Was läuft schief in Bella Italia?
In Italien ist man instabile Verhältnisse gewöhnt. Die Hoffnung, dass die künftige Regierung Reformen umsetzt, ist in Wirtschaftskreisen gering.
Italien ist instabile Verhältnisse gewöhnt. Die Hoffnung, dass nach der Wahl die künftige Regierung Reformen umsetzt, ist in der Wirtschaft gering.
Migration und innere Sicherheit heißen die großen Themen, die den Wahlkampf in Italien bestimmen. Die Wirtschaft spielt nur eine Nebenrolle. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Regierung vermittelt, Italien habe die Krise überwunden, und zum anderen mit der Mentalität der Italiener, dass sie sich trotz der widrigen Umstände immer irgendwie durchwursteln.
Tatsächlich hat Italien die Rezession schon geraume Zeit abgeschüttelt, die Wirtschaftsleistung wächst bereits das vierte Jahr in Folge. Die Wachstumsraten sind jedoch niedriger als im Durchschnitt der Eurozone. Italien gehört daher zu den Ländern, die das Vorkrisenniveau von 2007 noch nicht wieder erreicht haben, die anderen sind Griechenland, Portugal und Finnland.
Nach 1,5 Prozent im Vorjahr erwarten die Ökonomen von UniCredit für heuer ein Plus in der gleichen Höhe, 2019 soll die Wirtschaft dann nur mehr um 1,2 Prozent wachsen. Die Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni verweist auch auf Erfolge auf dem Arbeitsmarkt, immerhin ist die Arbeitslosenrate vom Hoch von 14 Prozent 2014 bis Dezember auf 10,8 Prozent gefallen. Vor der Krise lag sie unter 7 Prozent.
Auch im Bankensektor sind entgegen offiziellen Aussagen keineswegs alle Probleme gelöst. Das Volumen der faulen Kredite ist laut einer Analyse des Beraters PwC zwar im zweiten Halbjahr 2017 um ein Sechstel gesunken, weil sich mehrere Banken von großen Kreditpaketen getrennt haben, es beträgt damit aber immer noch 250 Mrd. Euro.
Sorgen bereiten auch die Staatsfinanzen, mit 132 Prozent der Wirt- schaftsleistung ist Italien hinter Griechenland (180) und vor Portugal (130) das Land mit der zweithöchsten Verschuldung in der Eurozone, wo der Durchschnitt bei 89 Prozent liegt. Über Budgetdefizite kommen jedes Jahr neue Schulden hinzu, daher werden sie angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums in Italien nur langsam sinken.
Auch Österreichs Wirtschaft blickt gebannt auf die Entwicklung Italiens nach der Wahl am Sonntag. Sind doch die südlichen Nachbarn als zweitgrößtes Industrieland Europas und drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone mit einem Handelsvolumen bei Waren und Dienstleistungen von rund 22 Mrd. Euro 2016 der zweitwichtigste Wirtschaftspartner Österreichs. Und nach Deutschland und den USA ist Italien der drittwichtigste Warenexportmarkt. Allein bis Herbst haben österreichische Unternehmen ihre Exporte nach Italien um 8,4 Prozent gesteigert (8,4 Mrd. Euro 2016). Exportiert werden vor allem Maschinenbauprodukte, Fahrzeuge, Holz sowie Lebensmittel.
Gudrun Hager, Wirtschaftsdelegierte im Außenwirtschaftscenter in Mailand, sagt, dass die Wirtschaftstreibenden in Italien besorgt seien, dass nach der Wahl der eingeschlagene Reformweg verlassen werden könnte. Der zeitigt erste Erfolge: Die Exporte sind gestiegen, ebenso die Investitionen. Die Senkung der Unternehmenssteuern 2017 gab der Industrie positive Impulse. Etwa 28 Prozent der Beschäftigten in Italien arbeiten in der Industrie, die rund ein Viertel der Gesamtwertschöpfung generiert.
Auch das ehrgeizige Projekt „Italia 4.0“, das Italien auf die Digitalspur verhelfen soll, zeigt laut Hager bereits positive Auswirkungen. Hier gebe es neben dem Tourismus und dem Lebensmittelsektor auch für Österreichs Wirtschaft gute Chancen, sagt Hager. Immerhin werden bis 2020 rund 20 Mrd. Euro öffentliche Gelder in die Digitalisierung, konkret in Infrastruktur und Industrieanlagen, gesteckt. Italienische Unternehmen profitieren zudem von enorm hohen Abschreibungen in Höhe von 140 Prozent und 250 Prozent für intelligente Maschinen und Anlagen, zudem können sie Anreize wie Steuergutschriften für private Investitionen in Forschung und Entwicklung in Anspruch nehmen. Die großen Herausforderungen bleiben laut Hager die überbordende Bürokratie und die hohe Staatsverschuldung.
Zu wenig Produktivität, zu wenig Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, zu hohe Staatsschulden, zu viel Bürokratie – das sind alles Punkte, die verhindern, dass sich das wirtschaftliche Potenzial Italiens vollständig entfalten kann. Aber laut einer Analyse der in den USA lehrenden italienischen Ökonomen Bruno Pellegrino und Luigi Zingales liegt das Hauptproblem woanders – in der Vetternwirtschaft und dem bürokratischen Filz. Beides erweise sich in Zeiten der Digitalisierung als größte Bremse, schreiben sie in ihrer „Diagnose der italienischen Krankheit“. Aber der Verfilzung von Politik und Wirtschaft – Stichwort Mafia – ein Ende zu bereiten, das ist noch keiner Regierung gelungen.
„Gute Chancen für Österreichs Unternehmen.“Gudrun Hager, Wirtschaftsdelegierte