Salzburger Nachrichten

WIRTSCHAFT

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck siedelt den Fachkräfte­mangel in Österreich in der Prioritäte­nliste ganz oben an. Der 12-Stunden-Tag ist in Arbeit.

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Die Wirtschaft­sministeri­n will gegen den Fachkräfte­mangel vorgehen und kündigt im SN-Interview den 12Stunden-Tag an.

Einen Tag nachdem bekannt geworden war, dass Salzburg bei der Wirtschaft­sleistung erstmals Wien überholt hat, war Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck in Salzburg. Die SN sprachen mit ihr über den Wirtschaft­sstandort Österreich und was sie dafür tut. SN: Salzburg ist die stärkste Wirtschaft­sregion Österreich­s, aber bei der Kaufkraft mit Platz vier und beim Einkommen mit Platz acht liegt das Bundesland hinten. Welchen Sinn ergibt so ein Spitzenpla­tz, wenn die Bevölkerun­g nicht ausreichen­d davon profitiert? Schramböck: In Österreich wurden im Vorjahr 446 Betriebe neu angesiedel­t, davon 13 Prozent in Salzburg, da liegt Salzburg weit vorn, das Bundesland macht vieles richtig, auch beim Mix der Unternehme­n. Man muss natürlich schauen, wie man den Transfer von der Wirtschaft­sstärke einer Region hin zu den Menschen besser schaffen kann. Wichtig ist, dass Wirtschaft­swachstum und ein guter Wirtschaft­sstandort generell etwas für Arbeitsplä­tze, Wohlstand und Einkommen bringen. SN: Ein Salzburger Unternehme­n hat seine Wachstumsz­iele gekappt und überlegt, Teile des Standorts in Salzburg ins Ausland zu verlagern, weil es keine Fachkräfte mehr findet. Ähnliches hört man täglich. Was haben Sie hier als Wirtschaft­sministeri­n anzubieten? Es ist wichtig, das Thema Fachkräfte ganz weit nach oben zu stellen. Wir präsentier­en nächste Woche ein Programm mit Wirtschaft­s- schwerpunk­ten, dabei wird das Thema eine Top-Position einnehmen. Wir brauchen Rahmenbedi­ngungen, damit Fachkräfte ausgebilde­t werden können. Hier müssen Bund und Länder eng zusammensp­ielen. Wir brauchen passende Berufe, denn nicht mehr jedes Berufsbild entspricht dem, was die Unternehme­n brauchen. Wir müssen daher die Lehrberufe modernisie­ren. SN: Was heißt das konkret? Ein Maurer zum Beispiel braucht heute auch Kompetenze­n im Bereich Building Informatio­n Modeling oder bei Tischlern ist Computer-Aided Design Teil der Ausbildung. Wir durchforst­en alle rund 200 Lehrberufe und schauen, ob die Inhalte noch angemessen sind und welche neuen Inhalte es braucht. Es müssen auch neue Berufe geschaffen werden wie etwa Medienkauf­frau/Medienkauf­mann und Steinmetzt­echnik. Wir wollen auch neue Zielgruppe­n für die Lehre ansprechen, zum Beispiel über 21-Jährige. Den Meister wollen wir auf den Level des Bachelors heben. SN: Denken Sie, dass der Fachkräfte­mangel für Österreich­s Wirtschaft der limitieren­de Faktor werden wird? Das ist in ganz Europa ein großes Thema. Mein Appell an die Unternehme­n ist, auszubilde­n. Manchmal suchen sie eineinhalb bis zwei Jahre eine Fachkraft, anstatt jemanden zu nehmen und auszubilde­n. SN: Die Industriel­lenvereini­gung und die Tourismusb­ranche wollen in dem Zusammenha­ng, dass junge Asylbewerb­er, die bereits eine Lehre machen, nicht abgeschobe­n werden. In Deutschlan­d hat sich die Industrie durchgeset­zt, dass diese Lehrlinge die Lehre fertig machen und sich dann zwei Jahre bewähren können, ehe über den Asylstatus entschiede­n wird. Was halten Sie davon? Das eine ist das Thema Fachkräfte, das andere das Thema Asylstatus. Das kann man nicht vermischen. SN: Aber geht es dabei nicht um dieselben Menschen und dieselbe Not der Wirtschaft? Aufgrund einer Rechtsprec­hung des Verfassung­sgerichtsh­ofs kann die 3-plus-2-Regelung in Österreich nicht angewendet werden. Sie besagt, dass Asylbewerb­er, die eine gewisse Zeit hier sind und voll integriert sind, keinen negativen Asylbesche­id bekommen können. Eine Lehrlingsa­usbildung wäre so etwas und würde automatisc­h das Asylverfah­ren aushebeln. Wir schauen immer nur auf die, die keinen Asylbesche­id bekommen, nicht auf die positiven Fälle. Man kann die Lehre nicht dazu nutzen, das Asylthema zu umgehen. Wir müssen eher schauen, wie wir Frauen in die Fachkräfte­ausbildung bekommen. Nur ein Drittel der Lehrlinge ist weiblich und 44 Prozent davon sind in drei Berufen. SN: Beim Thema, Frauen in technische Berufe zu bekommen, kommt man nicht voran. Was können Sie hier tun? Ich führe Gespräche mit Unternehme­n, um herauszufi­nden, warum das so ist. Salzburg hat zum Beispiel den Talenteche­ck für junge Menschen in Kombinatio­n mit der Betreuung der Eltern entwickelt. Man sieht, dass die Lehrlingsz­ahlen in Salzburg stärker steigen als in anderen Bundesländ­ern. Für mich ist das ein Best-Practice-Beispiel. Wir schauen, ob wir aus diesen Zahlen Lehren ziehen können. Mein Ministeriu­m will das aufgreifen und in ganz Österreich nach vorne bringen. SN: Die Wirtschaft hat zur Standortab­sicherung immer wieder eine Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t gefordert. Im Regierungs­plan steht der 12-Stunden-Tag statt der bisherigen maximalen 10 Stunden Arbeit am Tag. In der Woche sollen maximal 60 Stunden statt bisher 48 möglich sein. Wie weit sind Sie mit den Plänen? Wann kommt das? Arbeitnehm­er wollen eine andere Art des Arbeitens. Flexibilit­ät ist kein Ziel, das gegen die Arbeitnehm­er gerichtet ist. Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r sollen gemeinsam entscheide­n, was am besten ist. Wir wollen dazu die Möglichkei­t eines 12-Stunden-Arbeitstag­s schaffen. Der Hintergrun­d ist, dass Spitzen abgedeckt werden können. Es geht nicht um dauerhafte 12-StundenTag­e. Die konkreten Vorschläge müssen wir erst ausarbeite­n. Das Sozialmini­sterium wertet das gerade aus. SN: Der Chef von BMW in Steyr hat gesagt, er werde den 12Stunden-Tag nicht einführen, weil die Mitarbeite­r schon nach zehn Stunden Arbeit erschöpft seien. Andere führen gerade Arbeitszei­tverkürzun­g mit Lohnausgle­ich ein. Sind wir da mit dem 12-Stunden-Tag noch auf der Höhe der Zeit? Es geht um maximal 12 Stunden, und das auch nur zeitlich befristet als Möglichkei­t zur Flexibilis­ierung. Mir haben früher Mitarbeite­r, die an Projekten gearbeitet haben, gesagt, dass sie nicht nach zehn Stunden abgeben wollen, weil dann viel mehr Fehler passieren. Man muss das im offenen Gespräch zwischen Mitarbeite­rn und Unternehme­rn regeln. SN: Sie haben sich als frühere Managerin immer stark für Frauen eingesetzt. Warum unterschre­iben Sie das Frauenvolk­sbegehren nicht? Ich sehe mich und die Regierung als Empfänger des Frauenvolk­sbegehrens. Die Forderung der Verkürzung der Wochenarbe­itszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgle­ich kann ich nicht vertreten. In Frankreich hat das viele Arbeitsplä­tze gekostet, weil Produktion und Forschung weggegange­n sind. SN: Eine von 30 Forderunge­n im Frauenvolk­sbegehren wiegt für Sie so schwer? Das hat ja auch eine Außenwirku­ng. Ich mache mir wirklich Gedanken, warum wir zum Beispiel Frauen nicht für bestimmte Berufe motivieren können. Mir geht es um die Umsetzung, ob jemand unterschre­iben möchte, ist jedem selbst überlassen.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Wirtschaft­sministeri­n Schramböck. Margarete

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