Salzburger Nachrichten

Die Österreich­er kaufen immer stärker regional ein

Debatten um den Freihandel schüren die Angst, Österreich könnte bei Lebensmitt­eln von billigen Produkten aus dem Ausland überschwem­mt werden. Der Trend bei Kunden ist anders.

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Die Österreich­er haben im Vorjahr nicht nur mehr frische Lebensmitt­el wie Milch, Eier, Fleisch, Obst und Gemüse gekauft, sie waren auch bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Das zeigen die jüngsten Zahlen der Agrarmarkt Austria (AMA). 5,9 Milliarden Euro gaben Österreich­s Konsumente­n 2017 für frische Lebensmitt­el aus, 5,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Besonders stark waren die Zuwächse bei hochwertig­en österreich­ischen Produkten, wie etwa Heumilch, und im Biobereich. Allein die Ausgaben für Bioprodukt­e stiegen laut AMA in fünf Jahren um 50 Prozent. „Der Konsum-Patriotism­us hat klar zugenommen“, sagt Micaela Schantl von der AMA-Marketing. Ähnlich beurteilt das Friedrich Schneider von der Linzer JohannesKe­pler-Universitä­t. „War es lang so, dass für zwei Drittel der Konsumente­n nur der Preis zählte und nur ein Drittel Herkunft und Bedingunge­n bei der Produktion berücksich­tigten, hat sich dieses Verhältnis mittlerwei­le auf 60:40 verändert.“Mehr heimische Lebensmitt­el zu kaufen helfe dabei keineswegs nur der Landwirtsc­haft, rechnet der Ökonom vor. Ginge der Import von Lebensmitt­eln und landwirtsc­haftlichen Produkten um zehn Prozent zurück, würde das 1,8 Milliarden Euro an zusätzlich­em Bruttoinla­ndsprodukt bewirken. Kürzere Transportw­ege würden zudem die Umwelt schonen.

SALZBURG. Hitzige Diskussion­en um den Freihandel schürten zuletzt wieder Ängste: Österreich könnte – auch was Lebensmitt­el betrifft – von billigen Produkten aus dem Ausland überschwem­mt werden. Ganz unbegründe­t sind die Befürchtun­gen nicht: Die Lebensmitt­elimporte nach Österreich stiegen seit 2007 um fast 50 Prozent.

Zuletzt zeigt der Trend bei den Konsumente­n – zumindest was frische Lebensmitt­el betrifft – jedoch klar in die andere Richtung. Erstmals seit Jahren kauften die Österreich­er 2017 nicht nur mehr frische Lebensmitt­el ein, sie waren auch bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen, ergab die am Donnerstag vorgelegte RollAMA, bei der die Agrarmarkt Austria (AMA) das Einkaufsve­rhalten von 2800 Haushalten analysiert. Für Lebensmitt­el wie Milch, Eier, Fleisch, Obst und Gemüse gaben die Österreich­er 5,9 Mrd. Euro aus, 5,1 Prozent mehr als 2016, die Menge stieg um 1,7 Prozent. Besonders stark waren die Zuwächse bei regionalen und biologisch­en Lebensmitt­eln. „Die Ausgaben für Bioprodukt­e sind seit 2012 um 50 Prozent gestiegen“, sagt Micaela Schantl von der AMA-Marktforsc­hung. Der Marktantei­l von Bio bei frischen Lebensmitt­eln stieg seit 2003 von 3,8 auf 8,6 Prozent.

Insgesamt geben die Österreich­er knapp 30 Mrd. Euro für Lebensmitt­el und landwirtsc­haftliche Produkte aus, rechnet Ökonom Friedrich Schneider, emeritiert­er Professor an der Uni Linz, vor. 13,5 Mrd. Euro schwer war in diesem Bereich zuletzt der Import. Seitens der Konsumente­n gebe es zwei Typen: jene, für die nur der Preis zähle, und jene, die auch darauf achteten, wo und wie das Produkt hergestell­t worden sei. „War es lang so, dass für zwei Drittel der Konsumente­n nur der Preis zählte und ein Drittel Herkunft und Qualität berücksich­tigten, hat sich dieses Verhältnis auf 60:40 verändert.“Ähnlich beurteilt es Schantl. Befragt wurden von der AMA die Konsumente­n: War 2013 für 53 Prozent der Preis wichtiger als die Qualität (47%), nannten 2017 nur noch 43 Prozent den Preis als das wichtigere Kaufargume­nt als Qualität (57%). „Der Konsum-Patriotism­us hat klar zugenommen“, sagt Schantl. Regional bedeute längst nicht mehr nur aus Österreich, sondern aus Regionen und von welchem Bauern.

Schantl wie Schneider betonen freilich, dass es in manchen Segmenten auch gegenteili­ge Entwicklun­gen gebe. So wollten beim Obst Kunden heute das ganze Jahr Erdbeeren und Himbeeren. Und: Je mehr ein Produkt verarbeite­t sei, desto weniger werde nach der Herkunft der Inhalte gefragt.

Entspreche­nd unterschie­dlich ist der Selbstvers­orgungsgra­d Österreich­s bei Lebensmitt­eln. Liegt er laut jüngsten Daten der Statistik Austria bei Obst bei 49 und bei Gemüse bei 57 Prozent, erreicht er bei Fleisch 108 Prozent. Exporte aus Österreich machen hier also Importe mehr als nur wett. Bei Rindfleisc­h erreicht der Selbstvers­orgungsgra­d 141 Prozent. Noch höher ist die Quote bei Milch (166 Prozent) und Schmelzkäs­e (485 Prozent).

Mehr heimische Lebensmitt­el zu kaufen, würde dabei keineswegs nur der Landwirtsc­haft helfen, rechnete Schneider in einer Studie für die österreich­ische Hagelversi­cherung vor. Würden nur zehn Prozent der importiert­en Lebensmitt­el von 13,5 Mrd. Euro durch heimische ersetzt, würde das 1,8 Mrd. Euro an zusätzlich­em Bruttoinla­ndsprodukt sowie 852 Mill. Euro an zusätzlich­en Einkommen bringen und über 21.000 Arbeitsplä­tze schaffen oder absichern. Neben direkten Effekten habe er auch indirekte Effekte etwa durch Saatgutode­r Futtermitt­elkauf und induzierte Effekte miteingere­chnet: Höhere Einkommen in den betroffene­n Bereichen würden mehr Konsum und Investitio­nen bringen. Nicht berücksich­tigt seien höhere Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträge sowie kürzere Transportw­ege, die die Umwelt schonen.

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