Von Murad bis Valentin
Die Muradisten sind unter uns. Keine Angst, das ist jetzt weder ansteckend noch so gefährlich, wie es klingt. Nein, sondern Muradisten nannte man früher die Gegner des Rauchens.
Ihr Ahnherr war der türkische Sultan Murad IV., der nach seiner Thronbesteigung im 17. Jahrhundert Tabakverkauf und Rauchen streng verbot. Er soll sogar verkleidet durch die Straßen der Hauptstadt geschlichen sein und jeden eigenhändig enthauptet haben, den er beim Tabakkonsum oder -handel erwischte. Ein militanter Muradist eben.
So gesehen gewinnt die bekannte Floskel „Nichtrauchen wie die Türken“eine geradezu bedrohliche Dimension. Da sind die heutigen Anti-Rauch-Aktivisten die reinsten Lämmchen dagegen.
Was den Sultan zu seiner rabiaten Ausdämpfungspolitik bewog, ist nicht bekannt. Die Sorge um die Volksgesundheit war damals noch nicht so sehr im Schwange. Eher lautet die Vermutung, dass er die Raucher in den Kaffeehäusern als potenzielle Verschwörer gegen seine Herrschaft ansah.
Auch in den Augen des alten Metternich ging der Tabakkonsum mit gefährlichen politischen Neigungen einher. Im Vormärz herrschte daher Rauchverbot. Das ungehinderte Rauchen auf der Straße war eine Errungenschaft der Revolution von 1848, auf die sich die Freiheitlichen bis heute gerne berufen.
Dazu passt eine Meldung, die neulich zu lesen war: Dass ohnehin nur noch FPÖ-Wähler rauchen würden. Das ist absolut glaubhaft, denn irgendwie müssen diese Menschen doch ihre Nerven beruhigen, wenn sie ihrer Partei neuerdings beim Regieren zusehen müssen.
Umso mehr Hochachtung ringen einem die Rauchgegner ab. Sie treibt nicht die Sorge um die Volks-, sondern explizit um die FPÖ-Wählergesundheit um. Sie sammeln Unterschriften, um den Blauen eine gesündere, langlebigere Anhängerschaft zu bescheren. Turban ab vor so viel Selbstlosigkeit!
Eine zweite Vermutung für die Gründe von Murads Muradismus lautet, dass er in jungen Jahren eine verheerende Feuersbrunst miterleben musste, die durch eine achtlos weggeworfene Wasserpfeife verursacht wurde. So gesehen wären seine Enthauptungstouren feuerpolizeilich intendiert gewesen.
Ein Opfer der Feuerpolizei war übrigens auch Karl Valentin. Kaum hatte der Kabarettist im München der 20er-Jahre ein Theater aufgemacht, sperrte er es auch schon wieder zu, und zwar aus Wut darüber, dass ihm feuerpolizeilich untersagt wurde, auf seiner eigenen Bühne eine Zigarre zu rauchen. Das war das Ende des Valentin-Theaters.
Dafür hat – um endlich das Thema zu wechseln – München heute ein Valentin-Museum. Genauer gesagt ein „Valentin-Karlstadt-Musäum“, welches, auch wenn hier nicht der Ort für Reisetipps ist, wärmstens empfohlen werden muss.
Das Musäum (Öffnungszeiten 11:01 bis 17:29 Uhr) ist ein Gesamtkunstwerk, das so denkwürdige Objekte wie den Original Winterzahnstocher (pelzverbrämt und „Von höchsten Herrschaften benutzt“) oder ein wassergefülltes Reindl („Geschmolzene Schneeskulptur“) enthält. Nicht im Musäum zu finden ist ein Hinweis, der ohnehin bekannt ist, nämlich dass es Falentin und nicht Walentin lauten muss. „Es heißt ja auch nicht „Ein Wolk, ein Reich, ein Wührer“, lautete einst Valentins Erläuterung dazu.
Apropos: Karl Valentin ist ein unerschöpflicher Quell bedenkenswerter Aussprüche. Hier eine kleine Auswahl.
Erstens (ganz zeitlos): „Die Zukunft war früher auch besser.“Zweitens (etwas optimistischer): „Heute ist die gute, alte Zeit von morgen.“Drittens (ganz grundsätzlich): „Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst würde es ja Wunst heißen.“Und viertens (besonders aktuell): „Wenn alle das Gleiche denken, wird nicht viel gedacht.“