Ein Roter will Landeskaiser werden
Nur noch drei Parteien im Kärntner Landtag? Oder doch fünf? Gar sechs? Sicher ist bloß, dass Peter Kaiser die Landtagswahl gewinnen wird. Aber wer wird regieren?
Stell dir vor, es ist Landtagswahl und man wird nicht auf Schritt und Tritt durch visuell aufdringliche und in ihren Botschaften hohle Wahlplakate belästigt. Wer in diesen Tagen durch Klagenfurt spaziert, muss gar nicht bemerken, dass morgen, Sonntag, ein Urnengang bevorsteht. Eine Beschränkung der Wahlkampfkosten auf 590.000 Euro pro Partei sowie das Positivbeispiel der SPÖ, die bei der Wahl 2013 auch ohne Plakatflut einen Triumph errungen hatte, haben offenbar zu einem kollektiven Umdenken geführt. Kärnten zeigt vor: Es geht auch anders. Ohne Materialschlacht. Small is beautiful.
Keine aggressiven wechselseitigen Diffamierungen, kein Wahlkampf auf Kosten von Minderheiten, keine übertriebenen Ankündigungen, keine überbordende Brot-und-Spiele-Mentalität, keine martialische Hochstilisierung eines Urnengangs zur „Mutter aller Schlachten“: Der nun zu Ende gehende Kärntner Landtagswahlkampf bescheinigt allen wahlwerbenden Parteien eine demokratische Reife, das südlichste Bundesland Österreichs scheint wieder in der Normalität angekommen zu sein. Der totale Finanzcrash nach dem Hypo-Heta-Debakel konnte bekanntlich gerade noch verhindert werden, das Wissen, dass man nur „arschknapp“am Konkurs vorbeigesegelt ist, erzeugt im immer noch hochverschuldeten Bundesland eine gewisse Demut. Auch in der Bevölkerung. In dieser Art Katerstimmung, in der aber erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung sicht- und spürbar werden, scheint ein „unglamouröser Landeshauptmann“(profil) wie Peter Kaiser einem neuerlichen Wahlerfolg entgegenzugehen. Umfragen bescheren dem stets seriös und korrekt auftretenden 59-jährigen SPÖ-Politiker rund 44 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren, als die Kärntner Bevölkerung in der Wahlzelle eine geharnischte Abrechnung mit dem System Haider und den Umtrieben seiner politischen Erben vorgenommen hatte, waren die Sozialdemokraten auf 37,1 Prozent der Stimmen gekommen. Zugute kommt Kaiser sicher das Schwächeln der durch internen Zwist, eine Abspaltung und die Krise der Bundespartei aus der Bahn geworfenen Grünen. Landessprecher Rolf Holub muss 12,1 Prozent verteidigen, wobei Meinungsforscher es nicht ausschließen, dass die Grünen diesmal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten. Damit wäre dann auch das Experiment einer Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen Geschichte. Und dann? Selbst wenn neben den Grünen das Team Kärnten und die Neos den Einzug in den Landtag verpassen sollten, würde sich für die SPÖ eine absolute Mandatsmehrheit wohl nur schwer ausgehen. SPÖ-Chef Peter Kaiser hat mehrfach dargelegt, mit allen Parteien, also auch mit der von Gernot Darmann angeführten FPÖ Gespräche führen zu wollen. Der 42-jährige gebürtige Grazer, der auf seinen Werbemitteln auf das Antlitz von Bundesparteichef Heinz-Christian Strache verzichtet hat, hätte auch nichts gegen eine rot-blaue Zusammenarbeit einzuwenden, wie er mehrfach betont hat. Den von ihm kritisierten Stillstand im Land will er beenden, wer für ihn votiere, wähle den Fortschritt, sagt Darmann. Dass Blau in Kärnten wieder im Kommen ist, zeigte nicht zuletzt die Nationalratswahl. Die FPÖ errang fast 32 Prozent und verwies die SPÖ auf Platz zwei.
Blau oder Schwarz? Bei der Landtagswahl dürfte das Match um Platz zwei der nicht vordergründig auf Zwiespalt und Eskalation setzende FPÖ-Politiker für sich entscheiden können. Dem eher glanzlosen Kärntner ÖVP-Chef Christian Benger bleibt die Hoffnung auf einen Sebastian-Kurz-Effekt, wie viel der 55-jährige Bregenzer auf die zuletzt errungenen 14,4 Prozent wird aufdoppeln können, ist aber ungewiss. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass am Wahltag sowohl SPÖ, FPÖ als auch ÖVP ein Plus verzeichnen können: Drei Wahlsieger also auch in Kärnten. Für ein Spannungselement sorgt das Antreten von insgesamt zehn Parteien und Listen, das von Gerhard Köfer angeführte Team Kärnten darf sich durchaus Hoffnung auf den Einzug in den Landtag machen. Auch die Neos haben – anders als das BZÖ, die Liste Erde, die Liste F.A.I.R. und die in drei Wahlkreisen kandidierende KPÖ – realistische Chancen. Mit den ganz großen politischen Umbrüchen ist diesmal in Kärnten aber nicht zu rechnen. Wohl aber könnte der Landtag ein neues Aussehen bekommen: vom Dreiparteienlandtag bis zum Sechsparteienlandtag scheint alles möglich zu sein.
Je mehr Parteien, desto mehr Koalitionsmöglichkeiten gibt es auch für Peter Kaiser, der mit einem Wahlsieg sein Image als Personalreserve der Bundes-SPÖ weiter stärken könnte. Er, dem einst auch intern vorgeworfen worden war, „zu intellektuell“und „zu spröde“zu sein, entpuppt sich zunehmend als Zukunftshoffnung der Sozialdemokratie. Am Sonntag könnte er sich wieder zum Landeskaiser krönen.
Das Schwächeln der Grünen nützt dem roten Landeshauptmann