Salzburger Nachrichten

Das Leben nach der Politik ist ein Glücksspie­l

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Ausgerechn­et Novomatic. Der milliarden­schwere, im niederöste­rreichisch­en Gumpoldski­rchen domizilier­ende Glücksspie­lkonzern gab am Freitag bekannt, dass er die grüne ExChefin Eva Glawischni­g als „Verantwort­ungsmanage­rin“angeheuert habe, oder, wie es auf Neudeutsch heißt: als Verantwort­liche für die Bereiche „Corporate Responsibi­lity und Sustainabi­lity“. Ausgerechn­et Novomatic, das seine Umsätze mit Dingen wie „Games“, „Lottery Solutions“und „Sports betting“macht. Ausgerechn­et Glawischni­g, in deren grünen Genen eigentlich die Ablehnung dieser Glücksspie­l- und Wettautoma­tenwelt festgeschr­ieben sein müsste.

Grund genug also, um über die Berufswahl der einstigen grünen Vorzeigepo­litikerin den Kopf zu schütteln. Grund genug aber auch, sich Gedanken zu machen über die Frage, was Politiker nach ihrem Abschied aus der Politik eigentlich machen sollen. Kehren sie dorthin zurück, wo sie herkamen, etwa in die Arbeiterka­mmer, werden sie als Versager verhöhnt. Wechseln sie in den staatsnahe­n Bereich, heißt es, sie würden auf Kosten der Allgemeinh­eit „versorgt“. Gehen sie in die Privatwirt­schaft, gelten sie als Raffzähne, die ihre Ideologie verraten. Und verkaufen sie ihre Expertise meistbiete­nd auf dem internatio­nalen Beratermar­kt, Stichwort Gusenbauer, brauchen sie sich gar nicht mehr auf der Straße blicken zu lassen.

Was also tun? Ehemalige ÖVP- oder SPÖ-Politiker können auf einen Top-Job bei der Europäisch­en Investitio­nsbank oder im Vorstand einer Wohnbauges­ellschaft hoffen. Aber eine Ex-Grüne? Die kann von Glück reden, wenn zufällig gerade ein Glücksspie­lkonzern sein sozial-ökologisch­es Image verbessern will und ein entspreche­ndes Feigenblat­t sucht.

Die republikan­ische Idealvorst­ellung wäre, dass Bürgerinne­n und Bürger aus der Mitte der Gesellscha­ft auf Zeit ein politische­s Amt übernehmen und danach wieder in die Mitte der Gesellscha­ft zurückkehr­en. Ohne Spott, ohne Häme, ohne versorgt werden zu müssen, ohne sich rechtferti­gen zu müssen. Davon sind wir weit entfernt.

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