Der Flachgau überholt bald die Stadt Salzburg
Einkommen, Wohnen, Kinder – und bald auch bei den Einwohnern: In vielen Punkten läuft der Flachgau der Landeshauptstadt den Rang ab.
SALZBURG. Der nördlichste Bezirk des Landes boomt seit Jahren. Nicht nur wirtschaftlich. Auch der Zuzug, speziell ins Seenland, hält im Flachgau weiter an. Hat der Flachgau die Stadt Salzburg bald abgehängt? Ein Faktencheck.
Bürger & Wähler
Noch 1978 hatte der Flachgau 90.000 Einwohner. Aktuell hält er bei 151.290. Gernot Filipp, Leiter der Landesstatistik, sagt: „Derzeit weist die Stadt noch rund 2000 Einwohner mehr als der Flachgau auf. Aber den Prognosen zufolge wird er 2021 die Stadt bevölkerungsmäßig überholen.“Insgesamt hat der Flachgau in den letzten 40 Jahren zwei Drittel an Einwohnern zugelegt; die Stadt nur um rund zehn Prozent.
Nimmt man die Zahl der Wahlberechtigten, etwa als einen Faktor für das politische Gewicht, so hat der Flachgau seit der Nationalratswahl 2008 die Nase vorn. Die Stadt hat zwar mehr Einwohner, aber weniger Wahlberechtigte, weil sie einen höheren Anteil an Ausländern hat, die nicht wahlberechtigt sind (außer als EU-Bürger bei Kommunalwahlen, Anm.). Bei der Landtagswahl im April liegt der Flachgau mit 112.645 Wahlberechtigten um fast 15.300 vor der Stadt (97.346).
Der Flachgau hat die Stadt aber auch bei der Geburtenrate überholt. 1,61 Kinder bringt eine Frau im Flachgau im Laufe ihres Lebens im Schnitt zur Welt – in der Stadt sind es nur 1,38. Die Folge: Der Anteil der über 65-Jährigen in der Landeshauptstadt liegt bei 20,2 Prozent, im Flachgau bei 17,3 Prozent. Daher leben in der Stadt Salzburg als einzigem Bezirk mehr Senioren als Kinder und Jugendliche (17,9 Prozent).
Einkommen/Arbeit
Der Flachgau hat mit einem Durchschnitts brutto monats einkommen von 2360 Euro( laut Lohnsteuer statistik) bzw .2166 Euro (laut Hauptverband) verglichen mit der Stadt (2221 bzw. 2117 Euro) bei den Gehältern die Nase vorn. Nimmt man die Zahl der Jobs, führt die Stadt weiterhin deutlich mit 98.229 Beschäftigten. Damit hat sie, statistisch gesehen, für 64,5 Prozent oder knapp zwei Drittel ihrer Einwohner einen Arbeitsplatz innerhalb der Stadtgrenzen. Die 37 Flachgauer Gemeinden liegen mit in Summe 56.919 Jobs (38,0 Prozent) klar dahinter – was zu vielen Auspendlern führt. Allerdings: Einige Gemeinden liegen auch bei dieser Kennzahl vor der Landeshauptstadt – wie Fuschl (98,3 Jobs pro 100 Einwohner – dank Red Bull), Wals-Siezenheim (91,8) und Bergheim (74,4). Seit Jahren evident ist, dass die Arbeitslosen-
rate im Umlandbezirk mit 4,1 Prozent (Jahresschnitt 2017) deutlich unter jener der Stadt (7,8 Prozent) liegt. Auch bei der Zahl der Sozialhilfebezieher ist der Flachgau mit 1300 Personen oder 0,87 Prozent der Einwohner (2016) deutlich besser als die Stadt (5208 Personen bzw. 3,4 Prozent).
Wohnkosten
Eine Konstante, die den Flachgau attraktiv macht, ist günstigeres Wohnen als in der Festspielstadt. Dazu zwei Zahlen: Die Durchschnittspreise pro Quadratmeter Baugrund waren 2016 in der Stadt mit 857 Euro fast vier Mal so hoch wie im Flachgau (229 Euro). Und die Durchschnittspreise für Eigentumswohnungen (57 bis 79 m2) waren in der Stadt mit 4034 Euro pro Quadratmeter um fast 30 Prozent höher als im Flachgau (3125 Euro).
Konsequenzen?
Die Folgen dieser Entwicklung sind bekannt: Betriebe und Bewohner wandern weiter in den Flachgau ab. Mangels interkommunaler Gewerbegebiete floriert das Kirchturmdenken. Durch die vielen Pendler aus dem Flachgau sowie mangels guter Öffis zählt Salzburg zu den „Stauhauptstädten“in Österreich.
Bgm. Harald Preuner (ÖVP) setzt auf „eine gemeindeübergreifende Verkehrs- und Raumplanung, weg vom Kirchturmdenken“, wie er sagt. Aber bräuchte es nicht auch Druck von oben, wenn man derzeit schon an Obus-Verlängerungen und Recyclinghof-Kooperationen scheitert? Preuner ist für „mehr verbindliche Regelungen. Rosinenpicken hat auf Dauer noch nie funktioniert.“Die Grünlanddeklaration der Stadt würde Preuner aber nicht antasten. Auch Eingemeindungen sind für ihn tabu.
Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) ist offensiver: „Klar braucht es mehr Kooperationsdruck von oben.“Für eine überregionale Planung brauche es „wahrscheinlich einen flächendeckenden Generationswechsel bei den Bürgermeistern“. Auinger schließt auch Eingemeindungen als letztes Mittel nicht aus: „Davon würden alle profitieren, weil die Verwaltung billiger wird. Liefering und Gnigl haben trotz Eingemeindung ihre Identität und ihr Vereinswesen behalten. Einziger Verlierer wäre der, der gerade dort Bürgermeister ist.“Beim Walser Bgm. Joachim Maislinger (ÖVP) stößt Auinger damit auf kein Verständnis. Maislingers Rezept: „Besser Kooperationen als Eingemeindungen.“Eine KommunalsteuerAufteilung sei schwierig: „Die Gemeinde, die die Verkehrslast eines Betriebs hat, sollte auch die Steuern bekommen.“
Wirtschaftskammer-Experte Helmut Eymannsberger ist ebenfalls gegen Eingemeindungen und Druck von oben: „Man kann den Willen zur Zusammenarbeit nicht verordnen.“Ansonsten könne es sein, „dass viele Partner nur mit halbem Herzen dabei sind.“Auch AK-Vizedirektorin Cornelia Schmidjell plädiert bei Gemeindekooperationen für Freiwilligkeit: „Es gibt viele Umlandgemeinden, wo die Versorgung in puncto Kinderbetreuung schlechter ist als in der Stadt. Da kann man Kooperationen auch steuern – über Anreize aus dem Gemeindeausgleichsfonds.“