Kanada würdigt eine schwarze Bürgerrechtlerin
Rassentrennung ist ein dunkles Kapitel nicht nur in den USA. Der Fall von Viola Desmond wird nun endlich offiziell abgeschlossen.
Der Vorfall ereignete sich an einem Herbsttag im Jahr 1946. Die 32-jährige Viola Desmond fuhr durch die kanadische Kleinstadt New Glasgow, als ihr Auto eine Panne hatte. Ersatzteile sollten erst am nächsten Tag eintreffen, also musste die junge Unternehmerin über Nacht bleiben. Sie entschloss sich, den freien Abend mit einem Kinobesuch zu überbrücken. Desmond machte es sich auf einem Sitz im Parkett bequem. Auf einmal tauchte ein Aufseher auf und wies sie zurecht. Plätze im Parkett seien für Weiße reserviert, für Farbige wie sie sei dagegen der Balkon vorgesehen. Desmond weigerte sich. Daraufhin wurde sie verhaftet, verbrachte die Nacht hinter Gittern und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt – weil sie im Kino auf dem „falschen“Platz saß. Desmond wollte die Strafe anfechten, die Gerichte lehnten ab. Vorfälle wie dieser waren keine Seltenheit zu dieser Zeit in Kanada. Wie in den USA war die Rassentrennung weitverbreitet, wenn auch nicht immer explizit im Gesetz verankert. Einrichtungen trennten nach Hautfarbe, die Regierung bevorzugte weiße Einwanderer und unterhielt Schulen, die nach Hautfarben getrennt waren. Es ist ein dunkles Kapitel, über das viele Kanadier nur wenig wissen. Auch von Viola Desmond hatten lang nur wenige Kanadier gehört. Doch künftig wird man sie nicht mehr übersehen können. Die Regierung von Premierminister Justin Trudeau hat die Bürgerrechtlerin auf einen der prominentesten Plätze des Landes gesetzt: auf die Vorderseite des 10-DollarScheins. Zum Weltfrauentag wurde die neue Banknote in Halifax offiziell vorgestellt.
Erstmals wird eine Person mit schwarzer Hautfarbe in Kanada auf einem Geldschein vertreten sein. Es ist zugleich das erste Mal, dass eine Kanadierin eine regulär im Umlauf befindliche Banknote ziert. Die erste Frau überhaupt war (und ist) die britische Königin Elizabeth II., die auch in Kanada als Staatsoberhaupt dient. Sie ist auf dem 20-Dollar-Schein zu sehen. Desmond wurde aus einer Liste von 26.000 Kandidatinnen ausgewählt. Auf der Rückseite des Scheins, der zum Jahresende verbreitet werden soll, ist passend das kanadische Menschenrechtsmuseum in Winnipeg abgebildet. Premier Justin Trudeau hat die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen besetzt, bezeichnet sich als Feminist und tritt für eine liberale Zuwanderungsgesellschaft ein. Bei der Vorstellung der Banknote in Halifax war auch die jüngere Schwester Desmonds anwesend. Wanda Robson, heute 91 Jahre alt, nannte ihre Schwester ein großes Vorbild. „Ich bin froh, dass die jungen Menschen jetzt mehr über Viola erfahren und lernen, wofür sie stand, wofür sie kämpfte“, sagte sie unter Tränen. Viola Desmond, die schon 1965 an einer Krankheit verstorben ist, wurde am Ende doch noch Gerechtigkeit zuteil: Vor acht Jahren wurde sie posthum rehabilitiert, der Staat entschuldigte sich bei der Familie und ihr Name wurde offiziell aus dem Strafregister gestrichen. Auch damit schrieb Desmond Geschichte. Es war das erste Mal, dass in Kanada ein Mensch nach seinem Tod begnadigt wurde.