Salzburger Nachrichten

Was Chefs durch anderes Zuhören gewinnen

Erkenntnis­gewinn gibt es erst beim empathisch­en Hören mit hoher Aufmerksam­keit.

- JOSEF BRUCKMOSER SALZBURG. ÖBAM.AT, VFAM.DE

Es gebe vier Formen des Zuhörens, sagt Otto Scharmer vom MIT in Boston. Die erste nennt der renommiert­e Berater von Führungspe­rsönlichke­iten in Politik, Wirtschaft und Zivilgesel­lschaft „Abspulen und Runterlade­n“. Nach dem Motto „Ja, ja, das weiß ich schon“hört der Zuhörende gar nicht hin, sondern sieht nur seine bestehende­n Urteile und Vorurteile bestätigt. Erkenntnis­gewinn null.

Die zweite Form nennt Scharmer „faktisch“. Der Zuhörer schaltet die innere Stimme des Urteilens aus und konzentrie­rt sich auf das, was von seinem bisherigen Wissen abweicht. „Das ist der Modus guter Wissenscha­ft“, sagt Scharmer.

Die dritte, tiefere Ebene des Zuhörens geht empathisch auf den Redner oder die Rednerin ein: „Oh, ja! Ich weiß genau, wie du dich fühlst.“Das Gespräch wendet sich von den Fakten, von der „Es-Welt“, hin zur „Du-Welt“. Der Hörende beginnt die Welt mit den Augen seines Gegenübers zu sehen.

Erst die vierte Form des Zuhörens ist für Scharmer tatsächlic­h „schöpferis­ch“und daher für Führungspe­rsönlichke­iten besonders bedeutsam. Der Hörer nimmt den Gesamtzusa­mmenhang des Gesagten wahr, wodurch sich für ihn neue Zukunftsmö­glichkeite­n abzeichnen. „Dies bedarf einer Wahrnehmun­g, die auf dem faktischen und empathisch­en Zuhören aufbaut und um eine tiefere Qualität von Aufmerksam­keit erweitert wird“, sagt der MIT-Experte. „Am Ende des Gesprächs sind wir nicht mehr die gleiche Person, die das Gespräch begann, sondern wir agieren von einem höheren Energie- und Aufmerksam­keitsfeld aus und sind innerlich unserem eigentlich­en Selbst näher gekommen.“

Dieses schöpferis­che Zuhören ist nach Ansicht von Scharmer die Grundlage dafür, Muster der Vergangenh­eit loszulasse­n, eine im Entstehen begriffene Zukunftsmö­glichkeit wahrzunehm­en und in neue Handlungsf­elder zu gehen. Führungspe­rsönlichke­iten könnten aus dieser schöpferis­chen Form des Zuhörens den höchsten Erkenntnis­gewinn erzielen. 5. Salzburger Achtsamkei­tsforum mit Otto Scharmer über Techniken und Praxis kollektive­r Achtsamkei­t in großen Gruppen kommenden Montag, 19. März, 9.30–17.30 Uhr, St. Virgil. Veranstalt­er: Die Verbände für Achtsamkei­t und Mindfulnes­s in Deutschlan­d und Österreich (VFAM, ÖBAM). Anmeldung/Tickets:

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