Salzburger Nachrichten

„Es ist ein Krimi“

Auf „Die Walküre“folgt „Tosca“: Nach dem großen Erfolg der Jubiläumss­aison stellen die Osterfests­piele Salzburg 2018 die Oper von Giacomo Puccini in den Mittelpunk­t.

- MR

„Tosca“ist eines der beliebtest­en Werke des italienisc­hen Verismo seit seiner Uraufführu­ng im Jahr 1900, insbesonde­re weil es dem Komponiste­n auf geniale Weise gelungen ist, eine verdichtet­e, kurzweilig­e Handlung mit spannungsg­eladener Musik voller Energie und Emotion zu verbinden. „Tosca“spielt im Jahr 1800 und hat einen politische­n Hintergrun­d (kurzgefass­t: Französisc­he Revolution versus Restaurati­on bzw. Freiheitsk­ampf versus Unterdrück­ung), stellt jedoch Gefühle und zwischenme­nschliche Konstellat­ionen in den Vordergrun­d.

„Es geht bei ,Tosca‘ um Menschen in Extremsitu­ationen. Und das ist unfassbar gut in einen sehr kurzen, intensiven Abend gezeichnet“, erklärt Regisseur Michael Sturminger, der in Salzburg nun bereits zum dritten Mal binnen kurzer Zeit inszeniert – nach Sciarrinos „Lohengrin“bei den letzten Osterfests­pielen und „Jedermann“im Sommer.

Dass „Tosca“an festgelegt­en, damals wie heute existenten realen Orten in Rom, an zwei definierte­n Tagen und sogar zu vorgegeben­en Tageszeite­n spielt, sei „ein wenig das Problem dieser Oper“, erläutert Sturminger die Herausford­erungen der Neuinszeni­erung. Diese Oper sei „einerseits ein derart präzises Uhrwerk, in dem man nichts ändern kann“, anderersei­ts brauche es „für eine interessan­te Operninsze­nierung aber auch immer die Überraschu­ng, die Neudeutung, um die Geschichte lebendig zu zeigen“.

Worin bestehen die Herausford­erungen für den Dirigenten? „,Tosca‘ ist ein dirigentis­ches Problem wegen des hin und wieder sehr stark spielenden Orchesters“, erklärt Christian Thielemann, der Künstleris­che Leiter der Osterfests­piele Salzburg, der die Oper musikalisc­h leiten wird. „Wenn man das Orchester zu sehr anheizt, haben die Sänger das Nachsehen. Das Stück ist sehr farbig instrument­iert, aber eben auch sehr kräftig.“

Es gilt also zu dosieren – ein Thema, mit dem sich Christian Thielemann in den vergangene­n Jahren eingehend auseinande­rgesetzt hat, sowohl was Opern als auch symphonisc­he Werke anbelangt. „Eine Achte Symphonie von Bruckner muss sorgfältig­st bedacht werden, wie weit man gewisse Spannungsb­ögen hochtreibt oder nicht – wie auch bei einer Oper wie der ,Tosca‘. Ich hatte allzu oft beim Anhören von Symphonien, etwa von Mahler, das Gefühl, dass das, was schon aufgeschäu­mt war, noch weiter aufgeschäu­mt wurde. Ich habe mich intensiv mit Richard Strauss beschäftig­t. Wenn Sie eine ,Elektra‘ so dirigieren, wie es in der Partitur steht, mit all den Fortissimi, dann sind sie nach der Hälfte des Stücks fix und fertig, und das Publikum ist es auch, weil es so laut ist, dass die Leute ihre Ohren zustöpseln müssen. Wenn Sie Mahler, etwa die Dritte, die wir heuer zu Ostern spielen, mit dieser verzehrend­en Intensität machen, kommt auch da ein Punkt, wo man bei einer anderthalb­stündigen Symphonie einfach nicht mehr kann.“

Doch zurück zu „Tosca“. Nach langer Zeit dirigiert Christian Thielemann diese Oper erneut. Was ist für ihn das Besondere an diesem Werk? „Mich hat ,Tosca‘ immer fasziniert, weil die Leidenscha­ften so ungezügelt sind. Irgendwie erinnert mich das an ,Tristan und Isolde‘. Bei ,Tosca‘ kommt man ohne Umschweife zum Punkt, noch direkter als beim ,Tristan‘. Das ist alles kondensier­t, auf den Punkt gebracht, da ist wirklich auch nicht ein einziger Moment überflüssi­g“, schwärmt Thielemann. „Puccini hat alles wunderbar austariert, auch die Arien, etwa im dritten Akt, oder die ,Tosca‘-Arie im zweiten Akt. Deswegen ist dieses Stück auch so berühmt geworden. Abgesehen davon hört man auch gern zu, weil es einfach sehr gute Musik ist. Aber wie immer gilt: Sehr gute Musik muss auch dramaturgi­sch gut verpackt sein. Und das hat Puccini in einer einmaligen Art und Weise hinbekomme­n. Das Stück ist nicht lang, das hat seine Vorteile, es ist sozusagen kurz und bündig. Es ist ein Krimi.“

Dieser „Krimi“ist bei den Osterfests­pielen Salzburg 2018 hochkaräti­g besetzt. Die „Diva“Anja Harteros verkörpert als Titelfigur Floria Tosca eine Operndiva auf der Bühne. Als ihr Geliebter Mario Cavaradoss­i ist Aleksandrs Antoņenko zu erleben, einer der weltweit führenden Spinto-Tenöre, und als Gegenspiel­er Scarpia der Bariton Ludovic Tézier, der nicht nur in dieser Rolle internatio­nal sehr gefragt ist.

Für Christian Thielemann ist Anja Harteros eine Idealbeset­zung, nicht zuletzt, weil auch die Sopranisti­n zurückhalt­end und eben nicht klischeeha­ft-divenhaft agiert. „Sie hat eine unglaublic­he Natürlichk­eit, mit der sie die Rollen singt, die sie sich aussucht. Sie hat außerdem eine so große Affinität zum Italienisc­hen, eine unglaublic­h gute Aussprache. Und dann passt ihre Stimme für ,Tosca‘ einfach perfekt, das ist ein rarer Glücksfall. Ich mag sie auch deshalb sehr, weil sie keine exaltierte Person ist, weder als Mensch noch auf der Bühne. Ich habe bei ihr immer das Gefühl, dass sie eine Art Geschmacks­filter einsetzt. Sie tut auch ihrer Stimme nicht weh, was mich sehr freut in Bezug auf ,Tosca‘, denn Opern wie diese oder ,Madama Butterfly‘ können, wenn man outriert, bis ins Lächerlich­e verzerrt werden. Und da den Geschmack zu wahren ist eine große Kunst, das gilt für alle Beteiligte­n, den Dirigenten genauso. Das spielt bei Puccini überhaupt eine sehr große Rolle: dass man die Süße und die Dramatik kanalisier­t, ohne allzu viele Zügel anzulegen, aber einige eben schon.“

Nicht nur Anja Harteros streut Christian Thielemann Rosen, sondern auch seinem Orchester, der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden, deren Chefdirige­nt er seit 2012 ist: „Mir fällt bei der Staatskape­lle immer als Erstes Klangbewus­stsein und Noblesse ein. Sie können das als Eleganz bezeichnen. Das Orchester spielt nobel. Es ist keines, das – wie man auf Italienisc­h sagt – effetti veristici einsetzt. Das bringt uns dazu, an Partituren wie ,Tosca‘ bedachtsam­er heranzugeh­en. Ich habe von meinem Orchester noch nie ein hässliches Fortissimo gehört. Das ist ein großes Kompliment, glaube ich.“Für einen wohldosier­ten Krimi ist also gesorgt.

„,Tosca‘ ist wie ein Uhrwerk, an dem man nichts änden kann. Das ist ein wenig das Problem.“Michael Sturminger, Regisseur „Das Stück ist nicht lang, es ist sozusagen kurz und bündig. Es ist ein Krimi.“Christian Thielemann, Dirigent

 ?? BILD: SN/OFS/WILDBILD ?? Regisseur Michael Sturminger probt mit Rupert Grössinger, Ludovic Tézier und Matteo Peirone die Oper „Tosca“.
BILD: SN/OFS/WILDBILD Regisseur Michael Sturminger probt mit Rupert Grössinger, Ludovic Tézier und Matteo Peirone die Oper „Tosca“.
 ?? BILD: SN/OFS ?? Christian Thielemann leitet die Sächsische Staatskape­lle Dresden.
BILD: SN/OFS Christian Thielemann leitet die Sächsische Staatskape­lle Dresden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria