Kulturpolitik fliegt auf das Land
In einem 57-seitigen Programm legt die Salzburger Landesregierung erstmals fest, was sie für die Kultur im ländlichen Raum tun will.
Radstadt hat ein Kino. Dieses Kino läuft gut. Das wäre weiter nicht außergewöhnlich, böte dieses Kino nicht jenseits von Blockbustern ein ausgewählt hochwertiges, cineastisch anspruchsvolles Programm und hätte es nicht 18 Jahre gedauert, bis es dieses Kino gab. Fast zwei Jahrzehnte lang kam einmal in der Woche das Wanderkino in Radstadt vorbei. „Wir hatten einen langen Atem“, sagt Elisabeth Schneider. Sie macht seit 18 Jahren das Programm und sie leitet Das Zentrum Radstadt, das ein kultureller Nahversorger der Region ist. Seit Anfang des Jahres gibt es nun ein fixes Kino mit einem eigenen digitalen Projektor. 30.000 Euro gab es dafür vom Land. „Langer Atem“bedeutet für regionale Kulturinitiativen laut Schneider auch: „Viele im kulturellen Bereich arbeiten immer noch knapp an der Selbstausbeutung – vor allem auf dem Land.“Das wird sich nicht einfach ändern. „Allein, dass es nun eine umfassende Bestandsaufnahme gibt und ein Programm zur Kulturentwicklung vorliegt“, zeige, dass man „die unverzichtbare Kulturarbeit auf dem Land“sehr wertschätze, sagt Schneider.
Dieses 57-seitige Programm heißt „Kulturentwicklungsplan Land Salzburg“.
Anfang März wurde der Endfassung von allen Mitgliedern der Salzburger Landesregierung zugestimmt. Nach Vorarlberg, Niederösterreich und Oberösterreich ist Salzburg das vierte Bundesland, das einen solchen politischen Plan zur Entwicklung als Kulturstandort festgeschrieben hat. In Linz oder auch in der Stadt Salzburg gibt es ähnliche Programme seit Jahren.
In der Aufmerksamkeit – und somit in der finanziellen Zuwendung – der Kulturpolitik existiere stets „eine Schieflage zwischen den Metropolen und dem ländlichen Raum“, sagt Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn von den Grünen. Er hatte die Erstellung des Kulturplanes zu Beginn seiner Amtszeit ganz oben auf die Agenda geschrieben.
Eineinhalb Jahre wurde an dem Programm gearbeitet. Der Bestand wurde aufgenommen. Der Bedarf wurde in 13 Kapiteln ausführlich formuliert, 77 konkrete Maßnahmen wurden beschlossen. Es geht um einen Plan für die nächsten zehn Jahre. Man kümmert sich ums Traditionelle ebenso wie ums Zeitgenössische und sieht in vielen Punkten idealerweise eine Kooperation verschiedener Sparten vor.
Einen ähnlich umfassenden Prozess für ein politisches Grundsatzpapier gab es im Bundesland Salzburg in keinem anderen Bereich. Rund 600 Personen beteiligten sich an Workshops und Diskussionen im ganzen Land. Aus rund 1800 Anmerkungen wurde die Endfassung erstellt. „Allein dieser extrem intensive Prozess macht dieses Konzept so bedeutend“, sagt Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museums.
Wegen des intensiven Austausches zwischen Künstlerinnen und Künstlern, zwischen ehrenamtlich Engagierten und professionellen Kulturmachern stehen auch Begriffe wie „kulturelle Teilhabe“oder „Vernetzung“hoch im Kurs. Damit entspreche man „einer Realität, in der Kulturstätten oder Kulturproduzenten in der Praxis längst genreübergeifend zusammenarbeiten“, sagt Schellhorn.
Eine Korrektur bisheriger Maßnahmen musste laut Schellhorn mit diesem Entwicklungsplan nicht erfolgen. Doch es werden in Hinblick auf zeitgenössische Kunst neue Schwerpunkte gesetzt, etwa in den Bereichen „Digitale Welt“oder „Medienkunst“. Damit mehr Kultur auf das Land kommt, soll es künftig auch eine „Gastspiel- und Verwertungsförderung“geben. Damit wird es einfacher, dass etwa Theaterproduktionen, die in der Stadt entstehen, auch im ländlichen Raum gezeigt werden können.
Deutlich verwiesen wird in dem Plan auch auf die touristische Bedeutung der Kunst im Kulturland Salzburg. Hier erkennt Schellhorn einen Sinneswandel: „Es steigt das Bewusstsein, dass Kunst und Kultur wesentliche Faktoren für Qualitätstourismus sind“, sagt er. So fordert der Entwicklungsplan, dass „Vereine der Volkskultur und zeitgenössische Kulturinitiativen in die touristische Programmierung“eingebunden werden sollen.
Nicht genau definiert wird in dem Plan, welche Summe jährlich für die Kultur aufgewendet werden soll: „Entsprechend“und „angemessen“soll sie sein. Wo die Umsetzung konkreter Vorschläge jenseits jährlicher Subventionen ins Geld gehen wird, geht es vor allem um bauliche Maßnahmen. Angeführt wird die Schaffung eines autonomen Kulturzentrums in Hallein. Als einziger Bezirk verfügt der Tennengau nicht über ein solches Zentrum. Außerdem soll die Depotsituation der Museen verbessert werden. Allen voran geht es dabei um die Errichtung eines lang schon geplanten „Wissenszentrums“für das Salzburg Museum, eines Depots, das nicht nur als Lagerplatz dienen soll, sondern auch als öffentlich zugänglicher Vermittlungsort.
Wie der Austausch mit dem regionalen Raum bereits intensiviert wird, zeigt das Salzburg Museum. Nie zuvor waren mehr Leihgaben aus dem Museum in der Stadt auf dem Land zu sehen. Rund 100 Objekte sind derzeit an regionale Museen verliehen. „Durch die Erarbeitung des Kulturplans kam man sich näher, konnte noch genauer verschiedene Bedürfnisse erkennen“, sagt Direktor Hochleitner. Diese Erfahrung teilt Schellhorn: „Damit dieser Plan für die nächsten zehn Jahre mit Leben erfüllt wird, müssen wir den Prozess des Austausches erhalten“, sagt Schellhorn.
„Schieflage zwischen Stadt und Land.“H. Schellhorn, Landesrat