Sigmar Gabriel tritt ab
Der amtierende deutsche Außenminister wird dem neuen Bundeskabinett in Berlin nicht angehören. Zu groß sind die Vorbehalte gegen ihn in der eigenen Partei, der SPD.
BERLIN. Ursprünglich sollte das SPD-Personaltableau erst heute, Freitag, verkündet werden. Doch schon am Mittwochabend gab es erste Meldungen, dass die Berliner Kommunalpolitikerin Franziska Giffey ins Bundeskabinett berufen werden soll. Am Donnerstag preschte Noch-Außenminister Sigmar Gabriel noch einmal vor und gab bekannt, dass seine Zeit im Amt kurz vor dem Ende stehe.
Damit konnte Gabriel der neuen Parteispitze mit dem kommissarischen Parteichef Olaf Scholz und der designierten Parteichefin Andrea Nahles noch ein letztes Mal ein Schnippchen schlagen. Nachfolger wird Justizminister Heiko Maas, der wie der künftige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland kommt. Maas ist mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert. Während Wörner schon einmal eine Diplomatin gespielt hat, ist das Ressort für Maas Neuland.
Es ist nicht überraschend, dass für Gabriel im neuen Kabinett kein Posten mehr vorgesehen ist. Zwar gab es in den vergangenen Wochen durchaus noch einige Unterstützer, die den derzeit beliebtesten deutschen Politiker im Amt halten wollten. Doch in seinen sieben Jahren als SPD-Chef hat Gabriel die Partei oft mit sprunghaften Richtungsänderungen genervt. Vor allem die frühere Generalsekretärin Nahles musste viel einstecken. Aber auch Scholz ist kein Fan von Gabriel. Im vorigen Monat hatte Gabriel der Parteispitze Wortbruch vorgeworfen, denn der damalige SPDChef Martin Schulz habe ihm versprochen, dass er Außenminister bleiben könne. Das wollte dann Schulz plötzlich selbst werden. Das Fass zum Überlaufen brachte dann ein Interview, in dem Gabriel sagte: „Meine kleine Tochter Marie hat mir heute früh gesagt: Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“
In seiner Abschiedsbotschaft verwies Gabriel darauf, dass er mehr als 10.000 Arbeitsplätze bei der Übernahme der Einzelhandelskette Kaiser’s durch Tengelmann gerettet habe. Ihm ist es zu verdanken, dass sein Vorgänger im Außenministerium, Frank-Walter Steinmeier, jetzt Bundespräsident ist. Auch beim Ringen um die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel spielte Gabriel eine wesentliche Rolle. Unklar ist, ob Berlin dabei irgendwelche Gegenleistungen an die Türkei erbracht hat.
Die große Überraschung im neuen Kabinett ist die Berufung der 39jährigen Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Giffey zur Familienministerin. Ihre Blitzkarriere hat sie vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die ostdeutschen Landesverbände auf einem Ministerposten bestanden. Giffey stammt aus Frankfurt (Oder) und trat 2015 im Berliner Problembezirk Neukölln die Nachfolge des resoluten Heinz Buschkowsky (SPD) an. Ganz wie ihr Mentor tritt sie für eine „NullToleranz-Politik“ ein – ganz egal, ob es um die Beseitigung von illegalem Müll oder um die Bekämpfung arabischer Clans geht. Der Berliner Bezirk Neukölln zählt 300.000 Einwohner. Die Hälfte davon hat einen Migrationshintergrund.
Bereits gesetzt als Minister ist Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, der Vizekanzler und Finanzminister wird. Noch-Familienministerin Katarina Barley soll Maas im Justizministerium nachfolgen. Diese Politikerin aus der Nähe von Trier ist von Hause aus Juristin. Neue Umweltministerin soll Svenja Schulze aus Nordrhein-Westfalen werden, die dort schon einmal Wissenschaftsministerin gewesen ist. Das Arbeitsministerium soll der frühere SPD-Generalsekretär Hubertus Heil übernehmen. Nicht mehr dem Kabinett angehören wird Umweltministerin Barbara Hendricks, die sich zuletzt mit der Autoindustrie angelegt hatte. Zur Senkung der Stickstoffbelastung hatte sie sich immer für ein HardwareUpdate bei Dieselfahrzeugen eingesetzt. Die Industrie war nur zu einem Software-Update bereit.