Es ist alles nur ein Spiel
Pokerprinzessin und Drehbuchkönig: Aaron Sorkin liefert mit „Molly’s Game“sein Regiedebüt ab.
Mit „Molly’s Game“hat Hollywoods Drehbuchkönig Aaron Sorkin, Autor etwa von „The Social Network“und von Serien wie „The Newsroom“, sein Regiedebüt abgelegt. Am Freitag kommt der Film ins Kino, der von der „Pokerprinzessin“Molly Bloom (gespielt von Jessica Chastain) handelt. Bloom, einst erfolgreiche Skifahrerin, sattelt nach einer schweren Verletzung um. Sie beginnt eine Karriere als Organisatorin von Pokerspielen, mit schwerreicher Kundschaft von Hollywoodstars bis zur russischen Mafia, und gerät dabei selbst in Gefahr.
Beim Zürich Filmfestival Anfang Oktober wurde Sorkin mit dem Preis fürs Lebenswerk ausgezeichnet, wenige Tage nach dem Amoklauf von Las Vegas. Sorkin sprach bei dieser Gelegenheit über seinen Film, seine Drehbucharbeit und auch über die Notwendigkeit strengerer Waffengesetze. SN: Ihre Hauptdarstellerin Jessica Chastain sagt über „Molly’s Game“, dass der Film unter anderem auch von Waffenkontrolle handelt. Wie denken Sie darüber? Sorkin: Ich wurde sanft gewarnt, ich möge mich doch daran erinnern, dass auch Trump-Wähler Kinotickets kaufen, und ich möge diese Leute nicht vor den Kopf stoßen. Aber angesichts dessen, was passiert, bin ich überzeugt: Würde ich nur wegen der Zahlen schweigen, dann wäre an der nächsten Person, die erschossen wird, auch ich ein bisschen mit schuld. Das sind alle, die sich nicht klar positionieren. Wir haben in den Vereinigen Staaten eine Epidemie von Massenschießereien, die nirgendwo sonst existiert, mit Waffen, die ausschließlich zu dem Zweck konstruiert wurden, möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu töten. Das sind keine Waffen für Jagd oder Selbstverteidigung, das ist Kriegsgerät. Und wir haben zu viele feige Kongressmitglieder, deren Rückgrate in den Taschen der Waffenlobby verschwunden sind. So, jetzt habe ich die Trump-wählenden Kinozuschauer genug verärgert. Bitte eine Frage zum Film! SN: Was ist der wesentliche Unterschied zwischen der echten Molly und der Version, die Jessica Chastain spielt? Nun, meine letzten drei oder vier Filme waren alle auf Basis realer Ereignisse. Aber ich bin immer spätestens ab Seite drei eines Drehbuchs in meiner eigenen Welt. Alle Fakten, die im Film über Molly vorkommen, sind wahr. Aber wenn man einen Menschen porträtiert, entsteht immer etwas Neues. Die echte Molly Bloom würde Ihnen sagen, dass Jessica die bessere Version von ihr spielt. Das ist Nonsens. Die echte Molly ist brillant. Der Unterschied ist wie der zwischen einem Gemälde und einer Fotografie, wir haben ein Gemälde geschaffen. SN: Unter anderem geht es in „Molly’s Game“um heikle Informationen im Besitz von Molly Bloom und die Frage, ob sie diese Informationen an das FBI weitergibt. Gab es Vorbehalte, ob der Film da zu viel verraten würde? Etwas vom Ersten, was ich zur echten Molly Bloom gesagt habe, war: „Ich will niemanden denunzieren.“Das ist der Kern des Films: dass sich eine Person weigert, belastende Informationen weiterzugeben. Im Übrigen können Sie einfach googeln, welche Stars in diesen Pokerring involviert waren. Aber es gab schon ein paar erschreckende Begegnungen mit, sagen wir, besorgten Menschen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Aber was soll’s, ich habe ein glückliches Leben geführt. Wenn ich jetzt wegen des Films von einem russischen Mafioso umgebracht werde, wäre das in Wahrheit doch wieder fantastischer Drehbuchstoff. Ich glaube, ich sollte mir die Idee sofort notieren! SN: Ihre Drehbücher sind berühmt für wortgewaltige Streitgespräche. Woher kommt diese Vorliebe? Jeder in meiner Familie und in meinem Freundeskreis ist schlauer als ich, ich bin da nur das Maskottchen.
Die Folge davon ist, dass ich es liebe, wenn kluge Menschen einander widersprechen. Schon in meiner Kindheit hat gegolten: Wenn du etwas einfach formulierst, obwohl es kompliziert auch möglich wäre, hast du dich nur nicht richtig bemüht. In meiner Familie sind alle Anwälte, und meine Mutter ist Lehrerin, von denen habe ich das. Bei jedem Thema hat irgendwer den Advocatus Diaboli gespielt: „Du magst ja recht haben, aber hast du es schon einmal aus dieser Perspektive betrachtet?“Ich hatte daran immer Riesenspaß. Für mich ist das Schreiben schlauer Charaktere und ihrer Konflikte meine Version von Cowboygeschichten.
Film: Molly’s Game. Thriller, USA 2017. Regie: Aaron Sorkin. Mit Jessica Chastain, Kevin Costner, Idris Elba, Michael Cera.
„Es gibt eine Epidemie von Schießereien.“
Aaron Sorkin, Regisseur