„Ein neuer Bürgerkrieg ist im Gang“
Der Journalist Walter Hämmerle beschreibt den neuen Kampf der Kulturen in Österreich.
„Zwei Österreich, zwei Kulturen stehen sich in den österreichischen Landen gegenüber, die um Österreichs Zukunft kämpfen.“Dieser Satz Friedrich Heers ist gleichsam das Motto des Buches „Der neue Kampf um Österreich“, das der interimistische Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, Walter Hämmerle, vorgelegt hat.
Hämmerle selbst bringt die Botschaft seines 400-Seiten-Werks auf diese Formel: „Die gute Nachricht lautet: Der alte Bürgerkrieg, der einst zwischen Schwarz und Rot mit Waffen und später noch mit heißen Worten ausgetragen wurde, ist Geschichte. Die schlechte Nachricht ist: Ein neuer Bürgerkrieg ist im Gang.“Starke Worte, wenngleich Autor Hämmerle, wie er den SN versichert, das Wort „Bürgerkrieg“in einem „strikt übertragenen Wortsinn“meint.
Hämmerle schreibt über den Antagonismus zwischen den Grünen und den Freiheitlichen; zwischen jenen, die der neuen Migrationsbewegung positiv oder zumindest offen gegenüberstehen, und denen, die das nicht tun. Es gehe, schreibt der Autor, um eine „neue Moral“. Es gehe um die „Frage nach unserer Identität“, die von den politischen Antagonisten in zunehmendem Maße unterschiedlich beantwortet werde.
Die Entideologisierung von SPÖ und ÖVP habe dazu geführt, dass mit den Grünen und der „FPÖ-neu“unter ihrem Obmann Jörg Haider erneut „zwei neue konkurrierende Moralgebäude“entstanden seien, präzisiert Hämmerle auf SN-Anfrage, und über seine Beweggründe als Autor sagt er: „Mein Ziel war es, die Geschichte der Republik aus dem Blickwinkel einer neuen Unversöhnlichkeit zu schreiben.“Es gebe einen „politisch-kulturellen Konflikt über Identitäten und Werte, darüber, was es bedeutet, wieder ein Österreicher, eine Österreicherin zu sein“, sagt er. Was sich besonders deutlich bei den Themen Europa, Solidarität oder Gerechtigkeit zeige. „Und das“, so Hämmerle, „alles vor dem Hintergrund einer großen Verunsicherung, die längst nicht nur Österreich erfasst hat.“
Das österreichische Reden und Denken über Politik befinde sich „in der Geiselhaft eines erbitterten Lagerkampfes der Gefühle“, schreibt Hämmerle. Das zeige sich auch im heurigen Jubiläumsjahr: „100 Jahre Republik. Für Österreich müsste das eigentlich ein Grund zum Feiern sein. Stattdessen ist die Stimmung bestenfalls gedrückt.“Optimismus sei eine Gefühlslage, die sich die Menschen nicht mehr leisten zu können glaubten.
Hämmerles Buch ist eine nüchterne, um nicht zu sagen: pessimistische Zukunftsschau. Oder doch nicht pessimistisch, denn der Autor zeigt auch Wege, wie die gespaltene Gesellschaft zueinanderfinden könnte. Und zwar richtet er den Blick weg von der Bundesebene hin zu den „Dörfern und Städten“, wo die Chancen am größten seien, „die bestehenden Spannungen und Spaltungen zu überwinden“. Ehe Hämmerle in den Schlusskapiteln seines Buches zu dieser Folgerung kommt, liefert er eine tiefgehende Analyse, die den Weg aus der Ersten Republik ins Heute nachzeichnet. Ein lesenswertes Buch über das laufende Jubiläumsjahr.