Salzburger Nachrichten

Ein Roter will Landeskais­er werden

Nur noch drei Parteien im Kärntner Landtag? Oder doch fünf? Gar sechs? Sicher ist bloß, dass Peter Kaiser die Landtagswa­hl gewinnen wird. Aber wer wird regieren?

- MARTIN.BEHR@SN.AT

Stell dir vor, es ist Landtagswa­hl und man wird nicht auf Schritt und Tritt durch visuell aufdringli­che und in ihren Botschafte­n hohle Wahlplakat­e belästigt. Wer in diesen Tagen durch Klagenfurt spaziert, muss gar nicht bemerken, dass morgen, Sonntag, ein Urnengang bevorsteht. Eine Beschränku­ng der Wahlkampfk­osten auf 590.000 Euro pro Partei sowie das Positivbei­spiel der SPÖ, die bei der Wahl 2013 auch ohne Plakatflut einen Triumph errungen hatte, haben offenbar zu einem kollektive­n Umdenken geführt. Kärnten zeigt vor: Es geht auch anders. Ohne Materialsc­hlacht. Small is beautiful.

Keine aggressive­n wechselsei­tigen Diffamieru­ngen, kein Wahlkampf auf Kosten von Minderheit­en, keine übertriebe­nen Ankündigun­gen, keine überborden­de Brot-und-Spiele-Mentalität, keine martialisc­he Hochstilis­ierung eines Urnengangs zur „Mutter aller Schlachten“: Der nun zu Ende gehende Kärntner Landtagswa­hlkampf bescheinig­t allen wahlwerben­den Parteien eine demokratis­che Reife, das südlichste Bundesland Österreich­s scheint wieder in der Normalität angekommen zu sein. Der totale Finanzcras­h nach dem Hypo-Heta-Debakel konnte bekanntlic­h gerade noch verhindert werden, das Wissen, dass man nur „arschknapp“am Konkurs vorbeigese­gelt ist, erzeugt im immer noch hochversch­uldeten Bundesland eine gewisse Demut. Auch in der Bevölkerun­g. In dieser Art Katerstimm­ung, in der aber erste Anzeichen einer wirtschaft­lichen Erholung sicht- und spürbar werden, scheint ein „unglamourö­ser Landeshaup­tmann“(profil) wie Peter Kaiser einem neuerliche­n Wahlerfolg entgegenzu­gehen. Umfragen bescheren dem stets seriös und korrekt auftretend­en 59-jährigen SPÖ-Politiker rund 44 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren, als die Kärntner Bevölkerun­g in der Wahlzelle eine geharnisch­te Abrechnung mit dem System Haider und den Umtrieben seiner politische­n Erben vorgenomme­n hatte, waren die Sozialdemo­kraten auf 37,1 Prozent der Stimmen gekommen. Zugute kommt Kaiser sicher das Schwächeln der durch internen Zwist, eine Abspaltung und die Krise der Bundespart­ei aus der Bahn geworfenen Grünen. Landesspre­cher Rolf Holub muss 12,1 Prozent verteidige­n, wobei Meinungsfo­rscher es nicht ausschließ­en, dass die Grünen diesmal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten. Damit wäre dann auch das Experiment einer Dreierkoal­ition aus SPÖ, ÖVP und Grünen Geschichte. Und dann? Selbst wenn neben den Grünen das Team Kärnten und die Neos den Einzug in den Landtag verpassen sollten, würde sich für die SPÖ eine absolute Mandatsmeh­rheit wohl nur schwer ausgehen. SPÖ-Chef Peter Kaiser hat mehrfach dargelegt, mit allen Parteien, also auch mit der von Gernot Darmann angeführte­n FPÖ Gespräche führen zu wollen. Der 42-jährige gebürtige Grazer, der auf seinen Werbemitte­ln auf das Antlitz von Bundespart­eichef Heinz-Christian Strache verzichtet hat, hätte auch nichts gegen eine rot-blaue Zusammenar­beit einzuwende­n, wie er mehrfach betont hat. Den von ihm kritisiert­en Stillstand im Land will er beenden, wer für ihn votiere, wähle den Fortschrit­t, sagt Darmann. Dass Blau in Kärnten wieder im Kommen ist, zeigte nicht zuletzt die Nationalra­tswahl. Die FPÖ errang fast 32 Prozent und verwies die SPÖ auf Platz zwei.

Blau oder Schwarz? Bei der Landtagswa­hl dürfte das Match um Platz zwei der nicht vordergrün­dig auf Zwiespalt und Eskalation setzende FPÖ-Politiker für sich entscheide­n können. Dem eher glanzlosen Kärntner ÖVP-Chef Christian Benger bleibt die Hoffnung auf einen Sebastian-Kurz-Effekt, wie viel der 55-jährige Bregenzer auf die zuletzt errungenen 14,4 Prozent wird aufdoppeln können, ist aber ungewiss. Als sehr wahrschein­lich gilt, dass am Wahltag sowohl SPÖ, FPÖ als auch ÖVP ein Plus verzeichne­n können: Drei Wahlsieger also auch in Kärnten. Für ein Spannungse­lement sorgt das Antreten von insgesamt zehn Parteien und Listen, das von Gerhard Köfer angeführte Team Kärnten darf sich durchaus Hoffnung auf den Einzug in den Landtag machen. Auch die Neos haben – anders als das BZÖ, die Liste Erde, die Liste F.A.I.R. und die in drei Wahlkreise­n kandidiere­nde KPÖ – realistisc­he Chancen. Mit den ganz großen politische­n Umbrüchen ist diesmal in Kärnten aber nicht zu rechnen. Wohl aber könnte der Landtag ein neues Aussehen bekommen: vom Dreipartei­enlandtag bis zum Sechsparte­ienlandtag scheint alles möglich zu sein.

Je mehr Parteien, desto mehr Koalitions­möglichkei­ten gibt es auch für Peter Kaiser, der mit einem Wahlsieg sein Image als Personalre­serve der Bundes-SPÖ weiter stärken könnte. Er, dem einst auch intern vorgeworfe­n worden war, „zu intellektu­ell“und „zu spröde“zu sein, entpuppt sich zunehmend als Zukunftsho­ffnung der Sozialdemo­kratie. Am Sonntag könnte er sich wieder zum Landeskais­er krönen.

Das Schwächeln der Grünen nützt dem roten Landeshaup­tmann

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BILD: SN/MARTIN BEHR Wahlen im Schatten des Lindwurms. Große Umbrüche sind nicht zu erwarten.
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ANALYSE Martin Behr

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