Warum dem Staat Sparen so schwerfällt
Eine echte Budgetsanierung scheitert nicht nur an der Reformunlust der Regierenden. Auch wir Bürger müssen uns bei der Nase nehmen.
Das kürzlich verblichene Jahr 2017 war eines der besseren der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs um drei Prozent. Die Arbeitslosenquote sank auf 5,6 Prozent. Die Investitionen, die Exporte und der private Konsum boomten. Die Steuereinnahmen des Staates waren um knapp 400 Millionen höher als erwartet.
Und dennoch schafften es Bund, Länder und Gemeinden in diesem hervorragenden Wirtschaftsjahr, um 3,7 Milliarden Euro mehr auszugeben als einzunehmen.
Warum das so ist, darauf liefert die liberale Denkwerkstatt Agenda Austria eine bemerkenswerte Antwort. Die Agenda-Experten verweisen in ihrer jüngsten Studie auf einen deutschen Nationalökonomen namens Adolph Heinrich Gotthilf Wagner, Lebensdaten 1835 bis 1917, der 1863 das „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“formulierte. Dieses Gesetz besagt: Je reicher eine Volkswirtschaft ist, desto anspruchsvoller sind ihre Bürger. Und desto mehr verlangen sie von ihrem Staat.
Dieses in Ehren ergraute „Wagnersche Gesetz“erklärt einigermaßen hinlänglich die Misere mit dem heimischen Staatshaushalt – und die faktische Unmöglichkeit, diesen zu sanieren. Das ist übrigens gerade in diesen Tagen zu besichtigen, da das Land der ersten Budgetrede des neuen Finanzministers harrt. Erkleckliche Teile der Zivilgesellschaft halten es bereits für eiskalten „Sozialabbau“, wenn von einem auch nur leichten Abbremsen der seit Jahrzehnten steigenden Sozialausgaben die Rede ist. Im Bundesheer ist soeben Heulen und Wehklagen ausgebrochen, weil die einschlägigen Budgetzahlen in den kommenden beiden Jahren zwar steigen, aber nicht so steil wie ursprünglich erhofft. Auch der populäre Vorwurf an die Regierung, dass sie auf Kosten der Arbeitslosen spare, hält einer Überprüfung nicht stand. Die Mittel für das AMS werden auch in den Budgets 2018/2019 ansteigen. Angesichts der sinkenden Arbeitslosigkeit wird pro Arbeitslosem mehr Geld zur Verfügung stehen als bisher. Das Bildungsbudget steigt sogar deutlich an, was nichts daran ändert, dass sich die Regierung gegen den Vorwurf verteidigen muss, die Zukunft unserer Jugend kaputtzusparen.
Kurzum: Unsere Gesellschaft hat sich so sehr an das unerschöpfliche Füllhorn des Wohlfahrtsstaats gewöhnt, dass auch die zarteste Eindämmung der reichen Geldflüsse nur gegen erheblichen Widerstand durchzusetzen ist. Teure und tolle Errungenschaften wie die weitgehend kostenfreie Ausbildung für die Ju- gend oder die soziale Absicherung der nicht werktätigen Menschen werden als selbstverständlich betrachtet. Wir rufen nach noch mehr und noch besserer Absicherung, nach staatlicher Unterstützung für noch mehr und noch längere Karenzen und Sabbaticals. Wir haben dem Staat kürzlich auch noch die Kosten für die Pflegeheime umgehängt. Wir halten die Idee, Hochschulstudien kostenpflichtig zu machen, für eine neoliberale Zumutung. Diese Einstellungen sind es, die gemäß dem Wagnerschen Gesetz der wachsenden Staatsausgaben eine Budgetsanierung so schwierig machen.
Maßgeblich für eine wirkliche Budgetsanierung ist freilich nicht nur die Einstellung der Bürger, sondern auch die Reformlust der Regierung. Hier ist noch viel Luft nach oben, denn echte Strukturreformen im Föderalismus und in der Staatsverwaltung sind noch nicht sichtbar – aber gut, das wäre drei Monate nach Regierungsantritt wohl auch etwas viel verlangt. Man muss die längerfristige Budgetpolitik der Regierung abwarten.
Und man muss ihr in Erinnerung rufen, dass das Budget einer viel strapazierten Phrase zufolge die „in Zahlen gegossene Politik“ist, nicht aber der „in Zahlen gegossene Populismus“. Das am Wochenende vom Kanzleramt versandte Informationspapier über die Eckpunkte des Doppelbudgets 2018/2019 setzt diesbezüglich ein fragwürdiges Signal. Der erste von sieben Eckpunkten lautet nämlich: „Sparen bei Nicht-Österreichern“. Diese Prioritätensetzung verursachte zwar beifällige Schlagzeilen am sonntägigen Zeitungsboulevard, geht aber doch ein wenig an der Sache vorbei. Sparvorgaben sollten sich an der Sinnhaftigkeit, nicht aber an Ethnien orientieren. Ob es sehr klug ist, etwa beim Integrationsjahr zu kürzen oder Sozial- und Arbeitsprogramme für Asylberechtigte herunterzufahren, darf angezweifelt werden. Die Integration von Zuwanderern aus fremden Kulturen ist eine Mammutaufgabe, die mit Budgetkürzungen wohl nicht zu lösen ist.
Abgesehen davon weist das Budget der neuen Regierung in die richtige Richtung. In den kommenden Monaten und Jahren wird es darauf ankommen, auch tatsächlich den Weg in diese Richtung einzuschlagen.