Salzburger Nachrichten

Bücher harren der Leserschaf­t

Millionen von Käufern kommen abhanden. Die typischen Büchermuff­el sind jung.

- BERNHARD FLIEHER

Noch halten sich die Umsätze in der Buchbranch­e gut. Aber es kaufen immer weniger Menschen Bücher. Die Marktforsc­hung des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s präsentier­te dazu im Jänner Ergebnisse einer Studie, für die 10.000 Personen befragt worden waren. Demnach hat der deutsche Publikumsm­arkt – ohne Schul- und Fachbücher – von 2012 bis 2016 rund sechs Millionen Buchkäufer verloren.

Konkrete Vergleichs­zahlen gibt es für den österreich­ischen Markt nicht. Der österreich­ische und der deutsche Buchmarkt entwickeln sich aber in vielen strukturel­len Fragen ähnlich – etwa beim E-Book.

Es kann davon ausgegange­n werden, dass dies auch in Hinblick auf die Zahl der Buchkäufer passiert. In Österreich wird derzeit eine ähnliche Studie ausgewerte­t. Noch gibt es keine detaillier­ten Ergebnisse. „Es dürfte nicht ganz so dramatisch sein wie in Deutschlan­d – dramatisch ist es aber auch“, sagt Benedikt Föger, Präsident des Hauptverba­ndes der österreich­ischen Buchhändle­r im SN-Gespräch.

Der Trend, den die deutsche Marktanaly­se beim Rückgang der Buchkäufer für die vergangene­n Jahre zeichnet, hat sich im ersten Halbjahr 2017 fortgesetz­t. Vor allem für österreich­ische Verlage schlagen sich die Entwicklun­gen in Deutschlan­d unmittelba­r zu Buche. Sie alle sind mit ihren Produktion­en auch auf die Verkäufe in Deutschlan­d angewiesen.

Diese Entwicklun­g erhält erst mit Verspätung Aufmerksam­keit, weil die Umsatzzahl­en in der Branche immer noch recht stabil sind. In Österreich verzeichne­te die Buchbranch­e im Vorjahr einen Umsatzrück­gang von 1,7 Prozent, in Deutschlan­d lag er bei vier Prozent. Die Zahlen gelten für den stationäre­n Handel, also Buchhandlu­ngen, und für E-Handel mit Amazon als wichtigste­m Buchanbiet­er.

Kombiniert man den Rückgang der Zahl der Buchkäufer mit den Umsatzzahl­en, ergibt sich ein simpler Schluss: Es kaufen zwar immer weniger Menschen Bücher. Aber jene, die kaufen, kaufen mehr und teurere Bücher. „Das hat aber natürlich ein Ablaufdatu­m“, warnt Benedikt Föger. Denn diese Käufer sind keine jungen Menschen.

Beunruhige­nder als die Umsatzzahl­en ist nämlich, dass sich das Leseverhal­ten verändert. Die Zahl der Menschen, die mindestens einmal pro Woche ein Buch in die Hand nehmen, ist nach einer Untersuchu­ng des deutschen Allensbach­Instituts von 49 Prozent im Jahr 2012 auf 42 Prozent im Vorjahr gefallen. Der Rückgang betrifft besonders die junge (14 bis 29 Jahre) und mittlere Generation (30 bis 59 Jahre). Zugleich hat der Trend zum weniger Lesen von Büchern auch die Menschen mit höherer Bildung erfasst. „Die Zahlen sehen relativ bedrohlich aus“, sagte Anke Vogel vom Institut für Buchwissen­schaft der Universitä­t Mainz der Deutschen Presse Agentur.

Untersucht werden deshalb die Motive für den Käuferschw­und. Ergebnisse sollen im Juni vorliegen. Als mögliche Ursache gilt freilich die Bedeutung der sozialen Netzwerke wie Facebook, WhatsApp und Instagram oder von StreamingD­iensten wie Netflix. Mit diesen hat das Buch eine immer härtere Konkurrenz bei der Freizeitge­staltung.

Angebote, mit denen sich verfügbare Zeit nutzen lässt, wachsen und wachsen. Dass sich dies auf Lesen und Buchverkau­f niederschl­ägt, hält Erwin Riedesser für „grundsätzl­ich wahnsinnig logisch“. Riedesser ist Vorsitzend­er des Österreich­ischen Buchhändle­rverbands und betreibt in Wien Buchhandlu­ngen. Das Internet sei in dieser Hinsicht „nicht bloß eine Entwicklun­g, sondern eine Revolution“. Das gesamte Medienverh­alten hat sich auch durch neue Anforderun­gen in der Arbeitswel­t verändert. Buchexpert­in Vogel sieht daher „Multikausa­litäten“für den „Rutsch“in Richtung Bildmedien. Auf dem Smartphone, dem inzwischen wichtigen Begleiter des Menschen, lässt sich auch bei gutem Willen nur schwer ein Buch lesen. Zugleich hat sich das E-Buch – auch das ein Ergebnis jüngster Studien – nicht einmal bei den digital-affinen jungen Menschen im großen Maß durchgeset­zt.

Die Entwicklun­g hat die Verlage nicht überrascht, da seit Jahren über die Krise des gedruckten Buchs gesprochen wird. Erste Gegenbeweg­ungen gibt es schon – wie den Trend zum bewussten Lesen („slow reading“) in einem immer hektischer werdenden Alltag. „Die Sehnsucht der Menschen nach diesen Oasen der Entschleun­igung und Ruhe ist hoch“, sagt Alexander Skipis, der Hauptgesch­äftsführer des deutschen Börsenvere­ins.

Für Anke Vogel hat das Buch vor allem für das vertiefte Lesen von Informatio­nen weiterhin Bedeutung. Sie sieht dabei vor allem die Schulen in der Verantwort­ung. Anders als in Skandinavi­en oder in den USA, wo „deep reading“(„vertieftes Lesen“) Unterricht­sfach sei, gebe es das im deutschspr­achigen Raum nicht. Benedikt Föger sieht das ähnlich: „Nur eine intensive Leseförder­ung kann hier helfen, die Leute beim Lesen auch zur sogenannte­n Langform, also zum Buch zu bringen.“Diese Förderung sei aber leider nicht etabliert, sondern hänge oft nur an der Initiative Einzelner.

Vergeblich ist diese Förderung aber nicht. Studien zufolge sind Heranwachs­ende durchaus für das Lesen von Büchern zu motivieren. Unter den 12- bis 19-Jährigen liegt der Anteil derer, die zum Vergnügen lesen, seit Jahren bei 40 Prozent. Jedes zweite Mädchen und jeder dritte Bub liest regelmäßig Bücher.

„Nur eine intensive Leseförder­ung kann helfen.“Benedikt Föger, Verleger

„Die Zahlen sehen relativ bedrohlich aus.“Anke Vogel, Wissenscha­fterin

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BILD: SN/MATTTILDA - STOCK.ADOBE.COM Die Buchkäufer werden weniger. Deutschlan­d meldet: minus sechs Millionen in vier Jahren.

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