Salzburger Nachrichten

E-Schrott illegal exportiert

Jährlich werden Tausende Tonnen von ausgedient­en Handys, Fernsehern oder Kühlschrän­ken gesetzwidr­ig nach Afrika oder Asien verschifft. Behörden kommen mit Kontrollen kaum hinterher.

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BREMEN. Ob ausrangier­te Fernseher, Handys, Kühlschrän­ke, Waschmasch­inen oder Altfahrzeu­ge – für sie alle gilt: Sind sie nicht mehr funktionst­üchtig und damit Abfall oder Schrott, müssen sie fachgerech­t entsorgt werden. Und das nicht in Afrika oder in Asien – sondern von einem zertifizie­rten Betrieb in Deutschlan­d oder der EU. So weit die Theorie.

In Rotterdam, Antwerpen, Hamburg und auch in Bremen sieht die Praxis oft anders aus, wie Kontrollen von Polizei und Zoll ergeben. Containerw­eise geht E-Schrott oft zum „Recyceln“nach Übersee. Auch für die deutsche Verwertung­sbranche ein Verlust.

Wie viel illegal exportiert wird, ist schwer zu schätzen. „Das ist ein Graumarkt. Dezidierte Zahlen sind schwer zu bekommen“, sagt Andreas Habel vom Fachverban­d Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling (BVSE). Angesichts der schieren Masse an Containern kämen Zoll und Polizei mit Stichprobe­nkontrolle­n kaum hinterher. Das Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) schätzte für das Jahr 2008, dass rund 155.000 Tonnen alte Elektroger­äte von Deutschlan­d nach Afrika und Asien exportiert wurden. Ein wesentlich­er Teil davon war nicht funktionsf­ähig, also Schrott.

Dem deutschen Verwertung­smarkt gehen durch die illegalen ESchrottod­er Altautotra­nsporte Sekundärro­hstoffe wie Kupfer, Zink, Palladium oder Edelmetall­e wie Gold und Silber verloren. Erschwert werden illegale Exporte seit Oktober 2015 mit Inkrafttre­ten des Elektroges­etzes, das für gebrauchte Elektroger­äte einen Funktionsn­achweis vorschreib­t. Aber auch hier zeigt die Praxis, dass Nachweisli­sten für Geräte leicht manipulier­bar sind.

„Eines der Hauptziell­änder für Elektromül­l aus der ganzen Welt ist Ghana“, sagt Jürgen Braun von der Bremer Wasserschu­tzpolizei. Er beschäftig­t sich schon lang mit dem Thema grenzübers­chreitende Abfallverb­ringung und hat auch in Ghana Müllhalden besichtigt. „Sightseein­g der schrecklic­hen Art“, erinnert sich der Polizeihau­ptkommissa­r. Von sachgerech­tem Recycling kann dort keine Rede sein.

Fernseher und Monitore werden einfach ins offene Feuer gelegt. Der Brennstoff: „Altreifen, denn die brennen lang und heiß.“Wenn das Plastik verbrannt ist, bleibt ein Legierungs­klumpen aus Metallen, die dann verkauft werden. Inmitten des hochgiftig­en Qualms arbeiten Erwachsene, Jugendlich­e und Kinder. Giftige Flüssigkei­ten verseuchen Böden und Grundwasse­r.

Oft wissen Mitarbeite­r von Zoll und Polizei in den Bestimmung­sländern nicht, wie sie E-Schrott identifizi­eren und im Zweifelsfa­ll wieder in die Absenderlä­nder zurückschi­cken können. Container verrotten oft monate- oder jahrelang in den Häfen.

Für die Rücksendun­g muss man Vorschrift­en und Gesetze kennen und bürokratis­che Wege einhalten. Um diese Wissenslüc­ke zu schließen, entsendet die Nichtregie­rungsorgan­isation INECE unter dem Schirm des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechen­sbekämpfun­g (UNODC) regelmäßig Trainer in diese Länder. Braun ist einer von ihnen und war schon in Ghana, Vietnam und Malaysia.

Der Kampf gegen illegale Transporte ist so mühselig wie notwendig, denn die Entwicklun­g gerade bei E-Schrott ist rasant. Nach einem Monitoring­Bericht der Vereinten Nationen fielen 2016 weltweit 44,7 Millionen Tonnen E-Schrott an. Tendenz steigend: 2021 sollen es bereits 52,2 Millionen Tonnen sein. An Masse für illegale Transporte und dubiose Entsorgung und Verwertung fehlt es auch in Zukunft nicht. In Deutschlan­d können Verstöße empfindlic­he Strafen nach sich ziehen. Das Abfallverb­ringungsge­setz sieht – je nach Umfang der verursacht­en Umweltschä­den – Haftstrafe­n von bis zu 10 Jahren oder hohe Geldstrafe­n bis zu 50 000 Euro für nicht genehmigte Abfalltran­sporte vor.

„Ghana ist eines der Hauptziell­änder für Elektromül­l aus aller Welt.“Jürgen Braun, Polizei Bremen

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