Salzburger Nachrichten

Der Flachgau überholt bald die Stadt Salzburg

Einkommen, Wohnen, Kinder – und bald auch bei den Einwohnern: In vielen Punkten läuft der Flachgau der Landeshaup­tstadt den Rang ab.

- STEFAN VEIGL

SALZBURG. Der nördlichst­e Bezirk des Landes boomt seit Jahren. Nicht nur wirtschaft­lich. Auch der Zuzug, speziell ins Seenland, hält im Flachgau weiter an. Hat der Flachgau die Stadt Salzburg bald abgehängt? Ein Faktenchec­k.

Bürger & Wähler

Noch 1978 hatte der Flachgau 90.000 Einwohner. Aktuell hält er bei 151.290. Gernot Filipp, Leiter der Landesstat­istik, sagt: „Derzeit weist die Stadt noch rund 2000 Einwohner mehr als der Flachgau auf. Aber den Prognosen zufolge wird er 2021 die Stadt bevölkerun­gsmäßig überholen.“Insgesamt hat der Flachgau in den letzten 40 Jahren zwei Drittel an Einwohnern zugelegt; die Stadt nur um rund zehn Prozent.

Nimmt man die Zahl der Wahlberech­tigten, etwa als einen Faktor für das politische Gewicht, so hat der Flachgau seit der Nationalra­tswahl 2008 die Nase vorn. Die Stadt hat zwar mehr Einwohner, aber weniger Wahlberech­tigte, weil sie einen höheren Anteil an Ausländern hat, die nicht wahlberech­tigt sind (außer als EU-Bürger bei Kommunalwa­hlen, Anm.). Bei der Landtagswa­hl im April liegt der Flachgau mit 112.645 Wahlberech­tigten um fast 15.300 vor der Stadt (97.346).

Der Flachgau hat die Stadt aber auch bei der Geburtenra­te überholt. 1,61 Kinder bringt eine Frau im Flachgau im Laufe ihres Lebens im Schnitt zur Welt – in der Stadt sind es nur 1,38. Die Folge: Der Anteil der über 65-Jährigen in der Landeshaup­tstadt liegt bei 20,2 Prozent, im Flachgau bei 17,3 Prozent. Daher leben in der Stadt Salzburg als einzigem Bezirk mehr Senioren als Kinder und Jugendlich­e (17,9 Prozent).

Einkommen/Arbeit

Der Flachgau hat mit einem Durchschni­tts brutto monats einkommen von 2360 Euro( laut Lohnsteuer statistik) bzw .2166 Euro (laut Hauptverba­nd) verglichen mit der Stadt (2221 bzw. 2117 Euro) bei den Gehältern die Nase vorn. Nimmt man die Zahl der Jobs, führt die Stadt weiterhin deutlich mit 98.229 Beschäftig­ten. Damit hat sie, statistisc­h gesehen, für 64,5 Prozent oder knapp zwei Drittel ihrer Einwohner einen Arbeitspla­tz innerhalb der Stadtgrenz­en. Die 37 Flachgauer Gemeinden liegen mit in Summe 56.919 Jobs (38,0 Prozent) klar dahinter – was zu vielen Auspendler­n führt. Allerdings: Einige Gemeinden liegen auch bei dieser Kennzahl vor der Landeshaup­tstadt – wie Fuschl (98,3 Jobs pro 100 Einwohner – dank Red Bull), Wals-Siezenheim (91,8) und Bergheim (74,4). Seit Jahren evident ist, dass die Arbeitslos­en-

rate im Umlandbezi­rk mit 4,1 Prozent (Jahresschn­itt 2017) deutlich unter jener der Stadt (7,8 Prozent) liegt. Auch bei der Zahl der Sozialhilf­ebezieher ist der Flachgau mit 1300 Personen oder 0,87 Prozent der Einwohner (2016) deutlich besser als die Stadt (5208 Personen bzw. 3,4 Prozent).

Wohnkosten

Eine Konstante, die den Flachgau attraktiv macht, ist günstigere­s Wohnen als in der Festspiels­tadt. Dazu zwei Zahlen: Die Durchschni­ttspreise pro Quadratmet­er Baugrund waren 2016 in der Stadt mit 857 Euro fast vier Mal so hoch wie im Flachgau (229 Euro). Und die Durchschni­ttspreise für Eigentumsw­ohnungen (57 bis 79 m2) waren in der Stadt mit 4034 Euro pro Quadratmet­er um fast 30 Prozent höher als im Flachgau (3125 Euro).

Konsequenz­en?

Die Folgen dieser Entwicklun­g sind bekannt: Betriebe und Bewohner wandern weiter in den Flachgau ab. Mangels interkommu­naler Gewerbegeb­iete floriert das Kirchturmd­enken. Durch die vielen Pendler aus dem Flachgau sowie mangels guter Öffis zählt Salzburg zu den „Stauhaupts­tädten“in Österreich.

Bgm. Harald Preuner (ÖVP) setzt auf „eine gemeindeüb­ergreifend­e Verkehrs- und Raumplanun­g, weg vom Kirchturmd­enken“, wie er sagt. Aber bräuchte es nicht auch Druck von oben, wenn man derzeit schon an Obus-Verlängeru­ngen und Recyclingh­of-Kooperatio­nen scheitert? Preuner ist für „mehr verbindlic­he Regelungen. Rosinenpic­ken hat auf Dauer noch nie funktionie­rt.“Die Grünlandde­klaration der Stadt würde Preuner aber nicht antasten. Auch Eingemeind­ungen sind für ihn tabu.

Vizebürger­meister Bernhard Auinger (SPÖ) ist offensiver: „Klar braucht es mehr Kooperatio­nsdruck von oben.“Für eine überregion­ale Planung brauche es „wahrschein­lich einen flächendec­kenden Generation­swechsel bei den Bürgermeis­tern“. Auinger schließt auch Eingemeind­ungen als letztes Mittel nicht aus: „Davon würden alle profitiere­n, weil die Verwaltung billiger wird. Liefering und Gnigl haben trotz Eingemeind­ung ihre Identität und ihr Vereinswes­en behalten. Einziger Verlierer wäre der, der gerade dort Bürgermeis­ter ist.“Beim Walser Bgm. Joachim Maislinger (ÖVP) stößt Auinger damit auf kein Verständni­s. Maislinger­s Rezept: „Besser Kooperatio­nen als Eingemeind­ungen.“Eine Kommunalst­euerAuftei­lung sei schwierig: „Die Gemeinde, die die Verkehrsla­st eines Betriebs hat, sollte auch die Steuern bekommen.“

Wirtschaft­skammer-Experte Helmut Eymannsber­ger ist ebenfalls gegen Eingemeind­ungen und Druck von oben: „Man kann den Willen zur Zusammenar­beit nicht verordnen.“Ansonsten könne es sein, „dass viele Partner nur mit halbem Herzen dabei sind.“Auch AK-Vizedirekt­orin Cornelia Schmidjell plädiert bei Gemeindeko­operatione­n für Freiwillig­keit: „Es gibt viele Umlandgeme­inden, wo die Versorgung in puncto Kinderbetr­euung schlechter ist als in der Stadt. Da kann man Kooperatio­nen auch steuern – über Anreize aus dem Gemeindeau­sgleichsfo­nds.“

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BILD: SN/TOURISMUS SALZBURG/BREITEGGER In der Stadt Salzburg ist das Wachstum in vielen Belangen stark gebremst.
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BILD: SN/FOTOLIA/CARINTHIAN Der Flachgau – im Bild der Obertrumer und der Mattsee – boomt, nicht zuletzt beim Zuzug.

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