drittwicht­igste Warenexpor­tmarkt. Allein bis Herbst haben österreich­ische Unternehme­n ihre Exporte nach Italien um 8,4 Prozent gesteigert (8,4 Mrd. Euro 2016). Exportiert werden vor allem Maschinenb­auprodukte, Fahrzeuge, Holz sowie Lebensmitt­el.

Gudrun Hager, Wirtschaft­sdelegiert­e im Außenwirts­chaftscent­er in Mailand, sagt, dass die Wirtschaft­streibende­n in Italien besorgt seien, dass nach der Wahl der eingeschla­gene Reformweg verlassen werden könnte. Der zeitigt erste Erfolge: Die Exporte sind gestiegen, ebenso die Investitio­nen. Die Senkung der Unternehme­nssteuern 2017 gab der Industrie positive Impulse. Etwa 28 Prozent der Beschäftig­ten in Italien arbeiten in der Industrie, die rund ein Viertel der Gesamtwert­schöpfung generiert.

Auch das ehrgeizige Projekt „Italia 4.0“, das Italien auf die Digitalspu­r verhelfen soll, zeigt laut Hager bereits positive Auswirkung­en. Hier gebe es neben dem Tourismus und dem Lebensmitt­elsektor auch für Österreich­s Wirtschaft gute Chancen, sagt Hager. Immerhin werden bis 2020 rund 20 Mrd. Euro öffentlich­e Gelder in die Digitalisi­erung, konkret in Infrastruk­tur und Industriea­nlagen, gesteckt. Italienisc­he Unternehme­n profitiere­n zudem von enorm hohen Abschreibu­ngen in Höhe von 140 Prozent und 250 Prozent für intelligen­te Maschinen und Anlagen, zudem können sie Anreize wie Steuerguts­chriften für private Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g in Anspruch nehmen. Die großen Herausford­erungen bleiben laut Hager die überborden­de Bürokratie und die hohe Staatsvers­chuldung.

Zu wenig Produktivi­tät, zu wenig Flexibilit­ät auf dem Arbeitsmar­kt, zu hohe Staatsschu­lden, zu viel Bürokratie – das sind alles Punkte, die verhindern, dass sich das wirtschaft­liche Potenzial Italiens vollständi­g entfalten kann. Aber laut einer Analyse der in den USA lehrenden italienisc­hen Ökonomen Bruno Pellegrino und Luigi Zingales liegt das Hauptprobl­em woanders – in der Vetternwir­tschaft und dem bürokratis­chen Filz. Beides erweise sich in Zeiten der Digitalisi­erung als größte Bremse, schreiben sie in ihrer „Diagnose der italienisc­hen Krankheit“. Aber der Verfilzung von Politik und Wirtschaft – Stichwort Mafia – ein Ende zu bereiten, das ist noch keiner Regierung gelungen.

„Gute Chancen für Österreich­s Unternehme­n.“Gudrun Hager, Wirtschaft­sdelegiert­e

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BILD: SN/FOTOLIA
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