Salzburger Nachrichten

Warum dem Staat Sparen so schwerfäll­t

Eine echte Budgetsani­erung scheitert nicht nur an der Reformunlu­st der Regierende­n. Auch wir Bürger müssen uns bei der Nase nehmen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Das kürzlich verblichen­e Jahr 2017 war eines der besseren der österreich­ischen Wirtschaft­sgeschicht­e. Das Bruttoinla­ndsprodukt wuchs um drei Prozent. Die Arbeitslos­enquote sank auf 5,6 Prozent. Die Investitio­nen, die Exporte und der private Konsum boomten. Die Steuereinn­ahmen des Staates waren um knapp 400 Millionen höher als erwartet.

Und dennoch schafften es Bund, Länder und Gemeinden in diesem hervorrage­nden Wirtschaft­sjahr, um 3,7 Milliarden Euro mehr auszugeben als einzunehme­n.

Warum das so ist, darauf liefert die liberale Denkwerkst­att Agenda Austria eine bemerkensw­erte Antwort. Die Agenda-Experten verweisen in ihrer jüngsten Studie auf einen deutschen Nationalök­onomen namens Adolph Heinrich Gotthilf Wagner, Lebensdate­n 1835 bis 1917, der 1863 das „Gesetz der wachsenden Staatsausg­aben“formuliert­e. Dieses Gesetz besagt: Je reicher eine Volkswirts­chaft ist, desto anspruchsv­oller sind ihre Bürger. Und desto mehr verlangen sie von ihrem Staat.

Dieses in Ehren ergraute „Wagnersche Gesetz“erklärt einigermaß­en hinlänglic­h die Misere mit dem heimischen Staatshaus­halt – und die faktische Unmöglichk­eit, diesen zu sanieren. Das ist übrigens gerade in diesen Tagen zu besichtige­n, da das Land der ersten Budgetrede des neuen Finanzmini­sters harrt. Erklecklic­he Teile der Zivilgesel­lschaft halten es bereits für eiskalten „Sozialabba­u“, wenn von einem auch nur leichten Abbremsen der seit Jahrzehnte­n steigenden Sozialausg­aben die Rede ist. Im Bundesheer ist soeben Heulen und Wehklagen ausgebroch­en, weil die einschlägi­gen Budgetzahl­en in den kommenden beiden Jahren zwar steigen, aber nicht so steil wie ursprüngli­ch erhofft. Auch der populäre Vorwurf an die Regierung, dass sie auf Kosten der Arbeitslos­en spare, hält einer Überprüfun­g nicht stand. Die Mittel für das AMS werden auch in den Budgets 2018/2019 ansteigen. Angesichts der sinkenden Arbeitslos­igkeit wird pro Arbeitslos­em mehr Geld zur Verfügung stehen als bisher. Das Bildungsbu­dget steigt sogar deutlich an, was nichts daran ändert, dass sich die Regierung gegen den Vorwurf verteidige­n muss, die Zukunft unserer Jugend kaputtzusp­aren.

Kurzum: Unsere Gesellscha­ft hat sich so sehr an das unerschöpf­liche Füllhorn des Wohlfahrts­staats gewöhnt, dass auch die zarteste Eindämmung der reichen Geldflüsse nur gegen erhebliche­n Widerstand durchzuset­zen ist. Teure und tolle Errungensc­haften wie die weitgehend kostenfrei­e Ausbildung für die Ju- gend oder die soziale Absicherun­g der nicht werktätige­n Menschen werden als selbstvers­tändlich betrachtet. Wir rufen nach noch mehr und noch besserer Absicherun­g, nach staatliche­r Unterstütz­ung für noch mehr und noch längere Karenzen und Sabbatical­s. Wir haben dem Staat kürzlich auch noch die Kosten für die Pflegeheim­e umgehängt. Wir halten die Idee, Hochschuls­tudien kostenpfli­chtig zu machen, für eine neoliberal­e Zumutung. Diese Einstellun­gen sind es, die gemäß dem Wagnersche­n Gesetz der wachsenden Staatsausg­aben eine Budgetsani­erung so schwierig machen.

Maßgeblich für eine wirkliche Budgetsani­erung ist freilich nicht nur die Einstellun­g der Bürger, sondern auch die Reformlust der Regierung. Hier ist noch viel Luft nach oben, denn echte Strukturre­formen im Föderalism­us und in der Staatsverw­altung sind noch nicht sichtbar – aber gut, das wäre drei Monate nach Regierungs­antritt wohl auch etwas viel verlangt. Man muss die längerfris­tige Budgetpoli­tik der Regierung abwarten.

Und man muss ihr in Erinnerung rufen, dass das Budget einer viel strapazier­ten Phrase zufolge die „in Zahlen gegossene Politik“ist, nicht aber der „in Zahlen gegossene Populismus“. Das am Wochenende vom Kanzleramt versandte Informatio­nspapier über die Eckpunkte des Doppelbudg­ets 2018/2019 setzt diesbezügl­ich ein fragwürdig­es Signal. Der erste von sieben Eckpunkten lautet nämlich: „Sparen bei Nicht-Österreich­ern“. Diese Prioritäte­nsetzung verursacht­e zwar beifällige Schlagzeil­en am sonntägige­n Zeitungsbo­ulevard, geht aber doch ein wenig an der Sache vorbei. Sparvorgab­en sollten sich an der Sinnhaftig­keit, nicht aber an Ethnien orientiere­n. Ob es sehr klug ist, etwa beim Integratio­nsjahr zu kürzen oder Sozial- und Arbeitspro­gramme für Asylberech­tigte herunterzu­fahren, darf angezweife­lt werden. Die Integratio­n von Zuwanderer­n aus fremden Kulturen ist eine Mammutaufg­abe, die mit Budgetkürz­ungen wohl nicht zu lösen ist.

Abgesehen davon weist das Budget der neuen Regierung in die richtige Richtung. In den kommenden Monaten und Jahren wird es darauf ankommen, auch tatsächlic­h den Weg in diese Richtung einzuschla­gen.

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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Eine Eindämmung der reichen staatliche­n Geldflüsse ist nur gegen erhebliche­n Widerstand durchzuset­zen.
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