Jetzt gibt es auch in Österreich das erste Geschäft ohne Kassa
Was Amazon in Amerika umsetzt, testet der deutsche Elektroriese Saturn in Österreich. In Innsbruck eröffnete er den europaweit ersten kassafreien Shop. Experten bleiben skeptisch.
Einkaufen ohne Wartezeit an der Kassa? Der Media Markt/Saturn-Konzern eröffnete am Donnerstag in Innsbruck seine erste kassalose Filiale. Per Smartphone können Kunden ihre Ware direkt am Regal bezahlen und das Geschäft verlassen. Die Diebstahlsicherung wird mit der Bezahlung deaktiviert.
Laut Angaben des Handelsforschungsinstituts EHI aus Köln ist der Saturn Express damit der erste Markt mit kassalosem Bezahlen in ganz Europa. Weitere Standorte sind vorerst noch nicht geplant. Bis Ende Mai wolle man Erfahrungen sammeln und dann entscheiden, heißt es bei Saturn. Mitarbeiter gibt es auch in dem kassalosen Geschäft, sie sollen aber vor allem die Kunden zum Produkt beraten.
Einen raschen Durchbruch des Einkaufens ohne Kassa sehen Handelsexperten aber noch nicht. Getestet werde weltweit derzeit viel, was sich schließlich durchsetze, sei aber noch völlig offen. Die Frage sei letztlich, was der Kunde brauche und auch wolle. Gerade beim The- ma, welche Daten man von sich preisgebe, erreiche der kassalose Einkauf eine neue Tiefe. Dazu komme, dass die dahinterstehenden Technologien teuer seien.
Dass Österreich als Testmarkt für internationale Konzerne dient, ist dabei keineswegs neu. Auf dem kleinen Markt können Produkte kostengünstig getestet werden.
Das hat wohl jeder schon einmal erlebt: Da hat man ein Schnäppchen ergattert, und dann steht man eine halbe Ewigkeit in der Warteschlange vor der Kassa. Wie schön wäre es da, ganz einfach mit dem Handy die Ware zu scannen und an den Wartenden vorbei das Geschäft zu verlassen.
Der Elektroriese Saturn will das jetzt umsetzen. Im Einkaufszentrum Sillpark in Innsbruck eröffnete der Media Markt/Saturn-Konzern am Donnerstag den nach eigenen Angaben europaweit ersten kassafreien Store. Das Konzept dahinter – das man mit dem britischen Start-up MishiPay entwickelt hat – klingt relativ einfach. Der Kunde braucht eine entsprechende Saturn-App auf seinem Smartphone. Damit kann er den Barcode des Produkts einscannen und via Kreditkarte oder PayPal direkt im Geschäft bezahlen. Mit der erfolgreichen Zahlung werde automatisch die Diebstahlsicherung deaktiviert.
Vorerst läuft das Projekt als Versuch. Der Pop-up-Store hat nur 120 Quadratmeter, geboten werden vor allem Produkte des „täglichen Gebrauchs“wie Lautsprecher oder Bluetooth-Kopfhörer. Kassa gibt es auch für den Notfall keine. Ganz ohne Mitarbeiter will man dennoch nicht auskommen. Die zwei bis drei Mitarbeiter vor Ort sollen allerdings vor allem Kunden zu den Produkten beraten. Weitere Standorte seien vorerst nicht geplant, erklärt Martin Wild, Chief Innovation Officer der MediaMarktSaturn Retail Group. „Bis Ende Mai wollen wir Erfahrungen sammeln und dann Entscheidungen treffen.“
Mit dem ersten Supermarkt ganz ohne Kassa hat bisher vor allem Amazon in Amerika Schlagzeilen gemacht. „Amazon go“richtete sich 2016 zunächst nur an Amazon-Mitarbeiter als Kunden, erst seit heuer ist das Geschäft für alle zugänglich. Eine App, mit der man sich beim Eingang ausweist, ist auch hier Voraussetzung, dann erheben Sensoren und Kameras, was der Kunde aus den Regalen nimmt.
„Getestet wird hier weltweit unglaublich viel“, sagt Handelsforscher Wolfgang Richter von RegioPlan. Was sich letztlich durchsetze, sei noch völlig unklar. Revolution sieht er noch keine. „Self-Checkout-Kassen gibt es bei uns seit über zehn Jahren, breit durchgesetzt haben sie sich noch nicht. Und auch den Kühlschrank, der selbst einkauft, prophezeien sie uns ebenso lange. Getroffen habe ich beim Einkaufen noch nie einen Kühlschrank.“Die Frage sei letztlich, was der Kunde brauche und wolle. „Beim Thema, welche Daten ich von mir preisgebe, erreicht der kassalose Einkauf eine neue Tiefe.“Dazu komme, dass die dahinterstehenden Technologien teuer seien. „Gerade im Lebensmittelhandel mit Spannen um die zwei Prozent rechnet sich das nicht.“Auch der Zeitvorteil sei oft gering. „Eine geübte Kassierin ist trotz Warteschlange meist schneller als der ungeübte Kunde, der sich durch das System durchklickt.“Vorerst sei es wohl vor allem eine Marketing-Maßnahme, die Aufmerksamkeit bringt.
Ähnlich beurteilt es Peter Schnedlitz vom Institut für Handel und Marketing an der WU Wien. „Das Problem ist, dass man sich vorerst die Kundenschicht massiv einschränkt.“Erreichen könne man nur Kunden mit Saturn-App und Kreditkarte. Hemmschwelle sind auch für Schnedlitz die hohen Kosten, nicht nur für neue Technologien, auch für die automatische Diebstahlsicherung, die gerade für günstige Produkte zu teuer sei. „Ein spannendes Experiment ist es gewiss, das Ende des Menschen im Geschäft sehe ich aber noch nicht.“
Auch im Handel gehen die Meinungen auseinander. „Dass sich das traditionelle Kassasystem überholt, davon bin ich überzeugt“, meint Hervis-Chef Alfred Eichblatt. Wohin, das wisse noch keiner. Getestet wird auch bei Hervis. „Wir sind aber noch in der Laborphase.“Beim Sporthandel gehe es darum, von überall im Geschäft und nicht nur an der Kassa den Bezahlvorgang erledigen zu können.
Anders ist das im Lebensmittelhandel, wo meist viele Produkte gekauft werden. „Kassalose Supermärkte sind für uns noch kein Thema“, sagt Paul Pöttschacher, Sprecher von Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny). Sehr erfolgreich laufe an manchen Standorten mittlerweile der Self-Check-out. 79 der 131 Merkur-Filialen haben bereits Selbstbedienungskassen. „Gerade an Standorten wie der Mariahilfer Straße, wo viele Leute um die Mittagszeit nur schnell eine Jause kaufen, sind sie sehr beliebt.“2300 Kunden nutzen sie allein hier täglich. Billa dagegen setzt erst in zehn Filialen auf „selbst kassieren“. Mitarbeiter braucht man dennoch, um Kunden zu helfen und zugleich zu kontrollieren, ob auch bezahlt wird. Auch Alkohol darf man nur kaufen, wenn eine Mitarbeiterin bestätigt, dass man alt genug dafür ist.
Die Diebstahlsrate sei an Selbstbedienungskassen nicht höher als an anderen, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. An 45 Standorten hat Spar Self-Check-outs. An kassalose Geschäfte denkt Spar nicht. „Ein spannendes Thema, das wir aber vorerst nur beobachten.“
„Spannendes Experiment, mehr nicht.“Peter Schnedlitz, Handelsexperte