Puigdemont streicht die Segel
Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont erklärte aus dem Exil in Brüssel den Verzicht auf das Amt. Seinen Ersatzkandidaten aber lehnt Madrid ab. Und Kataloniens zweitgrößte Separatistenpartei erhebt eigene Ansprüche.
Carles Puigdemont musste davon abrücken, sich wieder zum Ministerpräsidenten Kataloniens wählen zu lassen. Doch er will sich einen neuen Posten schaffen: als Chef einer Parallelregierung in Brüssel. Er wolle in Belgien eine „Republikregierung gründen“, kündigte er jetzt an, „damit diese den Weg zur Unabhängigkeit anführt“.
In seiner jüngsten Videobotschaft aus dem Brüsseler Exil hatte Puigdemont erklärt, er werde „vorläufig“auf seinen Plan, sich erneut zum katalanischen Regierungschef wählen zu lassen, verzichten. Die seit Dezember andauernde politische Blockade in Katalonien wird damit nicht aufgelöst. Denn ein chancenreicher Ersatzkandidat ist nicht in Sicht.
Puigdemont hat ersatzweise als neuen Amtsanwärter Jordi Sànchez vorgeschlagen, den ehemaligen Vorsitzenden der mächtigen separatistischen Bürgerinitiative ANC und Nummer zwei auf Puigdemonts Wahlliste „Junts per Catalunya“(Zusammen für Katalonien). Der 53-Jährige hat allerdings auch ein großes Problem im Falle einer Kandidatur – er sitzt in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird, genauso wie gegen Puigdemont, wegen des Verdachts, die katalanische Bevölkerung im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen zum Ungehorsam gegen den spanischen Staat aufgerufen zu haben, ermittelt.
Die Zentralregierung in Madrid hat sich am Freitag wenig überraschend gegen die Sànchez-Kandidatur ausgesprochen. „Jemand, der im Gefängnis sitzt, kann kaum eine Region repräsentieren“, sagte Spaniens Vizeregierungschefin und Katalonien-Beauftragte Soraya Sáenz de Santamaría. Letztlich müsse der ermittelnde Richter entscheiden, ob der Untersuchungshäftling an einer Parlamentssitzung teilnehmen könne, um sein Regierungsprogramm zu präsentieren und sich der Abstimmung der Abgeordneten zu stellen. Auch ein offizieller Vorschlag zur Sanchez-Kandidatur durch den katalanischen Parlamentspräsidenten Roger steht bislang noch aus.
Sànchez, einer der bekanntesten Unabhängigkeitsaktivisten Kataloniens, sah derweil keine Hindernisse und ließ per Twitter wissen: „Es ist eine große Ehre und eine enorme Verantwortung, Kataloniens Volk repräsentieren zu können.“
Dazu muss Sànchez aber noch Überzeugungsarbeit innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung, die Torrent von Puigdemonts Liste angeführt wird, leisten. Denn es regt sich Widerspruch gegen Sànchez. Zum Beispiel in Kataloniens zweitgrößter Separatistenpartei „Esquerra Republicana“(Republikanische Linke), die ebenfalls Anspruch auf den Regierungsposten erhebt. Esquerra-Sprecher Sergi Sabrià brachte am Freitag seinen Parteichef Oriol Junqueras ins Spiel, der bis Oktober unter Puigdemont Vizeregierungschef gewesen war: „Wenn Puigdemont nicht mehr Kandidat ist, sollte es Junqueras sein.“Der hat ebenfalls ein Problem: Er sitzt wie Sànchez wegen mutmaßlicher Straftaten im Zusammenhang mit den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen in U-Haft.