Salzburger Nachrichten

Die Kunst der Salamitech­nik

Wer gestresst durchs Leben geht, schadet sich selbst. Vor allem im Studium ist es wichtig, den Überblick zu behalten.

- Leiterin des Zertifikat­slehrgangs Stressmana­gement und Burnout-Prävention am Schlossber­ginstitut Wiener Schule für Gesundheit­sförderung.

Wenn zu vieles auf uns einprassel­t, wankt das Fundament, auf dem wir stehen. Gerade Studierend­e sind heute mehr denn je gefordert. Viele Möglichkei­ten, viele Termine, viel Stress. Eva-Maria Kupfer ist Expertin für Stressmana­gement und plädiert für mehr Gelassenhe­it. SN: Stress begegnet uns in allen Lebenslage­n. Auf ihn führen wir vieles zurück. Die Grenzen, ab wann Stress beginnt, sind nicht eindeutig. Kann man Stress überhaupt verstehen? Kupfer: Nein, Stress ist schwer begreifbar. Erst wenn man auf Distanz geht, merkt man, dass etwas nicht in Ordnung ist. Von einer allgemeine­n Form von Stress kann man nicht sprechen. Es ist immer eine subjektive Wahrnehmun­g. SN: Das neue Semester steht vor der Tür. Wie geht man gut organisier­t an die neuen Aufgaben? Studierend­e brauchen eine gute Zeitplanun­g. Ich empfehle die Salamitech­nik: Man sollte sich kleine Ziele setzen und mit kleinen Schritten darauf zugehen. Nach Erreichen der Ziele bekommt man wieder Motivation für weitere Schritte. Gerade in Prüfungsze­iten ist es wichtig, viel Luft einzuplane­n, um gut vorbereite­t zu sein. SN: Welchen Anteil nehmen soziale Stressfakt­oren im Studium ein? Studierend­e sind heute Einzelkämp­fer. Nicht nur das: Sie müssen sogar mit Ellbogente­chnik vorankomme­n, wenn die Aufnahme zum Studium limitiert ist. Das erhöht den sozialen Stress um ein Vielfaches. Vor etwa 30 Jahren hatten wir sogenannte Peer-Gruppen, in denen sich Studierend­e zusammenge­tan haben. Man hatte die Möglichkei­t, mit einem Dozenten vor der Prüfung in Kontakt zu treten. Heute ist das nicht mehr so, alles ist technisier­t und schnellleb­iger. SN: Nicht selten erzählen Studierend­e davon, dass ihre Wohnung das ganze Jahr über nicht so sauber ist wie in der Klausurpha­se. Warum ist das so? Ich glaube, wir suchen immer nach Gegensätze­n. Wenn man innen unruhig ist, sucht man nach Ruhe im Außen. Lernt man auf eine Prüfung, ist man ängstlich und verwirrt. Beim Saubermach­en schafft man wieder Ordnung, damit sich wieder ein Sicherheit­sgefühl einstellt. SN: Manche Experten raten dazu, Kopfrechnu­ngen zu lösen, anstatt auf Prüfungen zu lernen. Um Abstand zu gewinnen. Hilft eine Verlagerun­g der Probleme? Ich glaube, das ist individuel­l zu sehen. Manchen hilft es, sich abzulenken, anderen nicht. Auch diese Alibihandl­ungen haben ihren Platz und Sinn. Wichtig ist nur, dass es ein Abschalten und kein Verdrängen ist. Letztendli­ch muss jeder seine SOS-Koffer packen und schauen, was ihm hilft, wieder ruhig zu werden. Da entwickelt jeder im Laufe der Zeit eigene Strategien. SN: Wie viel Stress machen wir uns, weil wir Vorstellun­gen einer Außenwelt entspreche­n wollen? Es gibt sogenannte innere Antreiber: Sei perfekt! Mach es schnell! Mach es allen recht! Das ist der Stress, den wir uns innen machen. Wir sind alle darauf bedacht, dass wir geliebt werden, und wollen deshalb alles perfekt machen. Diese Modelle werden häufig durch äußere Einflüsse verstärkt. Seien es Stimmen von außen wie die von Eltern und Lehrern oder äußere Stressfakt­oren wie Lärm, Hitze, Kälte oder extremes Tempo. SN: Wird der Grundstein für Stressbewä­ltigung im Arbeitsleb­en schon im Studium gelegt? Der größte Stress, den wir in unserem Leben haben, ist die Geburt. Das ist eine gute Ressource. Auch im Kindergart­en- und Volksschul­alter wird dann vieles von uns abverlangt. Wir sind im Studium also schon gut gewappnet. Stressbewä­ltigung ist in uns angelegt, sonst würden wir die Geburt gar nicht überstehen. SN: Woran merkt man, dass man stressgefä­hrdet ist und vielleicht schon einen Schritt zu weit gegangen ist? Es fängt immer bei den Grundbedür­fnissen an. Bei manchen sind es Einschlaf- oder Durchschla­fstörungen. Andere haben zu wenig oder extremen Appetit. Dann stellen sich Rastlosigk­eit oder innere Unruhe ein. Wenn man solche Stresssymp­tome bemerkt und vielleicht noch dazu bei Kleinigkei­ten aggressiv wird, sollte man achtsam sein. SN: Was kann man jedem als Generalrez­ept an die Hand geben? Bewegung ist ganz wichtig. Wenn man geht, dann geht was. Welche Bewegung, ist dabei ganz egal – ob Tanzen, Fußball oder Nordic Walking. Dadurch wird man müde und hungrig. Der Körper kommt zur Ruhe und gönnt sich eine kreative Pause. Wichtig ist es auch, manchmal abzuschalt­en und das Handy wirklich wegzulegen. In der Kreativitä­t liegt eine Spontaneit­ät und Flexibilit­ät, die ich dann wieder in der Motivation umsetzen kann. Dadurch bekommt man wieder Kraft und Energie.

Außerdem ist es wichtig, das große Ganze nicht zu vergessen. Meine Großmutter sagte immer: Das Leben geht immer weiter. Nichts ist so tragisch, dass man keine Lösungen findet. Zur Person Eva-Maria Kupfer:

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