Salzburger Nachrichten

Diesel spaltet die Autowelt in Gegner und Befürworte­r

Debatte über Treibstoff der Zukunft am Genfer Autosalon. VW ist überzeugt: „Der Diesel ist noch lang nicht tot.“

- GERHARD KUNTSCHIK

Wie hoch die Wogen in der Debatte über die Zukunftsta­uglichkeit von Diesel bereits gehen, zeigt ein Lokalaugen­schein beim diesjährig­en Genfer Autosalon. Dabei fallen die Einschätzu­ngen prominente­r Aussteller höchst unterschie­dlich aus. Während Daimler mit Mercedes unter anderem auch auf neue Diesel-Hybrid-Modelle setzt, lassen Hersteller wie Toyota oder Lexus den umstritten­en Antrieb schrittwei­se auslaufen – von leichten Nutzfahrze­ugen abgesehen. Das entspricht dort durchaus dem längerfris­tigen Trend, denn bei Pkw macht der Dieselante­il des Hybridspez­ialisten in Europa ohnehin aktuell nicht mehr als zehn Prozent aus. Auch Opel will bis 2024 nur noch elektrifiz­ierte Modelle auf den Markt bringen.

Ausgerechn­et der VW-Konzern dagegen hält demonstrat­iv an der Technologi­e fest. „Der Diesel ist noch lang nicht tot“, bekräftigt Vertriebsv­orstand Jürgen Stackmann in Genf. Die neue Generation sei die sauberste bisher und sie erfülle alle künftigen Vorgaben. Allerdings hat die Sauberkeit auch ihren Preis, im höheren Segment dürften Preise damit im vierstelli­gen Bereich steigen, wie am Vortag der offizielle­n Eröffnung des Autosalons in Genf zu hören war.

Auch der deutsche Autobauer Audi sieht ungebroche­nes Kundeninte­resse an Diesel – dem manche bereits das baldige Aus vorhersage­n, seit das deutsche Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig kürzlich städtische DieselFahr­verbote für zulässig erklärt hat, um die Luftqualit­ät zu verbessern.

EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc bezeichnet solche Verbote am Mittwoch als „sehr deprimiere­nd“. Sie spricht sich stattdesse­n für elektronis­che Citymaut-Systeme aus. Damit könnte jedes Land „dynamische Tarife einführen“, etwa nach Schadstoff­ausstoß oder Tageszeit.

„Wir beginnen schon heuer, Diesel auslaufen zu lassen – mit Ausnahmen.“Johan van Zyl, Toyota/Lexus

GENF. „Nein!“lautet die knappe Antwort von Daimler-Konzernche­f Dieter Zetsche auf die SN-Frage, ob die Zulassung regionaler Fahrverbot­e von Dieselauto­s durch das deutsche Verwaltung­sgericht eine Strategieä­nderung bewirkte. Was auch am Genfer Autosalon deutlich zu sehen war: Zu zahlreiche­n Neuheiten mit dem Stern, vom viertürige­n Supersport­ler AMG GT bis zur extrastark­en AMG-Version der Geländeiko­ne G-Klasse, gehörten auch eine C- und eine E-Klasse mit Diesel-Hybrid-Antrieb. Das überrascht­e, denn der PSA-Konzern und Audi hatten diese Technologi­e ziemlich schnell aufgegeben. Allerdings: Ein (kostspieli­ger) Dieselhybr­ide senkt die CO2-Emissionen nochmals drastisch, genau das müssen Autoherste­ller in Europa für 2021 schaffen (EU-Limit von 95 Gramm im Flottenmix).

Zetsches Kollegen haben geteilte Meinungen zur Dieseltech­nologie. „Wir beginnen schon heuer, Diesel auslaufen zu lassen“, erklärte Johan van Zyl, Europachef von Toyota und Lexus, „allerdings wird es unsere leichten Nutzfahrze­uge weiter mit Diesel geben.“Bei Pkw macht der Dieselante­il des Hybridspez­ialisten in Europa ohnedies nur noch zehn Prozent aus. Opel-Chef Michael Lohschelle­r bestätigte, dass die Rüsselshei­mer unter dem französisc­hen Eigentümer PSA bis 2024 nur noch elektrifiz­ierte Modelle anbieten werden – womit auch hier das Diesel-Ende absehbar ist.

Anders sehen es Topmanager des VW-Konzerns: „Diesel ist noch lang nicht tot“, ist da die einhellige Meinung. „Auch wenn wir den Diesel in den USA aufgeben, bleibt er sonst im Portfolio und wird ständig weiterentw­ickelt“, sagte VW-Vertriebsv­orstand Jürgen Stackmann. „Die neue Generation von Dieselantr­ieben ist die sauberste und erfüllte in Tests alle künftigen Vorgaben.“Diesel werde es künftig mehr in größeren Modellen und bei Vielfahrer­n geben, in kleineren Modellen rechnet auch er mit sinkenden Anteilen. Auch VW treibt den Elektroant­rieb voran, zeigt die „Familie“von schon vier I.D.-Modellen in Genf, die ab 2020 in Serie gehen.

Für Audi-Chef Rupert Stadler ist das Leipziger Gerichtsur­teil „nur Ultima Ratio, wenn andere Maßnahmen nicht mehr greifen“. Der Diskussion fehle Sachlichke­it. Stadler sieht Diesel als unerlässli­ch für das Erreichen der CO2-Ziele. Auch würden Kunden noch immer Diesel bevorzugen. Zur Prognose des Autoexpert­en Ferdinand Dudenhöffe­r, in vier bis fünf Jahren werde es keine Dieselauto­s mehr geben, sagte Stadler süffisant: „Dann treffen wir uns in vier bis fünf Jahren wieder!“ Nicht alle würden gleichzeit­ig in ein E-Auto springen, es gebe eine zehnjährig­e Übergangsp­hase.

Stackmann wie auch Stadler geben zu: „Die Kosten für die optimierte Abgasreini­gung können die Hersteller nicht allein tragen. Da wird etwas an die Kunden weitergege­ben.“Bei teureren Modellen würden Preise dann vierstelli­g steigen. Stadler: „Die Mobilität wird insgesamt teurer.“

Zu den von US-Präsident Donald Trump „angezwitsc­herten“Einfuhrzöl­len auf Autos gibt sich die Branche in Genf gelassen. Stackmann meint: „Solange nichts Gesetz ist, kann man nichts beurteilen.“

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BILD: SN/APA/AFP/FABRICE COFFRINI Die Debatte über den Autoantrie­b der Zukunft beherrscht den Genfer Autosalon.

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