Für Bücher muss man neu begeistern
Felicitas von Lovenberg legt eine „Gebrauchsanweisung fürs Lesen“vor – aus guten Gründen.
SALZBURG. Es ist naheliegend, dass eine Literaturkritikerin, die jetzt einen Verlag leitet, eine „Gebrauchsanweisung fürs Lesen“liefert. Felicitas von Lovenberg versammelt dazu viele schöne Zitate von Autoren, die die Vorzüge des Lesens preisen – etwa von Kurt Tucholsky, der sich nur wenige Situationen in einem menschlichen Leben vorstellen konnte, „in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte“.
Die Verfasserin erzählt auch amüsant aus ihrem eigenen Leben und davon, wie sie selbst zur Leidenschaft für intensive Lektüren gekommen ist. Der heimliche Lieblings-Leseort ihrer Kindheit war das Klavier. Wenn das Üben zu lang dauerte, versteckte sie ein Buch zwischen den Notenblättern. Während sie vor sich hin klimperte, las sie fröhlich weiter. Nur der Vater wunderte sich darüber, dass sie etwa bei Mozart so gar keine Fortschritte machte.
Dieses Buch ist nicht unerwartet ein Plädoyer für das Lesen geworden, aber eines von besonderer Dringlichkeit. Während Bücher einmal eine Vorrangstellung in unseren Leitmedien eingenommen haben, verlieren sie heute an Reichweite. Kaum noch jeder zweite Deutsche kauft einmal im Jahr ein Buch. Aber jeder Mensch nimmt durchschnittlich alle elf Minuten sein Smartphone zur Hand.
Zugleich nimmt das Anschauen von Fernsehserien immer mehr Zeit in Anspruch. „In einer visuell ausgerichteten Ära, die stärker auf Bilder als auf Worte setzt“, betont Lovenberg, erscheine die Zukunft des Lesens unsicherer denn je.
Zwar bewirkt das Bildschirmmedium Internet, dass mehr gelesen wird als je zuvor. Aber „die Kulturtechnik des Lesens, des Sichversenkens in Bücher“, ist in Gefahr. Vielfach fehlen uns dafür Muße und Konzentration. In den USA führen deshalb immer mehr Schulen das Fach „Deep Reading“ein – eine Lernmethode, die Jugendliche dazu befähigen soll, lange Texte ohne Ablenkung zu lesen und ihren Sinn zu erfassen.
Wozu soll Lesen dienen? Da gibt die Verfasserin mannigfache Antworten: Lesen bildet. Es macht uns einfühlsamer, weil Texte dazu einladen, sich in ihre Protagonisten hineinzuversetzen. Lesen fördert das kritische Denken. Es vergrößert unseren Sprachschatz und, und, und …
Die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood betrachtet das Buch als Boten zwischen der Gedankenwelt des Autors und den Interessen des Lesers. Es brauche den Leser, um ein Buch zu vervollständigen, ja zu vollenden, betont sie. In ihrem Essayband „Aus Neugier und Leidenschaft“erzählt sie, wie sie mit Büchern George Orwells aufgewachsen sei und dadurch Anregungen für ihre eigene Dystopie „Der Report der Magd“bekommen habe.
Wie soll man lesen? Da verweist Lovenberg darauf, dass laut Studien das Lesen auf bedrucktem Papier effektiver sei als das Lesen auf dem Bildschirm. So macht etwa in Deutschland das E-Buch nach wie vor kaum fünf Prozent des Buchumsatzes aus. Ein „besonders leseaffiner Ort“sei die Eisenbahn, schreibt Lovenberg. Sie erwartet für unser gehetztes Leben eine Rückkehr der Bände mit Erzählungen und Kurzgeschichten, weil diese geeignet seien für kleinere „Zeitfenster“, zum Beispiel im Wartezimmer.
Was soll man lesen? Da empfiehlt die Verfasserin das Stöbern in gut sortierten Buchhandlungen. Sie beklagt, dass in den Medien Buchbesprechungen von „aufmerksamkeitsstärkeren Disziplinen“verdrängt würden.