Salzburger Nachrichten

London kündigt Kompromiss­e an

In ihrer mit Spannung erwarteten Grundsatzr­ede zum Brexit blieb die britische Premiermin­isterin wie üblich vage. Doch „das Leben wird anders sein“, betonte sie.

- KATRIN PRIBYL

LONDON. Theresa May musste wieder einmal umplanen. Eigentlich wollte die britische Premiermin­isterin von Newcastle aus ihre groß angekündig­te Ansprache halten, die die frostige Atmosphäre zwischen London und Brüssel erwärmen sollte. Doch der Nordosten Englands war wegen des für das Königreich ungewöhnli­chen Winterwett­ers mit Schneestür­men und eisigen Winden schwer erreichbar. Ob ihre Rede, nun in der Londoner City gehalten, die Gemüter auf dem Kontinent beruhigen konnte, darf bezweifelt werden, wie erste kritische Reaktionen von EU-Abgeordnet­en zeigten. Immerhin, die Regierungs­chefin hat versöhnlic­he Töne angeschlag­en und Kompromiss­bereitscha­ft signalisie­rt. „Dies sind Verhandlun­gen – keiner von uns kann genau das bekommen, was er will“, sagte sie in der Ansprache, die von den meisten Kommentato­ren auf der Insel für ihren „Realitätss­inn“gelobt wurde. „Wir alle müssen uns einigen harten Tatsachen stellen“, so May. „Wir verlassen den Binnenmark­t. Das Leben wird anders sein.“Gleichzeit­ig zeigte sie sich zuversicht­lich, dass ein umfassende­r Deal mit der EU, der die meisten Wirtschaft­sbereiche einschließ­e, möglich sei. Man strebe die „breiteste und tiefste Partnersch­aft“mit der EU an.

Die Regierungs­chefin führte aber vor allem aus, was ihre Regierung nicht will. May lehnte – wie bereits zuvor – sowohl ein reines Handelsabk­ommen als auch eine Mitgliedsc­haft im gemeinsame­n Binnenmark­t ab. Eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland schloss May aus, betonte aber, dass das Königreich trotzdem aus der Zollunion austreten werde, aber ein eigenes Zollabkomm­en schließen wolle.

Wie das alles in der Praxis funktionie­ren soll? Darauf gibt es noch keine Antwort.

May erwähnte vage, dass sie sich ein Zollabkomm­en mit der Europäisch­en Union, das Kontrollen überflüssi­g machen soll, wünscht. Sie will auf Abmachunge­n, die auf Vertrauen basieren, und auf technologi­sche Lösungen setzen, die so jedoch noch nicht existieren, wie Beobachter kritisiere­n. Die EU hat zudem stets deutlich gemacht, dass sich Großbritan­nien entscheide­n muss: entweder einen reibungslo­sen Warenverke­hr an den Grenzen oder die Freiheit, Handelsver­träge mit Drittstaat­en abzuschlie­ßen.

Der Friedenspr­ozess in Nordirland dürfe durch den EU-Austritt nicht gefährdet werden, betonte May weiter. Tatsächlic­h ist auf der irischen Insel die Sorge groß, dass 20 Jahre nach dem Karfreitag­sabkommen erneut Spannungen aufflammen könnten, sollte es wieder eine harte Grenze geben. Das wollen beide Verhandlun­gsseiten verhindern.

Offiziell tritt Großbritan­nien am 29. März 2019 aus der Europäisch­en Union aus, im Anschluss soll es eine Übergangsp­hase geben. Doch auch dafür sind die Bedingunge­n noch unklar.

Die EU fordert, dass das Königreich in dieser Zeit weiterhin alle Pflichten eines Mitgliedss­taates erfüllt – allerdings ohne Mitsprache­recht. Dagegen aber sträuben sich die Brexit-Anhänger auf der Insel vehement. Man sei einer Lösung nahe, sagte May am Freitag.

Wie diese aussehen könnte, ließ sie offen.

„Müssen uns den Tatsachen stellen.“Theresa May, Premiermin­isterin

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