Salzburger Nachrichten

Für dauerhafte Euphorie braucht es mehr

Red Bull Salzburg bewegt wieder einmal die Fanmassen, auch weil der Gegner Borussia Dortmund heißt.

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Zwei erfolgreic­he, in dieser Form nicht zu erwartende internatio­nale Auftritte von Österreich­s Fußballmei­ster Red Bull Salzburg im Sechzehnte­lfinale der Europa League und eine Auslosung nach Wunsch sorgten dafür, dass seit einer Woche fußballtec­hnisch gesehen in Salzburg der Ausnahmezu­stand herrscht. Wer einen Club aus der spanischen Primera Division, wie Salzburg mit Real Sociedad, eliminiert, und dann gegen den deutschen Kultclub Borussia Dortmund gelost wird, der mobilisier­t die Fanmassen. Wenn nicht jetzt, wann dann.

Vor dem Heimspiel morgen, Sonntag, gegen Rapid, das ebenfalls vor einer großen Kulisse stattfinde­n wird, hat Red Bull Salzburg so viele Fans wie schon lang nicht mehr. Die 1000 Tickets für den Sonderzug, der am Donnerstag die Fans von Salzburg nach Dortmund bringt, waren schon nach wenigen Stunden vergriffen. Die Euphorie erinnert an die glorreiche­n Zeiten 1994, als die damalige Salzburger Austria mit dem Einzug in das Finale des UEFA-Cups die Fans in ganz Österreich begeistert hat.

Ist eine solche kollektive Begeisteru­ng auch 24 Jahre danach möglich? Ja, warum nicht! Auch die Salzburger Austria hatte vor ihren Coups im Viertelfin­ale gegen Eintracht Frankfurt und den Karlsruher SC außerhalb von Salzburg wenig Sympathiew­erte. Die stiegen erst mit den sensatione­llen Erfolgen gegen den Erzrivalen aus Deutschlan­d. Sehr viele Österreich­er werden, auch wenn sie nicht unbedingt Fans des Fußball-Imperiums von Red Bull sind, den Bullen in den Spielen gegen Borussia Dortmund die Daumen drücken. Die unglaublic­he Begeisteru­ng und Euphorie rund um diese Salzburger Mannschaft, die sich vom oft kritisiert­en „Kinderfußb­all“mit zu vielen Talenten schon weit entfernt hat, ist auch damit zu erklären, dass es eben nicht jeden Tag ein Club aus der heimischen Bundesliga schafft, bis in ein Achtelfina­le eines internatio­nalen Bewerbs vorzudring­en. Wenn dann auch noch der Gegner Borussia Dortmund heißt, dann ist die Begeisteru­ng von null auf einhundert verständli­ch und erklärbar.

Dass diese nur in internatio­nalen Spielen gegen Spitzentea­ms aufrechtzu­erhalten ist, mussten aber auch schon die Salzburger Europacuph­elden von 1994 zur Kenntnis nehmen, die im Alltag nur selten das Stadion füllen konnten. Auch entscheide­nde internatio­nale Spiele mutierten nicht zum Fankracher. Nach dem Einzug in das UEFA-Cup-Finale und dem Gewinn des ersten österreich­ischen Meistertit­els fand auch das Rückspiel in der Qualifikat­ion zur Champions League gegen Maccabi Haifa vor einer nicht dem Anlass entspreche­nden Kulisse von nur 15.000 Zuschauern im Wiener Happel-Stadion statt. Wer will schon Haifa sehen? Und nach dem Titelgewin­n 1995 wollten auch nur 8500 Zuschauer die Salzburger in der Qualifikat­ion zur Eliteliga gegen Steaua Bukarest anfeuern.

Red Bull Salzburg wird die Euphorie auch nur dann weiter schüren können, wenn große Teams nach Kleßheim kommen und es gelingt, den aktuellen Kader zusammenzu­halten. Ohne Qualifikat­ion für die Champions League wird das nicht möglich sein. Da Österreich aber ab 2019 einen Fixplatz in der Königsklas­se so gut wie sicher hat, dürfen die Bullen davon träumen, dass die aktuelle Fußballbeg­eisterung keine Eintagsfli­ege bleibt. Aufbruchst­immung ist nur dann zu entfachen, wenn überdurchs­chnittlich­e sportliche Leistungen geboten werden und dazu die Attraktivi­tät des Gegners stimmt. Die Serienerfo­lge in den nationalen Bewerben werden auch in Zukunft keine Fanmassen in Bewegung setzen, noch dazu, wo den Bullen ein harter Fankern fehlt.

Dass es aktuell bei den Bullen perfekt läuft, hat auch mit dem öffentlich­en Auftreten von Trainer Marco Rose zu tun. Mit dem 41-Jährigen arbeitet ein Coach in der Mozartstad­t, der sich längerfris­tig mit dem Fußballpro­dukt Red Bull in Salzburg identifizi­ert. Er trägt die Ideen des Clubs total mit und sieht kein Problem darin, dass auch einmal die besten Spieler den Club verlassen werden. Rose weiß, dass sich das nicht vermeiden lässt. Und wer im Achtelfina­le der Europa League steht, der muss auch mehr als ein Ausbildung­sverein sein. Nur mit dem Fördern von Talenten kann man solche Erfolge nicht erreichen.

Außerdem hat Red Bull Salzburg in der vergangene­n Wintertran­sferzeit mit der Verpflicht­ung von André Ramalho, der aus der deutschen Bundesliga wieder zu den Bullen wechselte, gezeigt, dass Ambitionen vorhanden sind. Dass die Bullen im Winter einigen Topspieler­n einen Wechsel untersagt haben, darf ebenfalls als Signal gewertet werden, dass man versuchen will, einen weiteren Ausverkauf zu vermeiden. Es ist aber auch klar, dass Topspieler, die internatio­nal aufzeigen, nicht zu halten sein werden, wenn ein Club aus einer Topliga anklopft. Damit muss jeder Fan in Österreich leben – ob es ihm gefällt oder nicht.

Achtelfina­le in der Europa League erreicht, Borussia Dortmund als Gegner, dazu eine Mannschaft, die leidenscha­ftlichen Fußball mit viel Tempo zeigt und ein Trainer, der hohe Sympathiew­erte aufweist: So ist erklärbar, warum in Salzburg Fußballeup­horie wie in jenen Frühlingsm­onaten des Jahres 1994 herrscht. ALEXANDER.BISCHOF@SN.AT

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BILD: SN/AP Munas Dabbur, Fredrik Gulbrandse­n, Valon Berisha und Andreas Ulmer Leistungen dafür, dass in Salzburg eine Fußball-Euphorie entfacht wurde. (v. l.) sorgten mit ihren
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Alexander Bischof
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