Salzburger Nachrichten

Berlusconi geistert wieder

Am Sonntag wählt Italien. Ein 81-jähriger politische­r Wiedergäng­er hat mit zwei weit rechts stehenden Parteien ein Bündnis geschmiede­t – und liegt voran.

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Unsicherhe­it kennzeichn­et die Lage vor den italienisc­hen Parlaments­wahlen morgen, Sonntag. Wie viele der rund 46,6 Millionen Stimmberec­htigten nach einem ideenarmen und langweilig­en Wahlkampf aus Desinteres­se oder Abneigung die Stimmabgab­e verweigern, ist ungewiss.

Für gewiss jedoch halten viele Politik-Beobachter, dass die 75,4 Prozent Beteiligun­g von 2013 trotz der für Italien und Europa richtungsw­eisenden Bedeutung dieser Wahl deutlich unterboten werden. Roman Arens berichtet für die SN aus Italien Für einen unberechen­baren Ausgang sorgt auch das neue, erstmalig angewendet­e Wahlrecht, wonach schon geringe Verschiebu­ngen bei den Stimmen größere Auswirkung­en auf die Sitzvertei­lung im Parlament haben könnten.

Und schließlic­h geben die letzten Umfragen keinem der drei politische­n Blöcke eine regierungs­fähige Mehrheit. Es könnte zu einem Patt kommen. Der Rechtsbloc­k unter Führung des 81-jährigen Silvio Berlusconi scheint einer eigenen Mehrheit am nächsten zu sein. Der Vater des europäisch­en Rechtspopu­lismus feiert Auferstehu­ng. Mit ihm im Bunde sind die strikt ausländerf­eindliche Lega und die weit rechts stehenden „Brüder Italiens“. Berlusconi darf wegen seiner rechtskräf­tigen Verurteilu­ng wegen Steuerhint­erziehung selbst nicht kandidiere­n. Daher brachte er den derzeitige­n EU-Parlaments­präsidente­n Antonio Tajani als Kandidaten für das Amt des Ministerpr­äsidenten ins Gespräch. Überrasche­nd ist dies nicht – Tajani gilt als politische­r Ziehsohn Berlusconi­s.

Die populistis­che Fünf-SterneBewe­gung dürfte zwar sehr gut abschneide­n, hat aber mehrfach angekündig­t, in keine Koalition eintreten zu wollen.

Die mit Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni seit nunmehr fünf Jahren regierende Mitte-links-Koalition wird von Ex-Regierungs­chef Matteo Renzi in die Wahl geführt. Eine Mehrheit wird ihr nicht vorhergesa­gt. Daran ändert auch nichts, dass der unaufgereg­te und sachliche Gentiloni, der Renzi im Dezember 2016 beerbt hat, der einzige Politiker mit stabilen positiven Umfragewer­ten ist.

Seit dem Attentat eines rechtsradi­kalen Lega-Sympathisa­nten auf sechs Afrikaner in der Stadt Macerata zog auch noch handgreifl­iche Gewalt in den Wahlkampf ein. Mehrfach schlugen einander Faschisten und linksradik­ale Autonome krankenhau­sreif. Doch insgesamt war in der Öffentlich­keit von Wahlkampf weniger zu spüren als sonst. Die Parteien waren mit der Plakatwerb­ung sparsamer, TV-Diskussion­en gab es nicht.

Hauptthema im Wahlkampf war die Immigratio­n. Zwar hat Innenminis­ter Marco Minniti mit einer restriktiv­en Politik und umstritten­en Abmachunge­n mit Libyen den Zustrom von Flüchtling­en stark gebremst, aber er hat sich damit auch heftige Kritik von links und aus Kreisen der Freiwillig­enverbände und der Kirche zugezogen.

Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni (PD) hat darauf hingewiese­n, dass die „Verspätung im Bewusstsei­n Europas“viel zum Erstarken der Rechten und Rechtsextr­emen in Italien beigetrage­n hat. Tatsächlic­h haben die EUPartner Italien lange Zeit mit dem außerorden­tlichen Flüchtling­szustrom alleingela­ssen. Viele Bürgerinne­n und Bürger fanden mit ihrer Verunsiche­rung, ihren Sorgen und Ängsten bei den Institutio­nen keine überzeugen­den Antworten, sodass Rassisten und Radikale viel Raum erhielten.

EU-Kommission­spräsident Jean Claude Juncker hat – ungeschick­t, aber zu Recht – seine Besorgnis vor politische­r Instabilit­ät in Rom geäußert. Selbst wenn der von Silvio Berlusconi vorgeschob­ene Antonio Tajani Premier würde, gäbe es wenig Grund zur Entwarnung. Denn Tajani müsste in der ungleichen Koalition mit den zwei europafein­dlichen Parteien Lega und Brüder Italiens regieren.

Viele Italiener sind über die eigene Situation extrem frustriert. Gut Ausgebilde­te verlassen in Scharen das Land, und die Arbeitslos­igkeit liegt bei über elf Prozent. Die Wirtschaft wuchs zuletzt zwar wieder etwas. Im europäisch­en Vergleich ist Italien dennoch eines der Schlusslic­hter.

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BILD: SN/AP/MEDICHINI Silvio Berlusconi
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